Bestandsaufnahme über das Glück

Der "Spiegel"-Autor Mathias Schreiber analysiert in "Das Gold in der Seele. Die Lehren vom Glück" Bedeutungsebenen des Glücksbegriffes und zeigt Methoden, nach Glück zu streben, es zu erlangen und glücklich zu bleiben.
Seit utopische Gesellschaftsentwürfe abgewirtschaftet haben, Rationalisierung, Ressourcensicherung und Krisenmanagement den Alltag bestimmen, ist die Vorstellung vom Glück eine Leerstelle geworden, die Suche danach wieder ein Thema. Kontinuierlich veröffentlichen Verlage und Zeitschriften Glücksrezepte - Gebrauchsanweisungen für den Erwerb von Harmonie und Zufriedenheit. Das Glück, so verkünden diese Ratgeber in Sachen Lebenskunst, liege in der Hand des bedürftigen Lesers! Meditiere, downshifte, simplify your life auf dem Jakobsweg - und du wirst glücklich!

So leicht aber sei Glück eben nicht zu haben, betont Journalist und Geisteswissenschaftler Mathias Schreiber. Der langjährige Leiter des Kulturressorts des Magazins "Der Spiegel" hat nun selbst ein Buch zum Thema vorgelegt: "Das Gold in der Seele. Die Lehren vom Glück". Ein Buch gegen die Vereinfachung des Glücks, dementsprechend weniger Rat- als Stichwortgeber, eher Bestandsaufnahme als Anleitung zu praktischem Handeln.

Für Schreiber ist Glück nicht präzise definierbar. Der Autor umkreist den Begriff auf vielfältigen Bedeutungsebenen. Erläutert, wie im Laufe der Menschheitsgeschichte Glück definiert wurde. Er vermutet "anthropologische Konstanten über die Jahrhunderte und Kulturen hinweg, die es erlauben, so etwas wie einen Glücksmoment zu umreißen." Er zitiert zahlreiche Persönlichkeiten aus allen Bereichen der Geistes- und Zeitgeschichte: Platon, Plotin, Schleiermacher, Montaigne, Epikur, Kant, Adorno und Luhmann. Aber eben auch Sibylle Berg, Rolf Eden, Comedy-Star Eckhart von Hirschhausen, Benediktinerpater Anselm Grün oder 20-jährige Studenten, die im Januar dieses Jahres nach "Glücksuche und Glückserleben im Alltag" befragt wurden. Das hört sich ein bisschen nach intellektuellem Gemischtwarenladen und "Spiegel"-Titelgeschichte an. Tatsächlich hat Schreibers Buch auch davon etwas. Seine Schreibe, hin und wieder redundant und auch gerne plakativ, ist - selbst bei Ausführungen zur metaphysischen Dimension des Glücksbegriffs - eingängig und flott. Immer wieder lockert der Autor sein Thema auf, gelegentlich auch unfreiwillig. Theodor Fontane habe von 1819 bis 1998 gelebt, heißt es da, quasi rückwärts Johann Gottlieb Fichte, von 1762 bis 1614. So etwas kann man übersehen. Doch dann ist die Rede vom Naziregime, das "im April 1938 zu seinen schlimmsten Exzessen ansetzte". Die Volksabstimmung über den Anschluss Österreichs ist wohl nicht gemeint. Was dann?

Nach über 200 Seiten, unterteilt in einzeln gut lesbare Kapitel, ist der Leser informiert über jegliche Methode, nach Glück zu streben, es zu erlangen und glücklich zu bleiben. Und der Autor plädiert dafür, in eine Diskussion über Glück so altmodische Begriffe wie "Seele" und "Schicksal" einzubringen - also nicht nur den Kick anzustreben, sondern auch Ethik und Metaphysik im Auge zu behalten. "Das Gold in der Seele" ist nach Platon das moralisch Gute, ohne das kein Individuum und keine Gesellschaft glücklich werden können. Bemühen wir uns darum, ist Schreibers Rat. Und genießen wir das Leben im Wissen um die Vergänglichkeit.

Besprochen von Carsten Hueck

Mathias Schreiber: Das Gold in der Seele. Die Lehren vom Glück
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2009
255 Seiten, 19,95 Euro