Beziehung unter ungünstigen Vorzeichen
Die Schweizer Autorin Eveline Hasler erzählt die höchst bewegende, aufwühlende Geschichte der Schriftstellerin Regina Ullmann und des Freud-Schülers Otto Gross. Hasler tritt in "Stein bedeutet Liebe" förmlich zurück hinter dem dramatischen Stoff, sie skizziert in wenigen Pinselstrichen plastisch und einfühlsam das schwierige Leben ihrer beiden Protagonisten.
"Cafe Größenwahn" nennen Zeitgenossen spöttisch das Cafe "Stefanie" in Schwabing - den zentralen Schauplatz des Romans "Stein bedeutet Liebe" von Eveline Hasler.
Zu Beginn des 20.Jahrhunderts ist dieses Kaffeehaus Treffpunkt der Münchner Boheme-Szene: Künstler wie Roda Roda, Literaten wie Gustav Meyrinck, aber auch Franziska von Reventlow oder Erich Mühsam heißen die Gäste.
Auch die beiden Protagonisten des biografischen Romans lernen sich hier im Herbst 1906 kennen: die unbekannte Schriftstellerin und Dichterin Regina Ullmann und der hochbegabte und berühmte Freud-Schüler Otto Gross. In der jungen, eigentümlich verschlossenen Frau erkennt der Psychotherapeut und Arzt aus Graz schnell einen "interessanten Fall". Parallel zur "Therapie" entwickelt sich zwischen den beiden eine Liebesbeziehung.
Regina Ullmann wirkt im lauten Trubel des Cafes wie ein Fremdkörper. Immer an der Seite ihrer Mutter, ist sie eine stille Außenseiterin, wirkt abwesend und ungewöhnlich langsam. Ihre auffällige "Andersartigkeit" ist Folge der seelischen Verletzungen, die bis in ihre frühe Kindheit zurückreichen.
Vor allem der unerwartete Tod des Vaters hat bei der Vierjährigen eine Entwicklungs- und Sprachstörung ausgelöst. Als tiefempfindende Beobachterin vor allem der Natur entdeckt Rega früh die Einsamkeit des Schreibens für sich. Sie widmet sich den alltäglichen, einfachen Dingen mit großer Intensität und Zuwendung.
Kein geringerer als Rainer Maria Rilke wird wichtigster Mentor der Schweizer Autorin. Hermann Hesse und Robert Musil schätzen ihr Werk als visionär und einzigartig. 1911 konvertiert die Jüdin zum Katholizismus, das gibt ihrem Werk eine christliche Prägung. Lebenslange Begleiterin bleibt die übermächtige Mutter, nach deren Tod 1938 Regina in ein Heim geht. 1961 stirbt Regina Ullmann 86-jährig.
Sieben Jahre zuvor hatte sie als erste Frau den Kulturpreis ihrer Heimatstadt St. Gallen erhalten. Die Autorin des Romans "Stein bedeutet Liebe", die Schweizerin Eveline Hasler, erhielt denselben Preis 1994 und machte sich auch deshalb auf die Spurensuche nach ihrer einzigen weiblichen Vorgängerin Regina Ullmann - einer Schriftstellerin, die von ihrem Werk gesagt hat: "Unter meinen Geschichten ist eine andere Geschichte verborgen".
Diese andere Geschichte ist zweifellos mit der knapp einjährigen Liebesbeziehung zu Otto Gross verknüpft. Geprägt ist sie vom libertinen Geist des frühen 20.Jahrhunderts, der sogenannten "sexuellen Revolution": Otto Gross unterhält Verhältnisse zu mehreren Frauen gleichzeitig, drei davon erwarten ein Kind von ihm - darunter Regina Ullmann.
Es ist bereits das zweite uneheliche Kind, das Regina zur Welt bringt und das sie auf Druck ihrer Mutter und aufgrund der gesellschaftlichen Konventionen bei fremden Menschen aufwachsen lässt. Genau wie der biologische Vater des ersten Kindes will auch der Vater des zweiten Kindes, Otto Gross, keine Verantwortung übernehmen. Sein exzessiver Drogenkonsum lässt das ohnehin nicht zu.
Wie tief dennoch die schmerzerfüllte Liebe der Ullman zu ihrem Therapeuten ist, deutet die titelgebende Zeile des Romans an. Es ist einem im Buch zitierten Ullmann-Gedicht entnommen, in dem es heißt: "Nachtigall ist Liebe/ Und Stein bedeutet Liebe. Und zöge sie dich auf ihres Meeres Grund/ du liebtest dieses Meer ... "
Eveline Hasler erzählt die höchst bewegende, aufwühlende Geschichte von Regina Ullmann und Otto Gross (dessen Vater ihn später entmündigen und in eine geschlossene Klinik bringen lässt) mit großer Diskretion - unaufgeregt, leise.
Hasler tritt förmlich zurück hinter dem dramatischen Stoff, dokumentiert streckenweise fast protokollhaft die Geschehnisse, angefangen beim ersten Zusammentreffen der unbekannten Schriftstellerin bis hin zu schlaglichtartigen Rückblenden in die Kindheit und frühe Jugend der innerlich vereinsamten jungen Frau.
Aber auch Stationen im Leben von Otto Gross werden skizziert, sein Aufenthalt in Zürich, wo er eine Therapie bei C.G. Jung macht oder seine Aufenthalte in Ascona, wohin er sich zunächst für eine Entziehungskur aufmacht. In wenigen Pinselstrichen skizziert Eveline Hasler plastisch und einfühlsam das schwierige Leben ihrer beiden Protagonisten. Auch einige Zitate aus dem Werk, beziehungsweise aus Briefen und Archiven finden Verwendung.
Die Mischung aus dokumentarischem Material, fiktiven Dialogen und poetischen Beschreibungen ergibt ein vielstimmiges, atmosphärisch reiches Bild der Beziehung zwischen Regina Ullmann und Otto Gross.
Rezensiert von Olga Hochweis
Eveline Hasler: Stein bedeutet Liebe
Nagel & Kimche, Zürich 2007
176 Seiten, 19,90 Euro
Zu Beginn des 20.Jahrhunderts ist dieses Kaffeehaus Treffpunkt der Münchner Boheme-Szene: Künstler wie Roda Roda, Literaten wie Gustav Meyrinck, aber auch Franziska von Reventlow oder Erich Mühsam heißen die Gäste.
Auch die beiden Protagonisten des biografischen Romans lernen sich hier im Herbst 1906 kennen: die unbekannte Schriftstellerin und Dichterin Regina Ullmann und der hochbegabte und berühmte Freud-Schüler Otto Gross. In der jungen, eigentümlich verschlossenen Frau erkennt der Psychotherapeut und Arzt aus Graz schnell einen "interessanten Fall". Parallel zur "Therapie" entwickelt sich zwischen den beiden eine Liebesbeziehung.
Regina Ullmann wirkt im lauten Trubel des Cafes wie ein Fremdkörper. Immer an der Seite ihrer Mutter, ist sie eine stille Außenseiterin, wirkt abwesend und ungewöhnlich langsam. Ihre auffällige "Andersartigkeit" ist Folge der seelischen Verletzungen, die bis in ihre frühe Kindheit zurückreichen.
Vor allem der unerwartete Tod des Vaters hat bei der Vierjährigen eine Entwicklungs- und Sprachstörung ausgelöst. Als tiefempfindende Beobachterin vor allem der Natur entdeckt Rega früh die Einsamkeit des Schreibens für sich. Sie widmet sich den alltäglichen, einfachen Dingen mit großer Intensität und Zuwendung.
Kein geringerer als Rainer Maria Rilke wird wichtigster Mentor der Schweizer Autorin. Hermann Hesse und Robert Musil schätzen ihr Werk als visionär und einzigartig. 1911 konvertiert die Jüdin zum Katholizismus, das gibt ihrem Werk eine christliche Prägung. Lebenslange Begleiterin bleibt die übermächtige Mutter, nach deren Tod 1938 Regina in ein Heim geht. 1961 stirbt Regina Ullmann 86-jährig.
Sieben Jahre zuvor hatte sie als erste Frau den Kulturpreis ihrer Heimatstadt St. Gallen erhalten. Die Autorin des Romans "Stein bedeutet Liebe", die Schweizerin Eveline Hasler, erhielt denselben Preis 1994 und machte sich auch deshalb auf die Spurensuche nach ihrer einzigen weiblichen Vorgängerin Regina Ullmann - einer Schriftstellerin, die von ihrem Werk gesagt hat: "Unter meinen Geschichten ist eine andere Geschichte verborgen".
Diese andere Geschichte ist zweifellos mit der knapp einjährigen Liebesbeziehung zu Otto Gross verknüpft. Geprägt ist sie vom libertinen Geist des frühen 20.Jahrhunderts, der sogenannten "sexuellen Revolution": Otto Gross unterhält Verhältnisse zu mehreren Frauen gleichzeitig, drei davon erwarten ein Kind von ihm - darunter Regina Ullmann.
Es ist bereits das zweite uneheliche Kind, das Regina zur Welt bringt und das sie auf Druck ihrer Mutter und aufgrund der gesellschaftlichen Konventionen bei fremden Menschen aufwachsen lässt. Genau wie der biologische Vater des ersten Kindes will auch der Vater des zweiten Kindes, Otto Gross, keine Verantwortung übernehmen. Sein exzessiver Drogenkonsum lässt das ohnehin nicht zu.
Wie tief dennoch die schmerzerfüllte Liebe der Ullman zu ihrem Therapeuten ist, deutet die titelgebende Zeile des Romans an. Es ist einem im Buch zitierten Ullmann-Gedicht entnommen, in dem es heißt: "Nachtigall ist Liebe/ Und Stein bedeutet Liebe. Und zöge sie dich auf ihres Meeres Grund/ du liebtest dieses Meer ... "
Eveline Hasler erzählt die höchst bewegende, aufwühlende Geschichte von Regina Ullmann und Otto Gross (dessen Vater ihn später entmündigen und in eine geschlossene Klinik bringen lässt) mit großer Diskretion - unaufgeregt, leise.
Hasler tritt förmlich zurück hinter dem dramatischen Stoff, dokumentiert streckenweise fast protokollhaft die Geschehnisse, angefangen beim ersten Zusammentreffen der unbekannten Schriftstellerin bis hin zu schlaglichtartigen Rückblenden in die Kindheit und frühe Jugend der innerlich vereinsamten jungen Frau.
Aber auch Stationen im Leben von Otto Gross werden skizziert, sein Aufenthalt in Zürich, wo er eine Therapie bei C.G. Jung macht oder seine Aufenthalte in Ascona, wohin er sich zunächst für eine Entziehungskur aufmacht. In wenigen Pinselstrichen skizziert Eveline Hasler plastisch und einfühlsam das schwierige Leben ihrer beiden Protagonisten. Auch einige Zitate aus dem Werk, beziehungsweise aus Briefen und Archiven finden Verwendung.
Die Mischung aus dokumentarischem Material, fiktiven Dialogen und poetischen Beschreibungen ergibt ein vielstimmiges, atmosphärisch reiches Bild der Beziehung zwischen Regina Ullmann und Otto Gross.
Rezensiert von Olga Hochweis
Eveline Hasler: Stein bedeutet Liebe
Nagel & Kimche, Zürich 2007
176 Seiten, 19,90 Euro