Biedere Eindeutigkeit
Franz Kafkas Erzählung "Die Verwandlung" gehört zu den großen Texten der Weltliteratur. Doch wo Kafkas Text in vagen Andeutungen bleibt, ist Gisli Örn Gardassons Bühnenversion eindeutig auf Teufel komm raus.
Verwandeln tut sich dieser Gregor Samsa eigentlich gar nicht. Jens Atzorn bleibt für sich selbst und für den Zuschauer der schöne junge Mann im hellen Anzug oder der mit dem nackten muskulösen Oberkörper, später dann, wenn es ans Sterben geht. Mitnichten aber ist er der Käfer mit den tausend Beinen oder der harten Schale auf dem Rücken, als der er vom Rest der Figuren wahrgenommen wird, die sich angewidert wegdrehen, wenn sie ihn sehen oder sich die Ohren zuhalten, wenn sie ihn hören. Die Verwandlung also: eine Projektion seiner Umwelt.
Einzig die Umgebung, in der Gregor Samsa wohnt, sein Zimmer, das ist das, was sich gewandelt hat, wenn auch nur durch die Perspektive, mit der man dieses Zimmer wahrnimmt. Denn während man auf der Bühne des Münchner Cuvilliéstheater im unteren Stockwerk ein schrecklich biederes Wohnzimmer sieht, mit allem, was dekorativ dazugehört, ist das Zimmer im oberen Stockwerk um 90 Grad gedreht. Man sieht von oben auf Gregor Samsas Bett, man sieht auf ihn von oben, wenn er die Wände entlang klettert. Denn bewegen tut sich dieser Gregor Samsa dann doch, als sei er ein Insekt.
Ansonsten ist zunächst einmal alles so wie auch bei Kafka: Die Familie ekelt sich vor Gregor, sie sperrt ihn weg. Der Vater prügelt auf ihn ein. Die Mutter fällt in Ohnmacht, nur die Tochter kümmert sich und stellt verfaulten Käse hin.
Doch während in der eigentlichen Erzählung vieles kafkaesk im Vagen bleibt, hat sich der isländische Regisseur Gisli Örn Gardasson eine sehr freie eigene Fassung erstellt, die viele dazu erfundene Szenen aufweist und die dabei vieles allzu deutlich macht, was vorher nur angedeutet war.
Und ebenso wie die Geschichte auserzählt ist, ist das Ambiente ausdekoriert: Kleinbürgertum, wohin das Auge schaut. Zugleich werden die Figuren um Gregor Samsa in dieser Inszenierung als dezidierte Karikaturen ihrer selbst vorgeführt, was zeitweise eine Mischung ergibt zwischen Komödienstadl und Louis de Funes - Klamotte.
Lange Zeit also weiß man nicht wirklich, warum man eigentlich in diesem Theater sitzt und sich eine leidlich lustige, leicht hyperventilierende Bühnenversion einer Erzählung der Weltliteratur anschauen muss.
Das ändert sich erst im letzten Drittel, wenn eine Art Möchtegern-Arier in Gestalt eines Untermieters auftaucht: auch das eine Rolle, die zwar nicht dazu erfunden - aber stark ausstaffiert wurde. Und mit diesem Auftritt des Untermieters, der von der Tatkraft faselt und von der Herausforderung des Dienens und mit der sich ziemlich rasch vollziehenden Mutation von Gregors Schwester vom treu sorgenden Heimchen zum peitschenschwingenden Faschogirl, mit diesen beiden Entwicklungen versteht man langsam, worauf der Abend hinauslaufen soll: auf den ziemlich ausformulierten Gegensatz nämlich zwischen dem als Ungeziefer ausgemachten Opfer und dem sich an faschistischer Ideologie emporhangelnden Kleinbürgertum.
Das ist politisch sicherlich sehr löblich und auch korrekt, fragt sich nur, ob sich Kafkas ebenso nüchtern wie bedrohlich daherkommende Erzählung tatsächlich auf diese Eindeutigkeit reduzieren lässt, noch dazu, wenn sie ästhetisch im argen Biederkleid daherkommt.
Franz Kafka: Die Verwandlung
Premiere am Residenztheater München
Regie: Gisli Örn Gardasson
Bühne: Börkur Jònsson
Musik: Nick Cave + Warren Ellis
Einzig die Umgebung, in der Gregor Samsa wohnt, sein Zimmer, das ist das, was sich gewandelt hat, wenn auch nur durch die Perspektive, mit der man dieses Zimmer wahrnimmt. Denn während man auf der Bühne des Münchner Cuvilliéstheater im unteren Stockwerk ein schrecklich biederes Wohnzimmer sieht, mit allem, was dekorativ dazugehört, ist das Zimmer im oberen Stockwerk um 90 Grad gedreht. Man sieht von oben auf Gregor Samsas Bett, man sieht auf ihn von oben, wenn er die Wände entlang klettert. Denn bewegen tut sich dieser Gregor Samsa dann doch, als sei er ein Insekt.
Ansonsten ist zunächst einmal alles so wie auch bei Kafka: Die Familie ekelt sich vor Gregor, sie sperrt ihn weg. Der Vater prügelt auf ihn ein. Die Mutter fällt in Ohnmacht, nur die Tochter kümmert sich und stellt verfaulten Käse hin.
Doch während in der eigentlichen Erzählung vieles kafkaesk im Vagen bleibt, hat sich der isländische Regisseur Gisli Örn Gardasson eine sehr freie eigene Fassung erstellt, die viele dazu erfundene Szenen aufweist und die dabei vieles allzu deutlich macht, was vorher nur angedeutet war.
Und ebenso wie die Geschichte auserzählt ist, ist das Ambiente ausdekoriert: Kleinbürgertum, wohin das Auge schaut. Zugleich werden die Figuren um Gregor Samsa in dieser Inszenierung als dezidierte Karikaturen ihrer selbst vorgeführt, was zeitweise eine Mischung ergibt zwischen Komödienstadl und Louis de Funes - Klamotte.
Lange Zeit also weiß man nicht wirklich, warum man eigentlich in diesem Theater sitzt und sich eine leidlich lustige, leicht hyperventilierende Bühnenversion einer Erzählung der Weltliteratur anschauen muss.
Das ändert sich erst im letzten Drittel, wenn eine Art Möchtegern-Arier in Gestalt eines Untermieters auftaucht: auch das eine Rolle, die zwar nicht dazu erfunden - aber stark ausstaffiert wurde. Und mit diesem Auftritt des Untermieters, der von der Tatkraft faselt und von der Herausforderung des Dienens und mit der sich ziemlich rasch vollziehenden Mutation von Gregors Schwester vom treu sorgenden Heimchen zum peitschenschwingenden Faschogirl, mit diesen beiden Entwicklungen versteht man langsam, worauf der Abend hinauslaufen soll: auf den ziemlich ausformulierten Gegensatz nämlich zwischen dem als Ungeziefer ausgemachten Opfer und dem sich an faschistischer Ideologie emporhangelnden Kleinbürgertum.
Das ist politisch sicherlich sehr löblich und auch korrekt, fragt sich nur, ob sich Kafkas ebenso nüchtern wie bedrohlich daherkommende Erzählung tatsächlich auf diese Eindeutigkeit reduzieren lässt, noch dazu, wenn sie ästhetisch im argen Biederkleid daherkommt.
Franz Kafka: Die Verwandlung
Premiere am Residenztheater München
Regie: Gisli Örn Gardasson
Bühne: Börkur Jònsson
Musik: Nick Cave + Warren Ellis