"Bevölkerung möchte auch nicht, dass dieser Doppelpass kommt"

Philipp Mißfelder im Gespräch mit Jörg Degenhardt · 23.02.2013
Der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, bezweifelt, dass eine doppelte Staatsbürgerschaft Integration fördern kann. Eine Überprüfung des Staatsbürgerschaftsrechtes, wie Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger es vorgeschlagen hat, lehnt er daher ab.
Jörg Degenhardt: Die Kanzlerin reist morgen in die Türkei. Die Beziehungen zwischen Ankara und Berlin gelten als eng, problemfrei sind sie aber nicht. NSU-Morde hierzulande, mangelnde Reformen dort, und dann gibt es da noch die Diskussion über den Doppelpass. Die türkische Gemeinde in Deutschland fordert hier Bewegung von der Bundesregierung. Zuallererst solle die Optionspflicht für junge Menschen aufgehoben werden. Nach der müssen sich nämlich hier aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern, die nicht aus der EU stammen, zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr zwischen deutschem und ausländischem Pass entscheiden. Vor allem junge Türken stehen deswegen häufig vor einer schwierigen Wahl.

Anke Petermann mit Beispielen (mp3-Audio)

Jörg Degenhardt: Lässt sich an diesem Zustand etwas ändern? Das habe ich Philipp Mißfelder gefragt. Er ist Vorsitzender der Jungen Union und er sitzt für die CDU im Deutschen Bundestag. Wollen Sie an der bisherigen Regelung weiter festhalten oder sollte die Optionspflicht nicht entsorgt werden?

Philipp Mißfelder: Na ja, ich finde schon, dass die jungen Menschen die Möglichkeit haben, lange und gut abzuwägen, welche Nationalität sie letztendlich haben wollen, und dafür ist die jetzige Regelung auch die richtige. Denn in der Tat ist es so, das ist keine einfache und keine leichtfertige Entscheidung, zu welchem Land man als Staatsbürger gehören will. Man verliert ja durch die Staatsbürgerschaft nicht die kulturelle Anbindung an Verwandte, an Freunde oder auch an das Herkunftsland der Eltern oder der Großeltern, sondern es ist ja ein Bekenntnis zu einem Land, in dem man dann lebt und in dem die meisten auch aufgewachsen sind und auch geboren worden sind. Und das ist natürlich eine Sache, die wir nicht außer Acht lassen darf: Wer in Deutschland zur Gemeinschaft auch dazugehören will, der muss sich für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Und mit dieser Regelung sind wir in den vergangenen Jahrzehnten ja sehr, sehr gut auch gefahren.

Degenhardt: Also soll alles bleiben so wie bisher.

Mißfelder: Das finde ich, ist der richtige Weg. Es gab ja schon mal 1999 den Versuch, durch Gerhard Schröder damals und eine rot-grüne Bundesregierung, einen Doppelpass einzuführen, und die CDU hat sich damals entschieden, mit dem Ministerpräsidenten Koch, mit dem CDU-Vorsitzenden Wolfgang Schäuble und der CDU-Generalsekretärin Angela Merkel, erfolgreich dagegen gestemmt und hat dann ja, infolgedessen, auch die Landtagswahl in Hessen gewonnen. Das ist ja alles bekannt, und ich glaube, das Beispiel zeigt, die deutsche Bevölkerung möchte auch nicht, dass dieser Doppelpass kommt.

Degenhardt: Ein anderes Beispiel: Ihr Parteifreund David McAllister, bis vor Kurzem ja noch niedersächsischer Ministerpräsident hat einen deutschen und einen britischen Pass. Wie erklären sie das einem Deutschtürken, der sich wiederum entscheiden muss.

"Richtig, dass man sich entscheiden muss"
Mißfelder: Ich wusste das von David McAllister gar nicht. Aber ich finde das richtig, dass man sich entscheiden muss. Hätte ich das gewusst, hätte ich ihn auch gefragt, kannst du dich nicht entscheiden, was du lieber sein willst, Deutscher oder Brite. Die Frage hätte er sich dann von mir – und wird er sich bei der nächsten Begegnung dann von mir auch anhören.

Degenhardt: Und die Bundesjustizministerin von der FDP, Leutheusser-Schnarrenberger, kann sich durchaus vorstellen, dass die Doppelstaatsangehörigkeit neu geregelt wird, weil sie sieht, dass in der doppelten Staatsbürgerschaft auch eine Möglichkeit liegt, die Integration zu fördern.

Mißfelder: Ja, das ist ja ein Widerspruch in sich. Also, wer deutscher Staatsbürger werden will, hat die Möglichkeit dazu, unter klaren Maßgaben, was die Sprache, was aber auch die Akzeptanz des Rechtsstaats angeht, und da gibt es so klare Regelungen, die im Übrigen ja vereinfacht worden sind und damit ja auch die Tür zu mehr Integration geöffnet hat. Auch von hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund die Möglichkeit gegeben hat, deutscher Staatsbürger zu werden, und da verstehe ich die Justizministerin an der Stelle nicht. Ich habe jetzt auch nicht ganz genau gelesen, was sie dazu gesagt hat. Mich wundert es nicht, weil die Justizministerin häufig andere Meinungen vertritt als der größere Koalitionspartner, die CDU/CSU.

Degenhardt: Aber mal davon abgesehen: Ist es nicht schade, wenn sich hochqualifizierte und mobile und zumal auch junge Menschen von Deutschland abwenden, nur, weil sie nicht zwei Staatsangehörigkeiten besitzen können?

Mißfelder: Mir ist dieser Fall nicht bekannt. Weil wir sind ein attraktiver Standort und wir können – in Deutschland kann man sehr gutes Geld verdienen, und mir ist kein Fall bekannt, wo jemand wegen der Doppelstaatsbürgerschaft das Land verlassen hat oder seinen gut bezahlten Job aufgegeben hat. Die Entscheidung, warum die Problematik des sogenannten Brain-Drains, also, dass Qualifizierte Deutschland verlassen, hängt doch nicht damit zusammen, sondern die Entscheidung hängt damit zusammen, dass vielleicht andere Standorte und andere Jobs attraktiver sind. Also wenn man bei Facebook arbeiten will und da eine Karriere machen will oder bei anderen großen Internetunternehmen, dann geht das in Deutschland gar nicht, weil es diese Unternehmen nicht gibt. Also wer bei einem Hedgefonds arbeiten will oder in der Hightech-Industrie im Silicon Valley, der muss eben nach New York oder ins Silicon Valley direkt gehen, weil es diese Arbeitsplätze in Deutschland kaum oder zu wenig gibt. Und das ist ja der Wettbewerbsdruck. Im Übrigen muss man auch dazu sagen, was die Anwerbung von Fachkräften angeht, gerade für Wissenschaft und Wirtschaft haben wir massiv die Einkommensgrenzen abgesenkt. Wo ich noch Handlungsbedarf, dringenden Handlungsbedarf sehe, ist in der Visavergabe und in der Frage, wie man mit Familienangehörigen dann umgeht. Das ist eine praktische Frage, die gelöst werden muss, die service-orientierter werden muss. Bei der Visavergabe haben wir große Defizite, gerade was Länder, Russland, aber auch die Türkei angeht und den arabischen Raum, da müssen wir uns bewegen, aber das hat mit der doppelten Staatsbürgerschaft erst mal nichts zu tun.

Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion
Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion und Vorsitzender der Jungen Union© picture-alliance/ dpa
"Mißfelder: Doppelte Staatsbürgerschaft Randthema im Wahlkampf"
Degenhardt: Von wegen bewegen – schaffen Sie aber nicht, Herr Mißfelder, mit der Optionspflicht Deutsche erster und zweiter Klasse? Sie haben ja auf der einen Seite dann zum Beispiel die türkischen Bürger, die hier geboren sind, die dann später sich entweder nicht entscheiden wollen beziehungsweise die Entscheidung verpassen, wie das einigen Tausend jetzt passiert ist, die dann ihre Staatsbürgerschaft verlieren, ihre deutsche, die sie schon bis zum 18. oder 23. Lebensjahr hatten.

Mißfelder: Die können sie ja wieder zurückkriegen. So schwierig ist das nicht, deutscher Staatsbürger zu werden.

Degenhardt: Um den Preis, dass sie ihre türkische abgeben.

Mißfelder: Ja. Und das – ja. Und deswegen, ich sag's ja, da fangen wir, da sind wir wieder bei der ersten Frage. Wir sind der Meinung: Eine Person, eine Staatsbürgerschaft.

Degenhardt: Aber es gibt doch kein völkerrechtliches Gebot, dass die Mehrstaatigkeit unmöglich macht?

Mißfelder: Überhaupt nicht, gibt es nicht, sondern das ist eine gesellschaftspolitische Antwort auf eine Frage. Und da geben wir eben die gesellschaftspolitische Antwort, dass wir glauben, dass das Bekenntnis zu einer Nation mit einer Staatsbürgerschaft möglich ist, und mit zweien den Integrationsprozess eben nicht erleichtert. Und da sind wir – da kann man unterschiedlicher Auffassung sein – ich meine, ich habe 1999, das ist ja schon lange her, auch am Infostand gestanden in Bochum, im Ruhrgebiet, wo viele Menschen zu uns gekommen sind, die in ihrem Leben niemals CDU gewählt haben, und da unterschrieben haben, weil sie diese Haltung für richtig halten. Und ich glaube, dass sich daran nichts geändert hat.

Degenhardt: Wird der Optionszwang, wird der Doppelpass auch Thema im Wahlkampf sein?

Mißfelder: Das glaube ich eher nicht, weil ich denke, dass der Zeitablauf der Diskussion so sein wird wie bei so vielen Diskussionen, das ist jetzt ein Thema, was jetzt wieder hochschwappt, das wird genauso verschwinden wie andere Themen, ich denke, wir werden im Wahlkampf vor allem über die wirtschaftlichen Erfolge der Bundesregierung sprechen und die wirtschaftliche Situation. Vielleicht auch wieder mehr über den Euro. Ich halte diese Frage doppelte Staatsbürgerschaft wirklich für ein Randthema. Wenn die SPD es zu einem Thema machen würde, also auf einem Plakat schreiben würde: "Steinbrück: Wir sind für die doppelte Staatsbürgerschaft", wird das der Union gerade auch Wähler aus dem Arbeitnehmermilieu, auch insbesondere im Ruhrgebiet uns scharenweise in die Arme treiben. Dann herzlich willkommen bei uns, wir nehmen die Stimmen gerne.

Degenhardt: Gegen den Doppelpass und für die Beibehaltung des Optionszwangs. Das war der Chef der Jungen Union, Philipp Mißfelder. Herr Mißfelder, vielen Dank für das Gespräch!

Mißfelder: Ganz herzlichen Dank, Herr Degenhardt!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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