Betreutes Einkaufen
Der Landkreis Mansfeld-Südharz – auf halber Strecke zwischen Halle und Göttingen – hat letztes Jahr ein bundesweit einzigartiges Pilotprojekt ins Leben gerufen: den Senioren-Einkaufsbus. Das Projekt nennt sich offiziell Service-Bus und will alten Menschen Mobilität ermöglichen.
Fahrer: „Morgen!“
Frau: „Morgen! Machen wir gleich mal eine Viererkarte….“
Fahrer: „Das machen wir. Sechs Euro, zehn…..Au, haben sie es nicht kleiner? Kucken sie mal… "
In Blazer, Jeans und Turnschuhen steht Frau Klausen beim Fahrer und zahlt ihr Ticket – für den Senioren-Shopping-Shuttle, ein grell leuchtend lackierter Kleinbus in Blau, Weiß und Rot. Der Bus ist eine Art Sammeltaxi mit Rollstuhlplatz und Rampe. Zweimal in der Woche fährt er die Dörfer rund um Rossla ab. Das liegt im sanft hügeligen Südharz, die nächste Großstadt ist gefühlt Lichtjahre entfernt.
Fahrer: „Zweie, viere, fünfe..“
Begleiterin: „Komm'se mal her. Setzen sie sich hin. Dann geht es ein bisschen besser.“
Angela Bittner ist die gute Seele des Busses. Die Mitfünfzigerin ist eine von zwei festangestellten Stewardessen des Senioren-Einkaufsbusses. Früher war sie Verkäuferin und Lageristin, jetzt begleitet sie meist Rentnerinnen bei ihrem Einkaufsausflug. Sie hilft ihnen beim Ein- und Aussteigen, wuchtet schwere Tüten in den Bus. Greift hier einer Dame unter den Arm, hält dort einer das Portemonnaie oder den Schirm, wenn es mal regnet. Sie kann anpacken und zuhören. Und musste nur noch einen Erste-Hilfe-Lehrgang machen.
Betreuerin: „…ist der richtige Job für dich. (lacht) Is wirklich so.“
Autor: „Warum?“
Betreuerin: „Warum? Weil ich auch eigentlich aufgeschlossen bin. Geh auch auf Leute drauf zu. Hab keine Angst vor irgendwelchen Dingen. Was kommt, dass kommt eben halt. Und es hat von Anfang an Spaß gemacht…“
Nach einer Viertelstunde steigt in Wickerode die 80-jährige Johanna Liebing ein. Sie sieht eher wie 60 aus, hat kaum Falten im Gesicht. Mit leicht federndem Gang nimmt sie die Stufe in den Bus. Die Bus-Betreuerinnen möchte sie dennoch nicht missen….
„…die helfen uns in den Bus rein und auch wieder raus. Das ist gut. Also ich finde das toll. Die Erfindung ist nicht schlecht. Hoffentlich bleibt's erhalten…“
Das betreute Busfahren ist die Idee eines Kasseler Verkehrsplanungsbüros. Und es entspricht haargenau den Wünschen der Pensionären und Rentner, die aus ihrem Dorf rauskommen wollen. Um zum Supermarkt zu fahren, Dinge auf der Bank oder auf dem Amt zu erledigen. Mit einer Betreuerin im Bus traut sie sich das viel eher, sagt Johanna Liebing, die längst Stammgast des bundesweit einzigen öffentlich organisierten Einkaufsbusses ist. Denn ohne Auto…
„….ist man aufgeschmissen in diesen Orten. Ist ja kein Laden da. Kommen zwar die fahrenden Händler, aber man möchte ja auch mal unter die Menschen, oder?“
Johanna Liebing hat sich heute für die Einkaufstour extra schick gemacht. Sie trägt eine gebügelte Bluse unter ihrem sandfarbenen Kostüm, ist dezent geschminkt.
„Man kann auch frühstücken in Rossla. Sektfrühstück machen. (lacht) Frau Bittner sie lachen wieder….“
Männer nehmen den Bus eher selten. Anders die Damen. Sie richten mittlerweile ihren Wochenplan nach dem Shopping-Shuttle aus. Und auch Ärzte und Physiotherapeuten in der Umgebung stimmen die Termine mit dem Fahrplan ab. Damit ist die Service-Buslinie der Verkehrsgesellschaft Südharz so was wie der Taktgeber für eine ganze Region.
Johanna Liebing: „….Frau Bittner, ich denke die Chefin ist heute mit dabei?“
Betreuerin: „Nee die kommt noch, die ist halb elf unten. Wartet da.“
Johanna Liebing: „War das nicht mal die Frau Thiele?“
Betreuerin: „Nee, Frau Thiele ist in der Zentrale.“
Der Bus fährt durch völlig verlassene Dörfer, Menschen sind keine zu sehen, die Fenster verhangen, viele Gebäude stehen leer. Seit der Wende hat sich die Bevölkerung im Südharz halbiert, 2050 sollen es noch mal ein Drittel weniger sein.
Ganz anders im Bus, dort ist Leben. Es wird wild geschnattert, man scherzt. Dorftratsch eben. Wie früher im Konsum. Alle sind gut drauf. Auch Busfahrer Wolfgang Linke. Die Damen im Bus kennt er fast alle mit Namen.
„…er hat gesagt, wir sollen Paulchen zu ihm sagen. Obwohl er gar nicht Paulchen heißt. (großes Lachen)….aber wir machen es eben….“
Busfahrer Linke lächelt, auf dem Oberarm prangt ein tätowierter Anker. 40 Jahre lang hat er Reisebusse gefahren, jetzt den Shopping-Shuttle. Routiniert lenkt er den rund zehn Meter langen 14-Sitzer durch die winzigen, und holprigen Gassen der kleinen mittelalterlichen Orte des Südharz: Wickerode, Kleinleinungen, Drebsdorf, Questenberg.
„Nächste Haltestelle Groß-Leinungen: Am gleichen Platz“
Sieben Orte werden auf einer Tour angefahren, die etwa 40 Kilometer lang ist. Wer wo ein- und aussteigt, dass wird auf einer Kladde säuberlich notiert. Man will ganz genau wissen, ob sich der auf drei Jahre angelegter Modellversuch auch rentiert, erklärt Sigrun Weigel. Sie steht am Fenster neben dem Fahrer und schaut, ob auch alles geschmiert läuft.
„Wir hoffen wirklich, dass wir den Menschen die Möglichkeit bieten, wieder am Leben teilzunehmen. Und nicht abhängig zu sein, auf Kinder, Enkelkinder, Verwandtschaft etc. Sondern unabhängig den Tag zu gestalten.“
Nach 30 Minuten ist die Fahrt zu Ende. Jetzt können die in die Jahre gekommenen Herrschaften zum Arzt, zum Einkaufen oder einfach das machen, wozu sie Lust haben und wonach sie in ihren Dörfern vergeblich suchen. Die Freiheit währt aber nur kurz. Nach zwei Stunden werden alle wieder eingesammelt.
Damen: „So, bis halb zwölf. Wir werden dann hier stehen.“
Busfahrer: „Ja, gut.“
Damen: „Bis dann…“
Busfahrer: „Tschüss.“
Frau: „Morgen! Machen wir gleich mal eine Viererkarte….“
Fahrer: „Das machen wir. Sechs Euro, zehn…..Au, haben sie es nicht kleiner? Kucken sie mal… "
In Blazer, Jeans und Turnschuhen steht Frau Klausen beim Fahrer und zahlt ihr Ticket – für den Senioren-Shopping-Shuttle, ein grell leuchtend lackierter Kleinbus in Blau, Weiß und Rot. Der Bus ist eine Art Sammeltaxi mit Rollstuhlplatz und Rampe. Zweimal in der Woche fährt er die Dörfer rund um Rossla ab. Das liegt im sanft hügeligen Südharz, die nächste Großstadt ist gefühlt Lichtjahre entfernt.
Fahrer: „Zweie, viere, fünfe..“
Begleiterin: „Komm'se mal her. Setzen sie sich hin. Dann geht es ein bisschen besser.“
Angela Bittner ist die gute Seele des Busses. Die Mitfünfzigerin ist eine von zwei festangestellten Stewardessen des Senioren-Einkaufsbusses. Früher war sie Verkäuferin und Lageristin, jetzt begleitet sie meist Rentnerinnen bei ihrem Einkaufsausflug. Sie hilft ihnen beim Ein- und Aussteigen, wuchtet schwere Tüten in den Bus. Greift hier einer Dame unter den Arm, hält dort einer das Portemonnaie oder den Schirm, wenn es mal regnet. Sie kann anpacken und zuhören. Und musste nur noch einen Erste-Hilfe-Lehrgang machen.
Betreuerin: „…ist der richtige Job für dich. (lacht) Is wirklich so.“
Autor: „Warum?“
Betreuerin: „Warum? Weil ich auch eigentlich aufgeschlossen bin. Geh auch auf Leute drauf zu. Hab keine Angst vor irgendwelchen Dingen. Was kommt, dass kommt eben halt. Und es hat von Anfang an Spaß gemacht…“
Nach einer Viertelstunde steigt in Wickerode die 80-jährige Johanna Liebing ein. Sie sieht eher wie 60 aus, hat kaum Falten im Gesicht. Mit leicht federndem Gang nimmt sie die Stufe in den Bus. Die Bus-Betreuerinnen möchte sie dennoch nicht missen….
„…die helfen uns in den Bus rein und auch wieder raus. Das ist gut. Also ich finde das toll. Die Erfindung ist nicht schlecht. Hoffentlich bleibt's erhalten…“
Das betreute Busfahren ist die Idee eines Kasseler Verkehrsplanungsbüros. Und es entspricht haargenau den Wünschen der Pensionären und Rentner, die aus ihrem Dorf rauskommen wollen. Um zum Supermarkt zu fahren, Dinge auf der Bank oder auf dem Amt zu erledigen. Mit einer Betreuerin im Bus traut sie sich das viel eher, sagt Johanna Liebing, die längst Stammgast des bundesweit einzigen öffentlich organisierten Einkaufsbusses ist. Denn ohne Auto…
„….ist man aufgeschmissen in diesen Orten. Ist ja kein Laden da. Kommen zwar die fahrenden Händler, aber man möchte ja auch mal unter die Menschen, oder?“
Johanna Liebing hat sich heute für die Einkaufstour extra schick gemacht. Sie trägt eine gebügelte Bluse unter ihrem sandfarbenen Kostüm, ist dezent geschminkt.
„Man kann auch frühstücken in Rossla. Sektfrühstück machen. (lacht) Frau Bittner sie lachen wieder….“
Männer nehmen den Bus eher selten. Anders die Damen. Sie richten mittlerweile ihren Wochenplan nach dem Shopping-Shuttle aus. Und auch Ärzte und Physiotherapeuten in der Umgebung stimmen die Termine mit dem Fahrplan ab. Damit ist die Service-Buslinie der Verkehrsgesellschaft Südharz so was wie der Taktgeber für eine ganze Region.
Johanna Liebing: „….Frau Bittner, ich denke die Chefin ist heute mit dabei?“
Betreuerin: „Nee die kommt noch, die ist halb elf unten. Wartet da.“
Johanna Liebing: „War das nicht mal die Frau Thiele?“
Betreuerin: „Nee, Frau Thiele ist in der Zentrale.“
Der Bus fährt durch völlig verlassene Dörfer, Menschen sind keine zu sehen, die Fenster verhangen, viele Gebäude stehen leer. Seit der Wende hat sich die Bevölkerung im Südharz halbiert, 2050 sollen es noch mal ein Drittel weniger sein.
Ganz anders im Bus, dort ist Leben. Es wird wild geschnattert, man scherzt. Dorftratsch eben. Wie früher im Konsum. Alle sind gut drauf. Auch Busfahrer Wolfgang Linke. Die Damen im Bus kennt er fast alle mit Namen.
„…er hat gesagt, wir sollen Paulchen zu ihm sagen. Obwohl er gar nicht Paulchen heißt. (großes Lachen)….aber wir machen es eben….“
Busfahrer Linke lächelt, auf dem Oberarm prangt ein tätowierter Anker. 40 Jahre lang hat er Reisebusse gefahren, jetzt den Shopping-Shuttle. Routiniert lenkt er den rund zehn Meter langen 14-Sitzer durch die winzigen, und holprigen Gassen der kleinen mittelalterlichen Orte des Südharz: Wickerode, Kleinleinungen, Drebsdorf, Questenberg.
„Nächste Haltestelle Groß-Leinungen: Am gleichen Platz“
Sieben Orte werden auf einer Tour angefahren, die etwa 40 Kilometer lang ist. Wer wo ein- und aussteigt, dass wird auf einer Kladde säuberlich notiert. Man will ganz genau wissen, ob sich der auf drei Jahre angelegter Modellversuch auch rentiert, erklärt Sigrun Weigel. Sie steht am Fenster neben dem Fahrer und schaut, ob auch alles geschmiert läuft.
„Wir hoffen wirklich, dass wir den Menschen die Möglichkeit bieten, wieder am Leben teilzunehmen. Und nicht abhängig zu sein, auf Kinder, Enkelkinder, Verwandtschaft etc. Sondern unabhängig den Tag zu gestalten.“
Nach 30 Minuten ist die Fahrt zu Ende. Jetzt können die in die Jahre gekommenen Herrschaften zum Arzt, zum Einkaufen oder einfach das machen, wozu sie Lust haben und wonach sie in ihren Dörfern vergeblich suchen. Die Freiheit währt aber nur kurz. Nach zwei Stunden werden alle wieder eingesammelt.
Damen: „So, bis halb zwölf. Wir werden dann hier stehen.“
Busfahrer: „Ja, gut.“
Damen: „Bis dann…“
Busfahrer: „Tschüss.“