Besuch der "Minischirn"

Entspannt mit Kindern ins Museum

Von Corinna Tertel · 03.01.2015
In Möbelhäusern können Eltern ihre Kleinen oft in einem Spielparadies abgeben, um in Ruhe einzukaufen. In der Frankfurter Kunsthalle Schirn gibt es seit Dezember etwas Ähnliches: einen Spiel- und Lernparcours, den "Minischirn". Kinder gehen hier auf Entdeckertour - und die Eltern entspannt in die Ausstellungen.
Die Glastür zur Minischirn fällt ins Schloss. Celina und Nika Loreen stehen in dem kleinen Gaderobenraum. Noch etwas zurückhaltend. Celina ist fünfeinhalb und Nika Loreen wird in diesem Monat drei Jahre alt. Also bestes Zielgruppenalter für den Spiel- und Lernparcours der Schirn Kunsthalle in Frankfurt. Eine Mitarbeiterin begrüßt sie freundlich und hockt sich vor sie.
"Ihr könnt euch jetzt eine Box aussuchen für Eure Schuhe, dann müsst ihr Euch das Bild merken, das vorne drauf ist, dass ihr eure Schuhe später wiederfindet."
Dann gibt's noch Namensaufkleber für die beiden Mädchen und die Entdeckungstour geht los. Celina bleibt direkt im ersten Raum stehen. Und wundert sich. Sie beobachtet andere Kinder.
"Die sind da rein geklettert und dann sind sie weg."
Wahrlich rätselhaft… Celina lugt vorsichtig in das quadratische Loch im Boden. Ein Geheimgang? Ein Tunnel? Wo der wohl hinführt? Die Minischirn-Mitarbeiterin sieht ihr Zögern.
"Wart ihr schon im Tunnel drin? Wer sich nicht durch den Tunnel traut, kann auch die Rutsche nehmen."
Eine Rutsche? Die beiden nicken. Und sausen auf selbiger ins untere Geschoss. Wo auch der Ausgang des Tunnels ist. Celina steckt in den Kopf hinein.
"Da kriecht man rein und kommt oben wieder an."
Weil aber gerade Stau im Tunnel herrscht, hockt sie sich lieber neben die Kugelbahn, die zum Bauen und Bälle losschicken einlädt. Nika Loreen sitzt schon da und fischt sich die Bälle aus der Bahn. Ihr gefallen die Farben.
"Grün, pink, gelb."
"Stationen mit kreativem Aufforderungscharakter"
Die nächsten Stationen sind gerade von anderen Kindern besetzt. Die zwei Mädchen laufen zum Ende der Etage und die Wendeltreppe zurück nach oben. Sie kommen in einen grasgrünen Raum. Rundum gepolstert mit großen, weichen, grünen Stoffdreiecken. Mit kleine Magneten an allen Seiten und, die Halt geben beim Zusammenstellen und -bauen. Ein Geschwisterpärchen hat sich ein Zelt aus den Dreiecken gebaut, das aussieht wie eine Blütenknospe. Darin hocken sie und kichern. Celina und Nika laufen vorbei. Plötzlich stoppt die Jüngere. Vor ihr tut sich ein Abgrund auf.
"Da geht runter."
Aber es wirkt nur so, als ob es da in die Tiefe geht. Es ist ein komplett verspiegelter Raum. Zusätzlich mit kleinen beweglichen Spiegeln an den Wänden.
"Sind wir da unten?"
Ja, das sind wir da unten, aber eigentlich sind wir ja hier oben, erkläre ich, und Nika nickt.
"Weil, da sind Spiegel."
Genau. Weil wir uns spiegeln. Die fast dreijährige Nika guckt fasziniert und auch etwas irritiert nach unten und nach oben. Hier geht es um Einsicht in geometrische Bezüge und um Beobachtungsfähigkeit, heißt es in einer Beschreibung der Minischirn. "Die einzelnen Rauminszenierungen vereinen künstlerische Prinzipien wie Irritation, Transformation, Inszenierung, Performation und Partizipation zu didaktischen Stationen mit kreativem Aufforderungscharakter." So nennt es die Kunsthalle in ihrer Beschreibung. Die Fünfjährige übersetzt das für sich so: Rollfußball spielen im Spiegelraum zum Beispiel. Mit den dicken, dunkelroten Bällen, die dort einladend herumliegen.
"Ich roll' dir den zu, du musst auch ein bisschen Abstand halten, ja. Und du stelltst dich da hin."
Die Mädchen haben viel zu entdecken. Neben dem Spiegelraum einen Raum mit Lichtschaltern für Schatten- und Farbspiele. Magnetpuzzle an den Wänden. Leseecken mit Büchern und Musik, eine Wippe. Stationen zum Ausprobieren, zum Entdecken, Spielen und Lernen auf 100 Quadratmetern. Aber anders als in den Spielparadiesen der Möbelhäuser. Experimentierfreudiger, pädagogischer, anregender. Zwei geschulte Ansprechpartnerinnen sind jeweils für die Kinder da. Anne Specht ist eine von ihnen.
"Die Kinder sollen erst mal für sich, alleine entdecken, was sie hier in der Minischirn so alles machen können, und wenn wir sehen, dass es Fragen gibt, dann helfen wir natürlich weiter und geben Impulse, wie man damit spielen kann, was man damit macht."
Mit Begeisterung schieben die beiden Mädchen farbige Glasplatten vor das Fenster. Der Himmel, der U-Bahn-Eingang, die Schneereste auf der Treppe draußen, alles ist plötzlich lila. Gemischt aus den Farbplatten.
"Blau und rot…, jetzt orange…, und jetzt wieder normal."
"Da will ich öfter hin!"
Und statt Bällchenbad gibt es hier "Nudelsalat". Ein Raum mit einem Gewirr aus biegsamen Schwimm-Nudeln in den Wänden, die variabel in die Wandlöcher gesteckt werden können. Erst schlängelt sich Celina so durch die Nudeln, dass sie möglichst keine berührt. Dann hat sie die nächste Idee.
"Komm' mal mit!"
Sie nimmt Anlauf über die halbe Etage, durch den Spiegelraum, den Lichtraum und springt dann mit großem Satz in die Schwimmnudeln.
"Eins, zwei, drei!"
Der Schwimmnudel-Raum hat es den Mädchen besonders angetan. Und weil immer wieder das Wort "Nudeln" fällt, kommt dann auch der Hunger.
"Jetzt Pommes essen."
Ja, Nika möchte nun Pommes essen gehen. Auch Sven Roloff, Vater von gleichaltrigen Mädchen, holt gerade die Jacken für die Kinder.
"Gefällt mir ganz gut, die Kinder haben viel Spaß, scheint mir auch sicher zu sein. Ein großer Unterschied besteht darin, wie Jungs und Mädchen das wahrnehmen, scheint mir. Die Jungs rennen 'rum und die Mädchen probieren das aus."
Keine Frage - seiner fünfjährigen Tochter gefällt der Tunnel über die zwei Etagen mit den unterschiedlichen Farben am besten.
"Das Klettern, da geht man so zicke zacke."
Auch ein größeres Mädchen wird gerade abgeholt. "Das ist blöd", mault sie ihre Eltern an. "Ihr durftet euch die Bilder ansehen und ich musste in diesen Kindergarten hier!" Aber sie ist auch schon neun. Und damit außerhalb der Zielgruppe der Minischirn. Sie ist für Drei- bis Achtjährige konzipiert. Nika Loreen jedenfalls, die in wenigen Tagen drei Jahre alt wird, vergibt draußen ihr Gütesiegel.
"Da will ich öfter hin!"
Da will sie öfter hin. Und das bedeutet so viel wie Bestnote bei einem Dreikäsehoch.
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