Bestens gekleidet

Im Herbst präsentieren die Modemacher und Modemacherinnen ihre neuen Kollektionen. Doch was bei den langbeinigen und superdünnen Models fantastisch aussehen mag, ist in den seltensten Fällen alltagstauglich. Nancy McDonell hat daher zehn Dinge ausgesucht, die in keinem Frauen-Kleiderschrank fehlen sollten. Mit ihnen ist frau allzeit passend gekleidet.
Es ist Herbst. Die Die Modepräsentationen in Paris, London, Mailand und New York haben uns wieder mit großartigen Bildern versorgt. Langbeinige, superdünne Models haben die Kunstwerke der prominenten Designer von Lagerfeld bis Armani oder Valentino über die Laufstege geführt. Das ist Kunst.

Das, was dann in die ganz normalen Kaufhäuser und etwas nobleren Boutiquen gelangt, ist das, was ich und Du bei Modeentscheidungen wirklich im Kopf haben – nämlich Hosen, Röcke oder Kleider, in denen man sich bewegen kann, die dem Budget angemessen sind und von denen man glaubt, dass sie einem stehen.

Da passt ja das Buch von Nancy McDonell gerade richtig in die Landschaft. Basics klingt kurz und knapp – der Untertitel jedoch nach Ratgeben und ein wenig nach Manipulation.

Mode ist ja immer etwas Manipulation – sie flüstert uns oft gnadenlose Geschmacksverirrungen ein, weil eben nicht alles für jeden gemacht ist. Nancy McDonells Buch mit dem etwas ranschmeißerischen Titel tut aber genau das richtige: Frauen rennt nicht jeder Modesirene nach, sondern besinnt euch auf einige wichtige Bekleidungsstücke, die ihr eurem speziellen Stil anverwandelt und die nicht nur einer Saison standhalten.

Sie hat für ihr Buch zehn Dinge ausgesucht, die man als feste Größen im Kleiderschrank haben sollte und denen man mit gutem Gewissen lange treu bleiben kann ohne altbacken daher zu schlumsen. Ein bisschen ist das also eine Stilfibel – vor allem jedoch eine Kulturgeschichte von einer Frau geschrieben, die nicht dozieren will, sondern ihre gut recherchierten Geschichten immer auch mit ihren Beobachtungen im Modealltag konfrontiert.

Was sind denn nun diese zehn Dinge?

Das kleine Schwarze, der Hosenanzug, Jeans, der Kaschmirpullover, die weiße Bluse, die High Heels, Perlen, der Trechncoat, der Lippenstift, die Sneakers.
Bei neun Punkten gehe ich mit – die Sneakers? Aber das ist vielleicht eine Generationenfrage.
Mit diesen zehn Dingen kann man sich ein Gerüst schaffen, in dem man den ureigenen Stil entwickeln kann. Und dass diese Dinge so lange überlebt haben, nur kurz mal in der Versenkung der Fashionhölle verschwanden, um dann leicht verwandelt wie Phönix aus der Asche aufzuerstehen, hat seine Gründe, die die Autorin in zehn Kapitel lebendig, kundig und amüsant erzählt.

Über das kleine Schwarze wurde schon so viel gesprochen, der Siegeszug der Jeans von der amerikanischen Farmerbekleidung zur Designerausgabe mit Glamour ist auch gut bekannt – aber die biedere weiße Bluse oder der Trenchcoat haben auch ihre interessanten Modebiografien. Eigentlich ist jedes der beschriebenen Stücke eine Art Ikone und steht als eine Chiffre für eine Lebenshaltung, die man mit dem jeweiligen Kleidungsstück ausdrücken möchte. Bei den Jeans beispielsweise ist es der Gedanke der Demokratisierung der Kleidung, beim kleinen Schwarzen geht es in ähnliche Richtung. Frauen, die ihren Status nicht mehr über Samt und Seide, üppige Farben signalisieren wollten und mussten, trugen gerne kleine, lässige, elegante schwarze Kleider, in denen ihre Persönlichkeit den Ton angab und nicht der Pomp der Garderobe.

Übrigens sind viele dieser Auslegungen von Kleidung in großem Maße durch Filme in die Gesellschaft getragen worden. Das kleine Schwarze beispielsweise durch Audrey Hepburn, die Jeans durch James Dean, das weiße T-Shirt in hoch erotischer Weise durch Marlon Brando und so weiter und so weiter. Nancy McDonell lässt diese Szenen bildhaft vor dem Leser entstehen und beschreibt ihre Wirkung auf das Publikum, das diese Mode dann in den Alltag getragen hat, um ein wenig an der Aura des Rebellen, der Kapriziösen oder des Machos teilzuhaben.

Und ein paar Etappen der weißen Bluse, dieser Unschuldsmimose, zeigen sicher ganz gut wie die Autorin ihre Geschichten präsentiert. Wobei sie ein wenig zu häufig auf die angeblich amerikanische Aura der Kleidungsstücke verweist – ihr Demokratiepotential. Die Farbe der weißen Bluse hat etwas Aristokratisches (wer weiß trägt, geht einer Beschäftigung nach, bei der er sich nicht schmutzig machen muss). Der in der Regel einfache Schnitt und Material machen sie dagegen für alle verfügbar. Was kann – sagt die Autorin – amerikanischer sein. Na ja…

Diese Auslegung halte ich doch für etwas verwegen. Doch eine kleine Geschichte der weißen Kleidung vom Reinheitssymbol des Christentums, über die Schwesterntrachten oder die Eleganz von weißen Hemden des englischen Dandy im 19. Jahrhundert bis zu den sportlichen amerikanischen Frauen in weißen Hemdblusen mit hochgestelltem Kragen, die man um 1900 gerne als Gibson Girls bezeichnete, und von denen die Autorin schreibt, dass sie ihre Männer in der Regel im Tennis besiegt hätten. Modeentwicklungen werden immer durch den Zeitgeist gespiegelt oder auch umgekehrt.

Übrigens wurde auch die weiße Bluse durch die unglaubliche Coco Chanel in ihrer Bedeutung forciert. Sie nämlich erkannte ganz schnell, dass Symbole der Männerkleidung von Frauen anverwandelt ungeheuer elegant und sexy aussehen können. Brigitte Bardot im weißen Männerhemd, mit nackten Beinen – eine Offenbarung, der Curd Jürgens 1956 in "Und immer lockt das Weib" sofort unrettbar verfiel. Das männliche Statusutensil hüllt eine junge Verführerische ein. So also kann ein schlichtes weißes Hemd wirken. Die Dame Coco ist auf viele dieser Geheimnisse gekommen und hat dafür auch berechtigt ihren goldenen Sockel in der Modegeschichte errichtet bekommen. Und noch ein Nachsatz zur weißen Bluse: in Kombinationen wird sie zum Chamäleon. Mit Jeans getragen wirkt sie völlig anders als mit schwarzem Rock – in beiden Kombinationen kann ein und dieselbe Frau einen ganz anderen Stil repräsentieren. Übrigens im am häufigsten kopierten Film der 90er Jahre – Pulp Fiction – trug Uma Thurman eine weiße Bluse. Mehr Herausforderung verträgt eine weiße Bluse sicher nicht.

Man liest sich schnell in diesem Buch fest, weil es Sozialgeschichte erzählt, an kulturelle Highlights erinnert und immer begehrenswerte Dinge beschreibt.

Rezensiert von Astrid Kuhlmey

Nancy McDonell: Basics - zehn Dinge, die jede Frau im Kleiderschrank haben muss
Übersetzt von Sandra Dryer
Krüger 2006
240 Seiten, 10 Euro