Bettina Gaus über Anonymität im Internet

"Ich möchte von meinem Staat geschützt werden"

Mann mit Kapuzenpullover sitzt im Schatten eines Tunnels an einem Laptop
Wer in Foren andere bedroht oder beleidigt soll nicht anonym bleiben dürfen, sondern zur Rechenschaft gezogen weriden, fordert Journalistin Bettina Gaus. © imago / Jochen Tack
Bettina Gaus im Gespräch mit Axel Rahmlow · 24.09.2018
Drohen, beleidigen, verunglimpfen: In vielen Internetforen ist das ungestraft möglich - weil oft nicht einmal die Betreiber die Klarnamen der User kennen. Die Journalistin Bettina Gaus kritisiert, dass Netz-Rowdys auf diese Weise geschützt werden.
Wenn früher, in Vor-Email-Zeiten, einem Leser Bettina Gaus Meinung in der "taz" nicht passte, musste er sich richtig Mühe geben: Leserbrief schreiben, Briefmarke drauf, zum Postkasten bringen. Heute braucht es nur Sekunden, um im Netz und unter dem Deckmantel von Nicknames Beleidigungen oder Drohungen an die Journalistin zu schicken.
Bettina Gaus
Bettina Gaus© dpa/picture alliance/Karlheinz Schindler
"Ich möchte von meinem Staat davor geschützt werden", fordert Bettina Gaus. Sie habe Verständnis dafür, wenn User in Foren Beiträge nicht unter ihrem Klarnamen veröffentlichen wollten. So aufgeheizt wie die Stimmung bei bestimmten Debatten derzeit sei, sei nachvollziehbar, dass manche nicht wollten, dass ihre Nachbarn sie klar identifizieren könnten.
"Aber ich finde, dass es gar nicht geht, wenn Diskussionen geführt werden, wo nicht mal die Moderatoren des Forums die Klarnamen kennen. Wo man sich also nicht mit Namen und Adresse korrekt anmelden muss - es kann ja dann im Netz anonym sein."

Auch auf der Straße darf man nicht jeden beleidigen

Doch hierfür fehle eine rechtliche Regelung. Und: Befürworter einer Anonymität im Netz und Kritiker einer Offenlegung von Identitäten übersähen, "dass es ja auch bisher keinen Rechtsanspruch gibt, Leute ungestraft bedrohen oder beleidigen zu dürfen". Es gehe ja nicht darum, Meinungen unterdrücken zu wollen oder Leute auszuspähen. "Aber auch auf der Straße endet die Anonymität, die alle Passanten untereinander haben, in dem Augenblick, wo einer jemand anderen beleidigt, anspuckt, bedroht oder sonst irgendwas tut. Das ist eine Straftat. Und das sollte dann auch eine Straftat im Internet sein."
Die Betreiber hätten in dem Fall die Verantwortung für den Datenschutz auf ihren Portalen.

Technische Möglichkeiten ausschöpfen

Bislang werde die Debatte um Identitäten im Internet nicht in hinreichendem Maße geführt, kritisiert Bettina Gaus. "Man kann schon sagen: Wenn es einen gemeinsamen politischen Willen gibt, etwas durchzusetzen - dann wachsen den Leuten ja manchmal Flügel. Dann können sich auch technische Möglichkeiten ergeben oder internationale Vereinbarungen, die es ermöglichen."
Die immergleiche Antwort - "Es tut uns furchtbar leid, aber wir kommen nicht ran an die fremden Plattformen" - genüge ihr nicht.
(mkn)
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