Beten für einen gemeinsamen Weg
Morgen feiert die orthodoxe Kirche das Osterfest – eine Woche später als die Nicht-Orthodoxen, und das ist bei weitem nicht der einzige Unterschied zwischen den beiden Konfessionen. Was sie vereint, ist der Glaube an die Auferstehung und ihr Bemühen um gegenseitiges Verständnis.
Anne-Françoise Weber: Morgen feiern rund 310 Millionen orthodoxe Christen weltweit das Osterfest – eine Woche später als die sogenannte westliche Christenheit, weil der Termin bei ihnen nach dem Julianischen Kalender berechnet wird. Demnach fällt dieser erste Sonntag nach dem Frühlingsvollmond manchmal mit dem westlichen Ostern zusammen, manchmal ergeben sich aber auch bis zu fünf Wochen Abstand. In Deutschland gibt es rund 1,5 Millionen orthodoxe Christen, die von der vor zwei Jahren gegründeten orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland vertreten werden. Ich war vor der Sendung in der griechisch-orthodoxen Gemeinde Christi Himmelfahrt in Berlin-Steglitz. Sie untersteht dem ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel. Dort, zwischen all den Vorbereitungen für das Osterfest, habe ich mit Archimandrit Emmanuel Sfiatkos gesprochen. Archimandrit, das zur Erläuterung, ist ein Ehrentitel für einen Priestermönch. Zunächst habe ich Emmanuel Sfiatkos gefragt, was für ihn unter den zahlreichen Feiern der Karwoche und des Osterfests denn die wichtigste liturgische Passage ist.
Emmanuel Sfiatkos: Ein besonderes Erlebnis in der Karwoche ist natürlich die Auferstehungsfeier am Karsamstag in der Nacht zum Ostersonntag. Aber ich würde nicht sagen, dass nur dieser Gottesdienst eine Besonderheit darstellt, sondern die gesamte Fastenzeit und die Karwoche an sich durch ihren Reichtum an Gottesdiensten und an Gebeten und durch die Möglichkeit, die Gemeinde zu versammeln, bilden für einen Priester etwas besonderes im Kirchenjahr.
Weber: Die katholische deutsche Bischofskonferenz und die orthodoxe Bischofskonferenz haben vor Kurzem eine gemeinsame Schrift zu Ostern herausgegeben und dabei auch den Wunsch geäußert, dass man doch zu einem gemeinsamen Ostertermin finden möge. Halten Sie das denn für realistisch und was spricht eigentlich dagegen?
Sfiatkos: Ich halte es für sehr realistisch und auch wünschenswert. Es wäre ein Segen, wenn wir diese Möglichkeit hätten. Nun bietet natürlich die Möglichkeit, zu unterschiedlichen Daten das Osterfest zu feiern, auch die Möglichkeit, einander zu besuchen, und das wäre ein Besonderes, wenn wir gemeinsam Ostern feiern könnten. Die Probleme sind reich an der Zahl, und ich glaube, dass unser Gespräch nicht ausreicht von der Zeit her, um sie anzusprechen. Ich denke doch, dass guter Wille und auch die gemeinsame Erklärung der zwei Bischofskonferenzen doch einen sehr wichtigen Schritt getan hat, und dass wir bestimmt eine Möglichkeit finden werden, dass auch bald zu realisieren. Auch da kann ich nicht sagen, wann das der Fall sein wird. Ich bin kein Prophet, aber ich bete doch dafür, dass wir da einen gemeinsamen Weg einschlagen können.
Weber: Besonders unter protestantischen Theologen wird immer wieder darum gerungen, wie nun dieser Tod Jesu am Kreuz heute zu verstehen sei: Als Sühneopfer nach göttlichem Plan, um die Menschen auszulösen, oder doch eher als Mitleiden mit den Menschen, als größte Erniedrigung Gottes. Schauen Sie als orthodoxer Theologe mit Kopfschütteln auf solche Auslegungsversuche?
Sfiatkos: Ich glaube auch, dass in diesen Versuchen immer wieder die Tatsache zum Ausdruck kommt, dass die Menschen auf der Suche sind. Wir sind alle auf der Suche nach Gott, nach unserem Schöpfer, und die Besonderheit des Osterfestes macht etwas von all dem aus, was Sie aufgezählt haben. Es gibt in der orthodoxen Kirche, vielleicht ist das auch als Antwort etwas umfassender und besser, ein Gefühl, dass wir Charmolypi nennen, Freudentrauer. Also alles mischt sich mit hinein, und es kann das eine oder das andere nicht verstanden werden. Das bedeutet konkret, dass sowohl ein Gläubiger als auch ein Priester vor Freude weinen können und vor Trauer auch weinen können, aber auch sich freuen können über die Tatsache, dass der Herrgott Mensch geworden ist und sich erniedrigt hat, ans Kreuz geschlagen zu werden, dass Opfer gebracht hat, um die Menschen zu entlasten, um die Last von ihren Schultern zu nehmen und uns dann die Auferstehung mitzuteilen, auch zu zeigen, dass es einen anderen Weg gibt, eine andere Möglichkeit. Es ist Hoffnung, die mitschwingt, und das ist das Besondere, was in der orthodoxen Kirche zum Ausdruck gebracht wird, die Hoffnung. Wir sind eine Kirche der Auferstehung, als solche verstehen wir uns und als solche Feiern wir auch das Osterfest, das für uns Orthodoxe übrigens das wichtigste Fest im Kirchenjahr ist. Deswegen auch der Reichtum der Gottesdienste, und dieser besondere mystische Anklang, und auch diese Zuwendung zu Gott und die besondere Feier.
Weber: In der Wochenzeitung "Die Zeit" wurde vergangene Woche, also in der Karwoche der westlichen Christenheit beklagt, den meisten Christen sei der Glaube an die Auferstehung – nicht nur an die Auferstehung Jesu, sondern überhaupt an die Auferstehung der Toten – ziemlich abhanden gekommen, und auch Theologen würden diesen Kern des christlichen Glaubens eigentlich nicht mehr offensiv verteidigen. Würden Sie das auch für die orthodoxe Kirche und für die orthodoxen Gläubigen sagen?
Sfiatkos: Ich glaube, es gibt immer und überall Zweifler und Zweifel. Man tut sich schwer in einer Welt, in der man tagtäglich bombardiert wird mit schlimmen Nachrichten – ich denke an das Erdbeben vor der Küste in Sumatra und an die Erinnerungen, die wieder hochkommen, an die letzten Tsunamis, ich denke an viele Probleme und viele Geschehnisse, die die Welt in einen Schockzustand versetzt haben, und damit immer verbunden die Frage, wo ist Gott. Gott lässt uns aber nicht allein, dass wir die Auferstehung feiern, heißt nicht, dass wir einfach uns irgendeiner Sache erinnern, die irgendwann passiert ist. Nach orthodoxem Verständnis erleben wir tatsächlich die Auferstehung, wir leiden Jesu Leiden mit, wir erleben das, wir sehen, was da passiert, wir tragen ihn zu Grabe und wir freuen uns darüber, dass er auferstanden ist. Ich glaube, dass den Menschen durch das Rationale vielleicht etwas von diesem Mystischen abhanden gekommen ist. Dieser mystische Zugang zu Gott, auch die Tatsache, dass ich nicht alles verstehen und erklären muss oder erklärt bekommen muss, um es zu verinnerlichen – ich glaube, dass der persönliche Glaube des Menschen immer ein Stück weit von seinem Erlebnis und seinem Leben abhängig ist. Und ich denke, dass die Welt mehr denn je die Botschaft des auferstandenen Herrn braucht, um Hoffnung zu schöpfen, um Kraft zu erhalten für das, was passiert. Ich denke an die Menschen in meiner Heimat, in Griechenland, die momentan durch ein Tal der Klagen gehen und die nicht wissen, wo der Ausgang ist und wann dieses Klagen vorbei ist. Und doch gibt es Hoffnung, und auch da sehe ich meine Rolle als Priester und auch die Aufgabe aller meiner Kollegen, der Priester, aber natürlich auch unserer Bischöfe, dass wir den Menschen Hoffnung und Kraft geben und ihnen sagen, ja, der Herr ist auferstanden, für uns alle ist er auferstanden, und somit etwas Licht in diese Welt tragen.
Weber: Das ist der geistliche Beistand, den Sie den Menschen geben können. Versuchen Sie auch praktischen Beistand? Kommen hier Menschen aus Griechenland, die an Ihre Tür klopfen und sagen, ich weiß nicht wohin? Und Sie sind auch Beauftragter der orthodoxen Bischofskonferenz bei der Bundesregierung, versuchen Sie da auch politisch sich für Griechenland einzusetzen?
Sfiatkos: Ich habe natürlich bei verschiedenen Gelegenheiten mit Politikern gesprochen und ich bin auch gefragt worden und habe auch gerne informiert über das, was in Griechenland passiert. Es ist eine sehr wichtige und gute Möglichkeit für uns als Kirche, auf die Politik jetzt zuzugehen und zu sagen, all das, was berichtet wird, stimmt nicht. Natürlich sind unsere Politiker im Bilde darüber, was eigentlich los ist in Griechenland. Ich denke aber, dass mir persönlich die pastorale Arbeit und der Kontakt zu den Menschen am Herzen liegt. Also ich denke das nicht nur, es ist so, ich bin froh, wenn ich einem Menschen helfen kann, ich bin natürlich nicht froh über die große Zahl der Menschen, die zu mir kommen in den letzten Monaten und mich um Hilfe bitten – sei es um eine Vermittlung einer Wohnung oder einer Arbeit oder auch nur um zehn Euro und einen Teller Essen, auch das ist schon passiert. Und immer wieder werde ich auch da an meine Grenzen geführt und sage, es kann nicht sein, dass im Jahr 2012 Menschen hungern in Europa, in der EU, aber es ist tatsächlich so. Und auch da versuche ich, Kraft und Trost zu spenden, und es ist immer wieder und jeden Tag ist das der Fall.
Weber: Vor Ihrem Amt als Beauftragter bei der Bundesregierung waren Sie Beauftragter für die Jugendarbeit der orthodoxen Bischofskonferenz. In der katholischen und in der evangelischen Kirche bemüht man sich sehr, Jugendliche über ihre eigenen Medien und über ihre eigene Sprache zu erreichen. Es gibt den neuen Jugendkatechismus, es gibt Rock-Messen, wir haben in der Sendung noch einen Beitrag über Pfarrer, die Twitter, also diesen Kurzinformationsdienst, nutzen. Wie sieht Jugendarbeit in der orthodoxen Kirche aus? Bemüht man sich auch in diese Richtung oder sind die Jugendlichen noch viel mehr über die Tradition selbst zu erreichen?
Sfiatkos: Es gibt viele Wege und Möglichkeiten, Jugendliche zu erreichen. Also ich nutze die neuen und modernen Medien natürlich und versuche immer wieder, den jungen Menschen auch das zu vermitteln, dass Gott auch für sie da ist, dass es kein Gott, kein altbackener Gott der alten oder der vorangegangenen Generation ist, denn Jugendliche sind natürlich sehr kritisch und fragen sehr viel. Und ich bin froh um alle Gespräche – als Jugendreferent habe ich Zeltlager und Sommercamps mit organisiert, und letztes Jahr hatten wir noch dieses intensive Erlebnis, des Taizé-Jugendtreffens hier in Berlin – ich glaube, auch diese Menschen sind auf der Suche nach Gott, und auch ihnen offenbart sich Gott. Es ist wichtig, dass diese Tradition, die wir erleben in der orthodoxen Kirche, vermittelt wird von den Eltern und den Großeltern. Wenn ich jetzt an die Gottesdienste der vergangenen Karwoche denke, dann habe ich Bilder vor Augen, die mich eigentlich mit Freude erfüllen, weil viele junge Menschen in die Kirche gekommen sind, viele junge Menschen, die auch bis zum Ende der Gottesdienste dageblieben sind, auch wenn sie sehr lang sind, viele junge Menschen, die zur Kommunion, zur Eucharistie gekommen sind, und auch heute Abend nach der Auferstehungsmesse da sein werden, um die Auferstehung mit zu feiern. Und es werden immer mehr junge Menschen. Unsere Gemeinden sind auch so strukturiert, dass der Priester eine große Rolle spielt und der persönliche Kontakt zum Priester. Also werden Jugendgruppen organisiert und viele verschiedene andere Möglichkeiten gibt es auch. Es gibt auch eine Bemühung in Berlin, die nennt sich junge Ökumene, wo wir wirklich auf ökumenischem Terrain uns aneinandertasten und versuchen, für Jugendliche was zu bieten. Es gibt auf jeden Fall sehr viel zu tun, und es gibt auch junge Menschen, auch auf orthodoxer Seite, die sich dafür interessieren, ja, so erlebe ich das jeden Tag.
Weber: Die orthodoxe Christenheit ist ja unterteilt in viele unterschiedliche Patriarchate und nationale Kirchen, versteht sich allerdings als die eine orthodoxe Kirche. Das Ehrenprimat des Patriarchen von Konstantinopel wird zwar anerkannt, aber er hat doch nicht die Autorität und auch nicht die einigende Funktion eines römischen Papstes. Wie nahe sind sich denn jetzt die orthodoxen Christen hier in Berlin zu diesem orthodoxen Osterfest?
Sfiatkos: Wir sind uns sehr nahe, also wir kommunizieren sehr oft mit den Priestern aus den anderen Gemeinden, und wir besuchen auch einander dieser Tage, so gut es geht und soweit das die Gottesdienste zulassen. Sie haben vorhin angesprochen, ja, wir verstehen uns als eine orthodoxe Kirche, und diese Vielfalt erfahren wir als Bereicherung. Und auch wenn das ökumenische Patriarchat keine autoritäre oder keine Autoritätsinstanz ist, ist es doch eine Schiedsinstanz bei Problemfällen und erfreut sich doch des Respekts der anderen Kirchen. Ich denke zum Beispiel auch daran, dass jetzt in der Karwoche das heilige Salböl, das Myron, vorbereitet worden ist. Alle zehn Jahre ist dies der Fall, und der ökumenische Patriarch hat Vertreter aller orthodoxen Kirchen eingeladen nach Konstantinopel und sie sind auch dort hingegangen und haben mit ihm diesen Gottesdienst am Morgen des Gründonnerstag gefeiert. Wir verstehen uns in Berlin als eine Einheit, wir haben unseren pastoralen Dienst in unseren Gemeinden, wir sind auch dabei, eine orthodoxe Pfarrkonferenz in Berlin zu gründen und nach Möglichkeit, nach unseren Möglichkeiten, die Entscheidungen der orthodoxen Bischofskonferenz nach Berlin zu tragen und auch hier in dieser Gesellschaft umzusetzen. Dieses Bild der Einheit kommt immer wieder, wenn wir gemeinsam zelebrieren zu Gemeindefesten, zu Patrozinien, also wir haben eine sehr, sehr, sehr lebendige, familiäre Atmosphäre, obwohl wir viele Sprachen haben und unsere Gemeinden ganz unterschiedlich strukturiert sind, sind wir doch eine große Familie, ein großes Haus mit vielen Zimmern.
Weber: Vielen Dank, Archimandrit Emmanuel Sfiatkos, Priester der griechisch-orthodoxen Gemeinde in Berlin.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Emmanuel Sfiatkos: Ein besonderes Erlebnis in der Karwoche ist natürlich die Auferstehungsfeier am Karsamstag in der Nacht zum Ostersonntag. Aber ich würde nicht sagen, dass nur dieser Gottesdienst eine Besonderheit darstellt, sondern die gesamte Fastenzeit und die Karwoche an sich durch ihren Reichtum an Gottesdiensten und an Gebeten und durch die Möglichkeit, die Gemeinde zu versammeln, bilden für einen Priester etwas besonderes im Kirchenjahr.
Weber: Die katholische deutsche Bischofskonferenz und die orthodoxe Bischofskonferenz haben vor Kurzem eine gemeinsame Schrift zu Ostern herausgegeben und dabei auch den Wunsch geäußert, dass man doch zu einem gemeinsamen Ostertermin finden möge. Halten Sie das denn für realistisch und was spricht eigentlich dagegen?
Sfiatkos: Ich halte es für sehr realistisch und auch wünschenswert. Es wäre ein Segen, wenn wir diese Möglichkeit hätten. Nun bietet natürlich die Möglichkeit, zu unterschiedlichen Daten das Osterfest zu feiern, auch die Möglichkeit, einander zu besuchen, und das wäre ein Besonderes, wenn wir gemeinsam Ostern feiern könnten. Die Probleme sind reich an der Zahl, und ich glaube, dass unser Gespräch nicht ausreicht von der Zeit her, um sie anzusprechen. Ich denke doch, dass guter Wille und auch die gemeinsame Erklärung der zwei Bischofskonferenzen doch einen sehr wichtigen Schritt getan hat, und dass wir bestimmt eine Möglichkeit finden werden, dass auch bald zu realisieren. Auch da kann ich nicht sagen, wann das der Fall sein wird. Ich bin kein Prophet, aber ich bete doch dafür, dass wir da einen gemeinsamen Weg einschlagen können.
Weber: Besonders unter protestantischen Theologen wird immer wieder darum gerungen, wie nun dieser Tod Jesu am Kreuz heute zu verstehen sei: Als Sühneopfer nach göttlichem Plan, um die Menschen auszulösen, oder doch eher als Mitleiden mit den Menschen, als größte Erniedrigung Gottes. Schauen Sie als orthodoxer Theologe mit Kopfschütteln auf solche Auslegungsversuche?
Sfiatkos: Ich glaube auch, dass in diesen Versuchen immer wieder die Tatsache zum Ausdruck kommt, dass die Menschen auf der Suche sind. Wir sind alle auf der Suche nach Gott, nach unserem Schöpfer, und die Besonderheit des Osterfestes macht etwas von all dem aus, was Sie aufgezählt haben. Es gibt in der orthodoxen Kirche, vielleicht ist das auch als Antwort etwas umfassender und besser, ein Gefühl, dass wir Charmolypi nennen, Freudentrauer. Also alles mischt sich mit hinein, und es kann das eine oder das andere nicht verstanden werden. Das bedeutet konkret, dass sowohl ein Gläubiger als auch ein Priester vor Freude weinen können und vor Trauer auch weinen können, aber auch sich freuen können über die Tatsache, dass der Herrgott Mensch geworden ist und sich erniedrigt hat, ans Kreuz geschlagen zu werden, dass Opfer gebracht hat, um die Menschen zu entlasten, um die Last von ihren Schultern zu nehmen und uns dann die Auferstehung mitzuteilen, auch zu zeigen, dass es einen anderen Weg gibt, eine andere Möglichkeit. Es ist Hoffnung, die mitschwingt, und das ist das Besondere, was in der orthodoxen Kirche zum Ausdruck gebracht wird, die Hoffnung. Wir sind eine Kirche der Auferstehung, als solche verstehen wir uns und als solche Feiern wir auch das Osterfest, das für uns Orthodoxe übrigens das wichtigste Fest im Kirchenjahr ist. Deswegen auch der Reichtum der Gottesdienste, und dieser besondere mystische Anklang, und auch diese Zuwendung zu Gott und die besondere Feier.
Weber: In der Wochenzeitung "Die Zeit" wurde vergangene Woche, also in der Karwoche der westlichen Christenheit beklagt, den meisten Christen sei der Glaube an die Auferstehung – nicht nur an die Auferstehung Jesu, sondern überhaupt an die Auferstehung der Toten – ziemlich abhanden gekommen, und auch Theologen würden diesen Kern des christlichen Glaubens eigentlich nicht mehr offensiv verteidigen. Würden Sie das auch für die orthodoxe Kirche und für die orthodoxen Gläubigen sagen?
Sfiatkos: Ich glaube, es gibt immer und überall Zweifler und Zweifel. Man tut sich schwer in einer Welt, in der man tagtäglich bombardiert wird mit schlimmen Nachrichten – ich denke an das Erdbeben vor der Küste in Sumatra und an die Erinnerungen, die wieder hochkommen, an die letzten Tsunamis, ich denke an viele Probleme und viele Geschehnisse, die die Welt in einen Schockzustand versetzt haben, und damit immer verbunden die Frage, wo ist Gott. Gott lässt uns aber nicht allein, dass wir die Auferstehung feiern, heißt nicht, dass wir einfach uns irgendeiner Sache erinnern, die irgendwann passiert ist. Nach orthodoxem Verständnis erleben wir tatsächlich die Auferstehung, wir leiden Jesu Leiden mit, wir erleben das, wir sehen, was da passiert, wir tragen ihn zu Grabe und wir freuen uns darüber, dass er auferstanden ist. Ich glaube, dass den Menschen durch das Rationale vielleicht etwas von diesem Mystischen abhanden gekommen ist. Dieser mystische Zugang zu Gott, auch die Tatsache, dass ich nicht alles verstehen und erklären muss oder erklärt bekommen muss, um es zu verinnerlichen – ich glaube, dass der persönliche Glaube des Menschen immer ein Stück weit von seinem Erlebnis und seinem Leben abhängig ist. Und ich denke, dass die Welt mehr denn je die Botschaft des auferstandenen Herrn braucht, um Hoffnung zu schöpfen, um Kraft zu erhalten für das, was passiert. Ich denke an die Menschen in meiner Heimat, in Griechenland, die momentan durch ein Tal der Klagen gehen und die nicht wissen, wo der Ausgang ist und wann dieses Klagen vorbei ist. Und doch gibt es Hoffnung, und auch da sehe ich meine Rolle als Priester und auch die Aufgabe aller meiner Kollegen, der Priester, aber natürlich auch unserer Bischöfe, dass wir den Menschen Hoffnung und Kraft geben und ihnen sagen, ja, der Herr ist auferstanden, für uns alle ist er auferstanden, und somit etwas Licht in diese Welt tragen.
Weber: Das ist der geistliche Beistand, den Sie den Menschen geben können. Versuchen Sie auch praktischen Beistand? Kommen hier Menschen aus Griechenland, die an Ihre Tür klopfen und sagen, ich weiß nicht wohin? Und Sie sind auch Beauftragter der orthodoxen Bischofskonferenz bei der Bundesregierung, versuchen Sie da auch politisch sich für Griechenland einzusetzen?
Sfiatkos: Ich habe natürlich bei verschiedenen Gelegenheiten mit Politikern gesprochen und ich bin auch gefragt worden und habe auch gerne informiert über das, was in Griechenland passiert. Es ist eine sehr wichtige und gute Möglichkeit für uns als Kirche, auf die Politik jetzt zuzugehen und zu sagen, all das, was berichtet wird, stimmt nicht. Natürlich sind unsere Politiker im Bilde darüber, was eigentlich los ist in Griechenland. Ich denke aber, dass mir persönlich die pastorale Arbeit und der Kontakt zu den Menschen am Herzen liegt. Also ich denke das nicht nur, es ist so, ich bin froh, wenn ich einem Menschen helfen kann, ich bin natürlich nicht froh über die große Zahl der Menschen, die zu mir kommen in den letzten Monaten und mich um Hilfe bitten – sei es um eine Vermittlung einer Wohnung oder einer Arbeit oder auch nur um zehn Euro und einen Teller Essen, auch das ist schon passiert. Und immer wieder werde ich auch da an meine Grenzen geführt und sage, es kann nicht sein, dass im Jahr 2012 Menschen hungern in Europa, in der EU, aber es ist tatsächlich so. Und auch da versuche ich, Kraft und Trost zu spenden, und es ist immer wieder und jeden Tag ist das der Fall.
Weber: Vor Ihrem Amt als Beauftragter bei der Bundesregierung waren Sie Beauftragter für die Jugendarbeit der orthodoxen Bischofskonferenz. In der katholischen und in der evangelischen Kirche bemüht man sich sehr, Jugendliche über ihre eigenen Medien und über ihre eigene Sprache zu erreichen. Es gibt den neuen Jugendkatechismus, es gibt Rock-Messen, wir haben in der Sendung noch einen Beitrag über Pfarrer, die Twitter, also diesen Kurzinformationsdienst, nutzen. Wie sieht Jugendarbeit in der orthodoxen Kirche aus? Bemüht man sich auch in diese Richtung oder sind die Jugendlichen noch viel mehr über die Tradition selbst zu erreichen?
Sfiatkos: Es gibt viele Wege und Möglichkeiten, Jugendliche zu erreichen. Also ich nutze die neuen und modernen Medien natürlich und versuche immer wieder, den jungen Menschen auch das zu vermitteln, dass Gott auch für sie da ist, dass es kein Gott, kein altbackener Gott der alten oder der vorangegangenen Generation ist, denn Jugendliche sind natürlich sehr kritisch und fragen sehr viel. Und ich bin froh um alle Gespräche – als Jugendreferent habe ich Zeltlager und Sommercamps mit organisiert, und letztes Jahr hatten wir noch dieses intensive Erlebnis, des Taizé-Jugendtreffens hier in Berlin – ich glaube, auch diese Menschen sind auf der Suche nach Gott, und auch ihnen offenbart sich Gott. Es ist wichtig, dass diese Tradition, die wir erleben in der orthodoxen Kirche, vermittelt wird von den Eltern und den Großeltern. Wenn ich jetzt an die Gottesdienste der vergangenen Karwoche denke, dann habe ich Bilder vor Augen, die mich eigentlich mit Freude erfüllen, weil viele junge Menschen in die Kirche gekommen sind, viele junge Menschen, die auch bis zum Ende der Gottesdienste dageblieben sind, auch wenn sie sehr lang sind, viele junge Menschen, die zur Kommunion, zur Eucharistie gekommen sind, und auch heute Abend nach der Auferstehungsmesse da sein werden, um die Auferstehung mit zu feiern. Und es werden immer mehr junge Menschen. Unsere Gemeinden sind auch so strukturiert, dass der Priester eine große Rolle spielt und der persönliche Kontakt zum Priester. Also werden Jugendgruppen organisiert und viele verschiedene andere Möglichkeiten gibt es auch. Es gibt auch eine Bemühung in Berlin, die nennt sich junge Ökumene, wo wir wirklich auf ökumenischem Terrain uns aneinandertasten und versuchen, für Jugendliche was zu bieten. Es gibt auf jeden Fall sehr viel zu tun, und es gibt auch junge Menschen, auch auf orthodoxer Seite, die sich dafür interessieren, ja, so erlebe ich das jeden Tag.
Weber: Die orthodoxe Christenheit ist ja unterteilt in viele unterschiedliche Patriarchate und nationale Kirchen, versteht sich allerdings als die eine orthodoxe Kirche. Das Ehrenprimat des Patriarchen von Konstantinopel wird zwar anerkannt, aber er hat doch nicht die Autorität und auch nicht die einigende Funktion eines römischen Papstes. Wie nahe sind sich denn jetzt die orthodoxen Christen hier in Berlin zu diesem orthodoxen Osterfest?
Sfiatkos: Wir sind uns sehr nahe, also wir kommunizieren sehr oft mit den Priestern aus den anderen Gemeinden, und wir besuchen auch einander dieser Tage, so gut es geht und soweit das die Gottesdienste zulassen. Sie haben vorhin angesprochen, ja, wir verstehen uns als eine orthodoxe Kirche, und diese Vielfalt erfahren wir als Bereicherung. Und auch wenn das ökumenische Patriarchat keine autoritäre oder keine Autoritätsinstanz ist, ist es doch eine Schiedsinstanz bei Problemfällen und erfreut sich doch des Respekts der anderen Kirchen. Ich denke zum Beispiel auch daran, dass jetzt in der Karwoche das heilige Salböl, das Myron, vorbereitet worden ist. Alle zehn Jahre ist dies der Fall, und der ökumenische Patriarch hat Vertreter aller orthodoxen Kirchen eingeladen nach Konstantinopel und sie sind auch dort hingegangen und haben mit ihm diesen Gottesdienst am Morgen des Gründonnerstag gefeiert. Wir verstehen uns in Berlin als eine Einheit, wir haben unseren pastoralen Dienst in unseren Gemeinden, wir sind auch dabei, eine orthodoxe Pfarrkonferenz in Berlin zu gründen und nach Möglichkeit, nach unseren Möglichkeiten, die Entscheidungen der orthodoxen Bischofskonferenz nach Berlin zu tragen und auch hier in dieser Gesellschaft umzusetzen. Dieses Bild der Einheit kommt immer wieder, wenn wir gemeinsam zelebrieren zu Gemeindefesten, zu Patrozinien, also wir haben eine sehr, sehr, sehr lebendige, familiäre Atmosphäre, obwohl wir viele Sprachen haben und unsere Gemeinden ganz unterschiedlich strukturiert sind, sind wir doch eine große Familie, ein großes Haus mit vielen Zimmern.
Weber: Vielen Dank, Archimandrit Emmanuel Sfiatkos, Priester der griechisch-orthodoxen Gemeinde in Berlin.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.