BGH-Urteil

    Schuldlos auch ohne Helm

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    Auch weiterhin können Radler selbst entscheiden, ob sie den Helm mitnehmen - oder hängen lassen. © picture alliance / dpa
    Aufatmen für Helmpflicht-Gegner: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Radfahrer auch weiterhin vollen Anspruch auf Schadenersatz bei unverschuldeten Unfällen haben - auch wenn sie keinen Fahrradhelm tragen.
    Der BGH hat damit das Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig von Juni 2013 abgewiesen. Das Gericht hatte einer verunglückten Radfahrerin 20 Prozent Mitschuld an den Folgen eines Unfalls gegeben, den eine Autofahrerin allein verschuldet hatte. Begründung: Die Radlerin trug keinen Helm.
    Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) begrüßt die Entscheidung des BGH. ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork sagt: „Wenn ein Radfahrer vollkommen unverschuldet Opfer eines Verkehrsunfalles wird, dann darf ihm niemand seine berechtigten Schadensersatzansprüche streitig machen – egal, ob mit oder ohne Helm gefahren wurde. Das ist die Quintessenz des BGH-Urteils."
    Helmpflicht oder nicht? Das ist für den Juristen Andreas Maurer von der Universität Bremen eine politische Frage. Es gebe viele gefährliche Tätigkeiten und Aufenthaltsorte. Wenn man versuchen würde, die alle zu bannen, könnte mann niemandem mehr erlauben, irgendetwas zu tun. "Es ist eine Frage, die sich jede Gesellschaft stellen muss: Wie sehr wollen wir Bürgern die Verantwortung überlassen, sich selbst in Gefahr zu begeben?", sagte er im Deutschlandradio Kultur. Er persönlich sei dagegen, dass der Staat seinen Bürgern zu viele Pflichten auferlegt.
    Wann immer er mit dem Rad fahre, setze er den Helm auf, sagt der Philosoph Konrad Paul Liessmann im Deutschlandradio Kultur. Doch man könne mündige Menschen nicht zu ihrem Glück zwingen. Wir seien ohnehin umzingelt "von Maßnahmen, die alle unser Bestes wollen".
    Nur zehn Prozent Radler tragen einen Helm
    Jedes Jahr haben mehr als 70.000 Radfahrer in Deutschland einen Unfall. Nur etwas mehr als zehn Prozent der Radler tragen einen Helm. Klaus-Peter Land vom ADFC Bremen hält von einer Helmpflicht allerdings nichts. Darin sieht er die Persönlichkeitsrechte eingeschränkt. "Es wird suggeriert, dass Radfahren grundsätzlich gefährlich sei - was so nicht unbedingt stimmt", sagte er im Deutschlandradio Kultur.
    Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat dazu aufgerufen, dass mehr Radfahrer freiwillig Schutzhelme tragen. "Wir werben an Schulen, an vielen Stellen immer wieder dafür, dass der Helm schwere Schäden verhindern kann", sagte Dobrindt. "Aber wir glauben, dass die Freiwilligkeit der richtige Weg ist."
    Auch Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) hat sich gegen eine Helmpflicht für Radfahrer ausgesprochen. Er setzt stattdessen auf Freiwilligkeit. "Für mich steht außer Zweifel, dass geeignete Helme das Verletzungsrisiko von Radfahrern bei bestimmten Unfällen erheblich verringern können", sagte der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz.
    Finnland, Malta und Spanien Vorreiter in der EU
    Die Datenbank der Unfallforschung der Versicherer (UDV) zeigt, dass 73 Prozent der Helmträger, die mit einem Kraftfahrzeug zusammenprallten, am Kopf unverletzt blieben. Bei den Radfahrern ohne Helm waren es 46 Prozent. Im europäischen Ausland wie auch in Übersee gehen die Meinungen hinsichtlich einer allgemeinen Radhelmpflicht auseinander. Während in Europa bislang nur Finnland, Malta und Spanien eine gesetzliche Regelung über alle Altersgruppen hinweg eingeführt haben, gibt es etwa in Österreich, Slowenien oder Tschechien nur eine Helmpflicht für Kinder und Jugendliche.
    Ganz andere Zahlen liefert hingegen Gernot Sieg von der Universität Münster. Er sagt: Rein ökonomisch betrachtet würde eine Fahrradhelmpflicht Deutschland eher schaden als nützen. Die gesamtgesellschaftlichen Kosten seien um 40 Prozent größer als der Nutzen, schreibt er in einer Studie.

    Programmhinweis: Diskutieren Sie auch mit in unserer Debatte ab 15:50 Uhr.

    mel
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