Bezahlen mit dem Fingerabdruck

Von Thomas Wagner |
Gerade am Abend oder am Wochenende sind die Schlangen an den Supermarkt-Kassen besonders lang. Um die Wartezeit für die Kunden zu verringern, wird derzeit in Baden-Württemberg ein neues Bezahlsystem getestet: Hier reicht ein Fingerabdruck auf einem Scanner, und schon ist die Ware bezahlt. Kunden und Verbraucherschützer aber reagieren auf das System mit Skepsis.
Hochbetrieb im Supermarkt in Konstanz. Eine ältere Dame zieht ihren Geldbeutel aus der Tasche, kramt nach Scheinen und Münzen. Das dauert.
Mittlerweile ist die Schlange erheblich länger geworden – ärgerlich. Doch das soll schon bald der Vergangenheit angehören.

"Der Kunde kauft bei uns ein, sagt vorher: Er möchte mit Finger-Print bezahlen. Der Mitarbeiter drückt die Taste Finger-Print. Der Kunde legt seinen Finger auf den Scanner. Der Finger wird abgescannt innerhalb einer Sekunde. Und somit ist der Zahlungsvorgang erfüllt."

Erklärt Marco Peic, Leiter des Edeka-Frischemarktes in Konstanz. Dort läuft, parallel zu weiteren 60 Filialen in Bayern und Baden-Württemberg, seit einem halben Jahr ein Modellversuch. Statt mit Bargeld oder EC-Karte können die Kunden, wenn sie dies wünschen, per Fingerabdruck bezahlen. Dazu müssen sich einmal registrieren lassen. Dabei wird das Abbild eines beliebigen Fingers eingescannt. Genau der muss bei der späteren Bezahlung auch wieder auf den Scanner an der Kasse gelegt werden.

"Sie hinterlegen eine Bankverbindung. Sie unterschreiben eine Vollmacht, dass wir den Einkaufsbetrag abbuchen dürfen. Und somit sind sie einmalig registriert und brauchen nie wieder ihre EC-Karte mitbringen."

So Andreas Vetter, der Computerfachmann der Supermarktkette. Für ihn bedeutet die Möglichkeit, mit Fingerabdruck zu bezahlen, ein deutliches Plus an Kundenservice.

"Dem Kunden bringt das eine ziemliche Zeitersparnis, da er nicht mehr seine PIN-Nummer wissen muss. Er legt einfach seinen Finger drauf – zwei Sekunden später ist der Zahlbetrag registriert. Und dann ist alles erledigt."

Automatisch bucht der Markt den Einkaufsbetrag vom Girokonto des Kunden ab. Das System basiert auf einer entscheidenden Feststellung, die seit langem bekannt ist:

"Das ist eindeutig. Jeder Finger ist weltweit einmalig."

Das bedeutet aber auch: Die Fülle von Informationen, die so ein Fingerabdruck enthält, wären viel zu groß für die Verarbeitung im Rechner des Supermarktes. Deshalb wird dort auch nicht der gesamte Fingerabdruck analysiert, sondern einzelne, unverwechselbare Merkmale.

"Das sind spezielle Punkte, die nur auf ihrem Finger vorhanden sind, also kein kompletter Fingerabdruck."

Diese Punkte werden in eine digitale Signatur verwandelt, die der Rechner im Supermarkt immer dann wieder erkennt, wenn der Kunde an der Kasse seinen Finger auf den Scanner legt. Vor Einführung des neuen Bezahlsystems haben die Verantwortlichen die Abläufe beim Bezahlen genau analysiert. Unter anderem, so Marko Peic, kam dabei heraus.

"Wir können in unseren Berichten ganz genau erkennen, wie lange der Kunde braucht, um Kleingeld aus der Geldbörse rauszuholen. Das ist meistens die doppelte Zeit, die der Kassierer braucht, um die Ware abzuscannen. Das verursacht auch die meisten Warteschlangen an den Kassen."

Im Umkehrschluss heißt das: Wird der Zeitaufwand beim Bezahlen verringert, also beispielsweise durch das Fingerprint-System, werden die Schlangen kürzer. Dadurch können mehr Kunden pro Zeiteinheit bedient werden; das ermöglicht bei großem Andrang höhere Umsätze pro Kasse. Die Einführung der Finger-Scanner folgt einem wirtschaftlichen Kalkül. Allerdings ist noch nicht ausgemacht, ob sich die Finger-Scanner an den Kassen wirklich rechnen. Viele Kunden zeigen sich skeptisch.

" Ne, also ich würde gerne mit Geld bezahlen, nicht durch den Fingerabdruck. Sorry!"

"Da habe ich einfach eine Aversion dagegen. Fingerabdruck – das hört sich nicht gut an. Man weiß nicht, was damit gemacht wird."

Und so fällt die Bilanz ein halbes Jahr nach Einführung des neuen Bezahlsystems mager aus: Gerade mal 30 Kunden haben sich mit ihrem Finger registrieren lassen. Immerhin: Diejenigen, die leises Unbehagen äußern, werden bestärkt durch die baden-württembergische Verbraucherzentrale in Stuttgart. Sprecherin Evelyn Kessler.

"Wir unterstellen niemandem, dass er die Daten nach außen gibt. Aber die Erfahrung zeigt, dass Daten nicht hundertprozentig geschützt sind. Letztes Jahr ist in den Vereinigten Staaten eine Datenbank gehackt worden mit den Kundendaten europäischer Visa-Kunden. Genauso könnte auch die Datenbank gehackt werden, auf der eben diese biometrischen Kundendaten enthalten sind. Und man muss wissen, dass biometrische Merkmale zunehmend auch im kriminalistischen Bereich eingesetzt werden. Und wir sind der Ansicht, wenn so eine Datenbank gehackt wird, könnte eine Menge Unfug damit getrieben werden. Das birgt gewisse Risiken für die Kunden."

Die EDV-Experten von Edeka weisen dieses Argument zurück: Bezahlen per Fingerabdruck – dieses Verfahren sei genauso sicher wie jedes andere bargeldlose Verfahren System beispielsweise mit der EC-Karte. Andreas Vetter aus Konstanz.

"Also diese Daten sind bei uns sicher. Die verlassen das Haus auf keinen Fall. Und es wird ja auch, wie gesagt, kein kompletter Fingerabdruck, sondern nur spezifische Merkmale des Fingers abgespeichert. Selbst uns ist es nicht möglich, diesen Fingerabdruck anhand der Daten wieder zu rekonstruieren."

Bleibt noch ein Einwand: Was, wenn jemand den Fingerabdruck eines Kunden beispielsweise vom Treppengeländer oder vom Einkaufswagen heimlich abnimmt und daraus eine Art "künstlicher Finger" rekonstruiert, um beim Bezahlen einen falschen Abdruck vorzutäuschen?

"Die Fälschungssicherheit ist sehr hoch. Der Scanner überprüft den elektrischen Widerstand der Haut. Also es kann jetzt keiner mit einem künstlichen Finger an die Kasse kommen. Das registriert der Scanner und verweigert die Zahlung."