Sample in Beyoncé-Single

Wie ein alter Musikschnipsel aktuelle Hits prägt

Die Sängerin Beyoncé mit ihren Tänzerinnen in neongelben Kostümen beim Bühnenauftritt.
Beyoncé ist nicht die erste, die die Melodie aus "Show Me Love" wiederverwendet hat: Bereits Anfang der 2010er-Jahre bezogen sich große Hits darauf. © Getty Images / A.M.P.A.S. / Mason Poole
Mathis Raabe im Gespräch mit Andreas Müller · 24.06.2022
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Die erste Single aus dem neuen Beyoncé-Album enthält ein weltbekanntes Sample aus dem House-Song "Show Me Love". Dass dieser so berühmt wurde, hat unserem Kritiker Mathis Raabe zufolge auch mit einem Knopf auf einem Synthesizer zu tun.
Die 90er-Jahre sind zurück im großen Mainstream-Pop. Das ist seit Beginn der Pandemie zu beobachten. Nun sorgt auch die neue Single von Beyoncé für Aufsehen.
Hier passiert das 90er-Revival auf eine etwas andere Art und Weise. "Break My Soul“, die erste Single aus dem kommenden neuen Album von Beyoncé, zitiert keinen großen Popstar aus jener Zeit, sondern einen House-Track: den Song „Show Me Love“ von Robin S. Und zwar in Form eines Samples.

Die Melodie ist bekannter als der Song

Bei „Show Me Love“ sei so gut wie immer der Remix des schwedischen Produzenten StoneBridge gemeint, der 1993 erschienen ist, sagt der Musikjournalist Mathis Raabe. „Diese Version enthält diese ikonische Synthesizer-Melodie, mit der der Song dann weltbekannt wurde. Vorher war der Song eine relativ uninteressante Soul-Nummer.“
Über mehrere Generationen hinweg werde die Melodie sofort wiedererkannt. Ihre Bekanntheit übersteige noch jene des Songs, so Rabe. „Beyoncé ist nicht die erste, die die Melodie wiederverwendet hat.“ Bereits Anfang der 2010er-Jahre, als der typische Großraumdisco-Sound eine Mischung aus R’n’B-Gesang und Produktionen elektronischer Tanzmusik (EDM) war, bezogen sich zwei große Hits darauf: Jason Derulos „Don’t Wanna Go Home“ und „Show Me“ von Kid Ink.
In diesem Jahr ist die Melodie aber besonders präsent und kam vor Beyoncé schon in zwei anderen großen Pop-Produktionen vor: „Used to Know Me“ von Charli XCX und „Pasatiempo“ von Daddy Yankee.

Einen Knopf weiter auf dem Synthesizer

Doch was macht diese Synthesizer-Melodie so attraktiv? „Ich glaube, das Besondere ist, dass Produzent StoneBridge eine Basslinie spielt, aber nicht in einem Basssound, und sie dadurch zur führenden Melodie wird“, erklärt Raabe.
Hier wird es kurz technisch: Stonebridge spiele auf dem berühmten Synthesizer Korg M1 den Preset-Sound Nummer 17 – eine gespeicherte Klangeinstellung –, der ein Orgelsound sei. „Preset-Sound Nummer 16 ist ein Basssound. Er hat also einfach nur einen Knopf weiter gedrückt und dann festgestellt, dass es überraschend gut klang.“
Diese Art von melodischer Basslinie zeichne seither viele erfolgreiche elektronische Popsongs aus. „Es gibt Elektropop-Acts wie Clean Bandit, die in Deutschland drei Nummer-eins-Singles haben, bei denen jeder Song von diesem Prinzip getragen wird.“ Da man das in ähnlicher Weise in vielen Songs hört, kann man den Einfluss schwer allein „Show Me Love“ zurechnen. „Eher noch könnte man es dem Preset 17 des Korg M1 zurechnen“, sagt Raabe. Dessen Einfluss sei kaum zu überschätzen.

Beyoncé kritisiert die Leistungsgesellschaft

Textlich kritisiert Beyoncé in ihrem Song die Leistungsgesellschaft. Sie singt davon, den Nine-to-Five-Job zu kündigen, weil er zu belastend sei. „Hier muss man kritisch einwerfen, dass Beyoncé Millionärin ist und seit ihrer Kindheit erfolgreiche Musikerin. Sie hat nie einen Nine-to-Five-Job gemacht“, sagt Raabe.
Dieses Paradoxon begleite Beyoncé schon lange: Sie mache Musik mit Empowerment-Botschaften, sei gleichzeitig aber sehr privilegiert: „Deshalb steht hinter der Authentizität der Botschaften immer ein Fragezeichen.“
Bei "Break My Soul" könne man ihr aber zumindest zugutehalten, dass sie die Botschaft zu einem großen Teil nicht selbst formuliere. „Es gibt noch ein zweites prominent eingesetztes Sample. Die Person, die ‚Release Your Anger‘ und ‚Release Your Job‘ rappt, ist die Rapperin Big Freedia."
Big Freedia ist Vertreterin sogenannter Bounce-Musik, eines HipHop-Subgenres, das aus New Orleans kommt. „Beyoncé bietet hier also zumindest jemandem eine Plattform, der eher aus dem musikalischen Untergrund kommt und wahrscheinlich einen authentischeren Bezug zum Struggle eines Nine-to-Five-Jobs hat.“

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