Bezaubernde Licht- und Schattenspiele

Von Barbara Wiegand · 26.04.2010
In Stockholm färbte er das Wasser der Flüsse giftgrün, an der Südspitze Manhattans installierte er vier Wasserfälle – mit solch spektakulären Inszenierungen fasziniert Olafur Eliasson. Auch in seiner ersten großen Einzelausstellung in Berlin wird der übliche museale Rahmen gesprengt.
"Ah ja, da werden mich viele Besucher wieder fragen, wo hier die Bilder hängen", kommentiert einer der Aufseher die leeren Wände im Erdgeschoss des Martin-Gropius-Baus. Und in der Tat - eine klassisch gehängte Ausstellung ist diese Schau nicht. Vielmehr hat der Künstler einmal mehr eine erlebnisreiche Inszenierung geschaffen. Es blitzt, leuchtet und dämmert, es plätschert, funkt und qualmt derart, dass der Rauch durch den Luftschacht auf die Straße dringt.

Ganz dem Ausstellungstitel "Innen-Stadt-Außen" entsprechend wirkt Eliasson also über die Mauern des Museums hinaus und ein um die Ecke geparktes Feuerwehrauto lässt einen irritiert fragen, ob da drin jemand gezündelt hat. Innen stellt man beruhigt fest, dass zwar nichts anbrennt, aber sonst jede Menge passiert ist. Den großen Lichthof hat Eliasson mit einem Gerüst verbaut. Schlängelt man sich rechts oder links vorbei, öffnet sich vor den staunenden Augen ein riesiger Spiegelsaal – unter dem Titel "Mikroskop" hat der Künstler das gläserne Dach mit Folie vervielfältigt.

"Ein Mikroskop ist ja sozusagen ein Sehensverstärker. Und im Raum ist ja im Prinzip das Tageslicht von draußen zu sehen - also der traditionelle Fensterrahmen, wo das Tageslicht reinkommt. Morgens ist das Licht dann ganz anders als abends. Die Sensibilisierung für solche Feinheiten, dafür braucht man so einen Sehensverstärker. Und die Idee ist auch, dass der kaleidoskopische Raum sich in alle Richtungen bewegt."

Auch in anderen Arbeiten geht Eliasson an die Grenzen des Raumes und der Wahrnehmung. An den Rändern menschlicher Orientierung führt er den Besucher in einen nachtschwarzen, nur von quälend flackerndem Stroboskop Licht erhellten Saal hinein, in dem von einem Schlauch verspritztes Wasser wie ein zuckender Blitz erscheint und der Boden beängstigend unter den Füßen nachgibt. Ein paar Räume weiter hat man dagegen das Gefühl, auf Wolken zu laufen.

Man geht durch von Maschinen hinein gepusteten, in verschiedenen Farben angeleuchteten Nebel. Man ahnt Schemen, hört Stimmen und verliert sich doch immer weiter im undurchdringlichen Nichts

"Manche nehmen ja die Verunsicherung als produktive Herausforderung, manche werden ein bisschen ängstlich. Die Idee ist, dass man sich schon weiter bewegen kann. Für mich ist der Anfang der Installation interessant. Man verliert sein gewöhnliches Wahrnehmungswerkzeug, die Augen, und muss dann was anderes entwickeln. Irgendwann ist man damit vertraut. Ganz unbekannt ist es ja nicht. Jeder kennt es ja, etwa wenn man durch einen dunklen Raum geht."

Und doch ist man ganz froh, wenn man irgendwann, an der Wand entlang, einen Ausweg aus dem beklemmenden Dunst gefunden hat. Und man ist auch froh, dass nicht alle gezeigten Arbeiten so extrem sinnlich wirken. Daneben gibt es schräge Spiegeleien und poetische Installationen. Es gibt bezaubernde Licht- und Schattenspiele und manchmal – zumindest auf den ersten Blick - auch gar nichts zu sehen. Erst der Blick aus dem Fenster lässt einen stutzen – war dieser Rasenhügel schon immer da, oder war hier der Künstler am Werk.

Doch egal ob die Kunst unmerklich ist oder gigantisch – nicht nur seine Wahlheimatstadt Berlin, auch die Natur spielt eine große Rolle. Was sicher an seiner Herkunft liegt. 1967 wurde Olafur Eliasson in Kopenhagen als Sohn isländischer Eltern geboren und er ist der nordischen Insel bis heute sehr verbunden

"Für mich ist das ja erstmal eine Werkstoffkiste. Und ich habe diese Werkstoffkiste sicher aus meinen eigenen Erfahrungen zusammengebaut. Ich bin natürlich von meiner Auseinandersetzung mit Island inspiriert. Anderseits wird der Hintergrund, der Mythos der Künstler oft in den Vordergrund gestellt, wie hat man die Arbeiten zu sehen. Insofern neige ich dazu zu sagen: Redet bitte nicht über meine Herkunft - die Herkunft, die Vergangenheit der Besucher, ist ja auch wichtig. Wir trauen dem Besucher doch zu, dass er seine Vergangenheit in die Ausstellung trägt und jeder sieht dann tatsächlich was anderes."

Die Kunst entsteht also im Kopf des Betrachters, ein Allgemeinplatz der Kunstinterpretation, der aber auf Eliassons Werk ganz Besonders zutrifft.

Ist doch der Ausstellungsbesucher nicht nur immer wieder schwer beeindruckter Beobachter, sondern an diversen Installationen direkt beteiligt. Denn es ist sein Schatten, sein Spiegelbild das immer wieder zum Teil der Kunst wird. Er ist auch Erforscher raumgewaltiger Inszenierungen und Entdecker fast unmerklicher Interventionen. Ja, der Betrachter ist ein Erlebnisreisender durch den Kunstkosmos des Olafur Eliasson. Ein Kunstkosmos, der sich sicher nicht an Abgründen der Welt abarbeitet oder neue Ausdrucksformen kreiert, sondern in seiner betonten Sinnlichkeit sehr suggestiv ist, der aber immer wieder großartige, schöne wie verstörende Bilder schafft.

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