Beste Science-Fiction-Tradition

In Konkurrenz zum legendären Film von Stanley Kubrick tritt die Hörbuchfassung von "2001 - Odyssee im Weltraum" unweigerlich. Und besteht nicht schlecht: Der faszinierenden Kühle des Textes von Arthur C. Clarke entspricht die streng sachliche Lesart von Wolfram Koch - eine mustergültige Umsetzung, meint unser Kritiker.
Auszug: " Wie oft auch immer er die Erde verließ, sagte sich Dr. Haywood Floyd, es blieb stets ein aufregendes Ereignis. Er war einmal auf dem Mars gewesen und dreimal auf dem Mond und auf den verschiedenen Raumstationen öfter, als er sich entsinnen konnte. Doch wenn sich der Moment des Abflugs näherte, spürte er regelmäßig eine gewisse Spannung, eine Art Neugier und auch Nervosität, als ob er eine gewöhnliche Erdratte wäre, die ihre Raumtaufe erhielt."

Arthur C. Clarke schrieb den Roman "2001 - Odyssee im Weltraum" parallel zur Arbeit am Film. Das Buch erweist sich als überraschend dicht und spannend, während der Film auffallend wenig Ehrgeiz im Erzählerischen entwickelt und ganz auf die Kraft des Visuellen setzt.

1968, als er in die Kinos kam, stand die erste bemannte Mondlandung kurz bevor, und man war sich fast gewiss, dass es in einigen Jahrzehnten auf dem Trabanten menschliche Kolonien geben würde. Kubricks Film liefert die Satire auf diese zukunftsoptimistische Verblendung. Die Bilder vom Leben in den Raumstationen wirken heute wie eine Designstudie in Retrofuturismus, halb kultig und halb komisch.

In Konkurrenz mit solchen optischen Reizen entwickelt das von Wolfram Koch gelesene Hörbuch einen eigenwilligen Sog, und dies ungeachtet der allen Genreregeln widersprechenden Erzählökonomie. Zunächst wird der Hörer für fünfzig Minuten unter die geplagten Urmenschen versetzt und erlebt den ersten Kultursprung zum Gebrauch der Keule.

Dann hat es die Gattung plötzlich weit gebracht - zwei volle Stunden sind dem Alltag im Raumzeitalter gewidmet. Es werden die selbstverständlichen Abläufe von Menschen beschrieben, die zwischen Mond und Erde pendeln wie ein heutiger Angestellter zwischen Hannover und Berlin. Der Reiz der forciert unaufgeregten Passagen besteht darin, dass diese Selbstverständlichkeit einigermaßen bizarr wirkt:

"Die Klänge von 'Happy Birthday to You' rasten mit Lichtgeschwindigkeit über eine Distanz von über 1000 Millionen Kilometern durch das All und brachten ungewohnte Fröhlichkeit auf das Kontrolldeck der Discovery. Auf der Erde saß die Familie Pool ziemlich selbstbewusst um eine große Geburtstagstorte."

Dabei ist das "Business as usual" längst hinfällig. Denn gerade wurde in einem Mondkrater ein mysteriöser schwarzer Quader ausgebuddelt, der die Existenz einer höheren außerirdischen Intelligenz eindeutig beweist. Es handelt sich um eben jene Macht, die vor Urzeiten den entscheidenden Impuls zum menschlichen Werkzeuggebrauch gab.

Das Raumschiff "Discovery" geht auf geheime Erkundungsreise Richtung Saturn. An Bord ist HAL 9000, der als Einziger das wahre Ziel der Mission kennt und als Krönung der Computertechnik gilt, unfähig einen Fehler zu machen. Dann jedoch gerät seine synthetische Persönlichkeit außer Rand und Band.

Mit einer unzutreffenden Fehlerprognose beginnt das Unheil, später geht HAL zum Mord über und sorgt dafür, dass der Astronaut Dave Bowman allein auf der "Discovery" zurückbleibt. In ebenso albtraumhaften wie komischen Szenen muss er sich mit dem meuternden Computer herumschlagen:

"HAL! Schalte auf Handsteuerung um!"

"Ich kann aus den Schwingungen deiner Stimme entnehmen, Dave, dass du äußerst erregt bist. Nimm eine Beruhigungspille und leg dich hin!"

"HAL! Ich bin der Kommandant des Schiffes. Ich befehle dir hiermit ausdrücklich, auf Handsteuerung umzuschalten!"

"Tut mir leid, Dave. Aber laut Spezialanordnung Paragraph C-1435/4 heißt es: 'Wenn die Besatzungsmitglieder tot oder funktionsunfähig sind, hat der Bordcomputer das Kommando zu übernehmen.'"

Wolfram Koch vermittelt die Dialoge zwischen HAL und Dave mit dem richtigen Gemisch von Mechanik und kaltem Entsetzen. Erstaunt lauscht man dann dem letzten Viertel des Hörbuchs. Während das Finale des Films mit seinen rauschhaften psychedelischen Farbsequenzen und den bleichen Bildern von herrschaftlichen Räumen in futuristischem Barock hermetisch verrätselt wirkt, erwartet Dave Bowman hier am Ende seiner Fahrt die Gewöhnlichkeit eines amerikanischen Hotelzimmers mit Van-Gogh-Poster an der Wand:

"War er in dieser Region der Milchstraße, die er nicht einmal orten konnte, in eine Hollywood-Dekoration geraten? Wenn er aber den Verstand verloren hatte, waren seine Halluzinationen überraschend klar. (...) Das einzig störende Element in dieser alltäglichen Szenerie verkörperte die Raumkapsel.

Minutenlang rührte sich Bowman nicht von seinem Sitz. Er erwartete, dass die Vision verschwinden würde, aber nichts dergleichen geschah. (...) Vielleicht wurde er bloß getestet. Dann mochte nicht nur sein Schicksal, sondern das des ganzen Menschengeschlechts davon abhängen, wie er sich in den nächsten Minuten verhielt."

Daves Erlebnisse sind zwar kaum weniger befremdlich als im Film, die Zusammenhänge werden jedoch verständlicher. Auch die inneren Konflikte von HAL werden so zwingend vermittelt, dass man - auch wenn der Anteil an "action" eher gering ist – gebannt und konzentriert zuhört.

Ungewöhnlich für ein Werk der Science Fiction ist es, dass "2001" ein tief melancholisches Bild vom Leben entwickelt - ganz gleich, ob der Urmensch von der Todesangst vor dem Leoparden gepeinigt wird oder der Astronaut sich in unüberbietbarer Einsamkeit in den Weiten des Alls verliert. Der faszinierenden Kühle des Textes entspricht die streng sachliche Lesart von Wolfram Koch. Dieses Hörbuch bietet ein Meisterwerk in mustergültiger Umsetzung.

Rezensiert von Wolfgang Schneider

Arthur C. Clarke: 2001 - Odyssee im Weltraum
Aus dem Englischen von Egon Eis, gelesen von Wolfram Koch
Der Audio Verlag 2008
Fünf CDs, 352 Minuten, 24,99 Euro