Bestenfalls ein sortierter Zettelkasten

Der Londoner Musikjournalist Nick Johnstone hat die Künstlerin Yoko Ono für die Biografie anlässlich ihres 75. Geburtstags nicht selbst getroffen. Er recycelt alte Interviews und setzt ihre Selbstaussagen zu einer Collage zusammen. Die innere Widersprüchlichkeit der Witwe von Beatles-Musiker John Lennon kommt dabei nicht zum Ausdruck.
Es gab Zeiten, da verstand man es als Ehre, wenn ein Autor die Biografie einer Persönlichkeit veröffentlichen wollte. Heute wehrt man sich mit Unterlassungsklagen dagegen oder versucht, wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte selbst noch ein wenig vom zu erwartenden Kuchen abzubekommen. Und wie geht man als Autor damit um?

Entweder man biedert sich so lange an die Berühmtheit an, bis es mit jeglicher kritischer Distanz aus ist; oder man geht das Risiko einer Klage ein, die schließlich auch Werbung für das Buch sein kann; oder aber man macht es wie Nick Johnstone. Der, 1970 geboren und als Musikjournalist u.a. für den britischen "Melody Maker" schreibend, lässt die Stars in eigenen Worten reden.

So jedenfalls verspricht es der Einband. Im Klartext heißt das aber: Nick Johnstone recycelt andere Interviews, zieht sich mehr oder weniger aussagefähige Zitate aus diesen heraus und vermengt sie unter verschiedenen Gesichtspunkten zu einer Art Collage.

Damit spricht Yoko Ono schon nicht, sondern sie stottert über die Jahre ihrer langen Karriere hinweg - einem Faden folgend, den oftmals nur Nick Johnstone selbst kennt. Es fehlt einfach ein Gegenüber, jemand, der nachfragen und Akzente herausarbeiten kann. Entwicklungen werden nicht wirklich deutlich, weil kaum einmal Aussagen miteinander konfrontiert werden, die die innere Widersprüchlichkeit dieser Künstlerin beleuchten, obwohl es dafür genügend Material gegeben hätte.

Immerhin beschäftigte sie sich schon vor ihrem Leben an der Seite John Lennons mit Musik und war stets mehr als nur die berühmteste Witwe des Pop - eine Reduzierung, gegen die sie sich stets wehrte. Auch die anderen Seiten Yoko Onos werden kaum gezeigt; die bildende Künstlerin zum Beispiel, die als Mitbegründerin der Fluxus-Bewegung gilt, wird auf ganzen acht Seiten schnell abgehandelt - was vielleicht auch daran liegt, dass die Interviews überwiegend aus Musikmagazinen zu stammen scheinen (leider fehlen Quellenangaben völlig). Damit wäre auch zu erklären, warum die überwiegende Anzahl der Zitate aus einer scheinbar abwehrenden Haltung kommen – als Standortbestimmung durch Abgrenzung gegenüber vorgefassten Urteilen und nicht durch Festschreibung des Erreichten.

Manchmal blitzt ein wenig Humor auf, etwa dann, wenn Yoko Ono davon berichtet, wie die restlichen Beatles eines Morgens "wie eifersüchtige Schwiegermütter" an ihrem und John Lennons Bett standen. Leider gibt es für meinen Geschmack zu wenige dieser nachvollziehbaren Geschichten und mangels eines klar erkennbaren roten Fadens, den wohl die Kapitelüberschriften bilden sollen, bleibt nach dem Lesen nicht der Eindruck eines Buches, sondern bestenfalls der eines halbwegs sortierten Zettelkastens bzw. eines Spruchbeutels zurück, aus dem sich jeder zur richtigen Zeit das passende Zitat aussuchen kann. Yoko Ono hätte zu ihrem 75. Geburtstag mehr verdient.

Rezensiert von Thorsten Bednarz

Yoko Ono – Talking
Herausgegeben von Nick Johnstone

Übersetzt von Madelaine Lampe und Thorsten Wortmann
Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf
192 Seiten, etwa 50 Abbildungen
Preis 14,90 EUR