"Besuchen Sie Polen - ihre Seele ist schon dort!"

Rezensiert von Kolja Mensing |
Radek Knapp macht sich in seiner "Gebrauchsanweisung für Polen" über die gängigen Polen-Klischees der Deutschen lustig. Zugleich entlarvt er die heimliche Sehnsucht der Deutschen nach einer wilden Ursprünglichkeit, die sich in diesen Klischees spiegelt.
Radek Knapp wurde 1964 in Warschau geboren und ging im Alter von elf Jahren mit seinen Eltern nach Wien. In seinem Roman "Herrn Kukas Empfehlungen" erzählte der deutschsprachige Schriftsteller vor einigen Jahren von einem jungen Polen, der sich in einem schrottreifen Touristenbus in den vermeintlich goldenen Westen aufmacht und sich dort als Gelegenheitsdieb und Herzensbrecher durchschlägt.

In seiner "Gebrauchsanweisung für Polen" geht er nun den umgekehrten Weg und nimmt seine Leser mit auf eine abenteuerliche Reise in das Land, in dem er geboren wurde. Knapp versucht dabei gar nicht erst, politisch korrekt zu sein. "Besuchen Sie Polen – Ihr Auto ist schon dort", diesen hierzulande recht populären Kalauer nimmt er gleich am Anfang auf und amüsiert sich über das Zittern der Deutschen "beim bloßen Auftauchen eines Schnurrbartträgers, der in Ostblockklamotten steckt und unter der Jacke etwas trägt, das sich als Vierkantschlüssel entpuppen könnte".

So arbeitet sich der deutschsprachige Schriftsteller in kleinen Anekdoten langsam durch das Dickicht der Vorurteile und Klischees und wartet dabei immer wieder mit überraschenden Wendungen auf.

Zum Thema "Autodiebstahl" steuert er die Geschichte einer französischen Diebesbande bei, die in Polen auf Raubzug geht, die Betrachtungen zum polnischen Katholizismus gipfeln in einem Zwischenfall auf einem Berliner Militärflughafen, bei dem ein Pilot statt der Landekoordinaten ein "Vater Unser" des offenbar recht leistungsstarken Kirchensenders Radio Maria aus dem Nachbarland empfing – und auch die sprichwörtliche Herzlichkeit, mit der man zwischen Danzig und Krakau Touristen begegnet, hat mittlerweile absurde Auswirkungen angenommen.

"In Polen kann einem kaum etwas Besseres passieren, als ein Ausländer zu sein. Es ist geradezu ein slawischer Volkssport, sich mit mehr oder weniger gekonnt imitierten, aber umso stärkerem englischen oder französischen Akzent in einem Amt zu melden und dort nach einer Auskunft zu verlangen."

Dieses Buch ist allerdings mehr als nur ein amüsanter literarischer Reiseführer. Das geistreiche Spiel mit dem stereotypen westeuropäischen Blick, der sich in Fernsehreportagen gerne in Bildern von zahnlosen Bäuerinnen in folkloristischen Trachten widerspiegelt, beherrscht Radek Knapp einfach viel zu gut.

Und so gerät seine "Gebrauchsanweisung" zuletzt zu einem feinsinnigen Essay über die geheime Sehnsucht, mit der man zumindest von Deutschland aus auf das vermeintlich so rätselhafte osteuropäische Nachbarland schaut. "Besuchen Sie Polen", schließt Radek Knapp mit leisem Spott den Bogen vom Anfang: "Ihre Seele ist schon dort."

Radek Knapp: Gebrauchsanweisung für Polen
Piper Verlag. München 2005.
153 S., 12,90 Euro