Besser als sein Ruf
Ob das Berlinische nun ein Dialekt oder nur ein Jargon ist, ob es tatsächlich die Sprache der Unterschicht war und ist und welche subversive Kraft zu DDR-Zeiten im Berlinern lag, darüber klärt der natürlich an der Spree geborene Jan Eik in seinem schmalen Bändchen "Der Berliner Jargon" unterhaltsam auf.
Kaum zu glauben: Das Berlinische kommt aus dem Obersächsischen, jedenfalls, wenn man seine Lautgestalt betrachtet und bis ins 16. Jahrhundert zurückgeht. Die Berliner sind also, zumindest sprachgeschichtlich, ausgerechnet mit denen verwandt, über die sie sich nur allzu gern lustig machen.
Und, auch das sollte man wissen, wenn man in der Stadt unterwegs ist und mal wieder einem schlechtgelaunten Penner begegnet, das Berlinische war mitnichten eine Sprache der Unterschicht. Im Gegenteil. Es wurde durchaus vom höheren Bürgerstand getragen und gesprochen und hat erst allmählich die unteren Schichten erobert.
Es gab einige Prominente, die berlinern konnten "wie Sau": Johann Gottfried Schadow, von dem die Quadriga auf dem Brandenburger Tor stammt, oder der später gleich nebenan wohnende Maler Max Liebermann. Und von dem ist ein Satz überliefert, der die politische Dimension des Berlinischen klarmacht. Als die SA-Horden 1933 mit Fackeln durchs Brandenburger Tor zogen, kommentierte er das mit den Worten: "Ick kann janich soviel essen, wie ick kotzen möchte!" Und spätestens damit ist klar: Berlinern ist mehr als ein Jargon, wer berlinert, sieht die Welt auf seine Weise, der trägt das Herz auf der Zunge.
Deshalb ist es auch sinnlos, einzelne Wörter herauszugreifen und mit dem Etikett "typisch" zu versehen, wie Daffke (Spaß), Strippe (Seil), Traute (Mut), peesen (rennen), Schrippe (Brötchen) oder Bammel (Angst), es geht in Berlin immer ums "Jroße, Janze". Man muss Geschichten erzählen, um zu verstehen, was berlinern bedeutet. Wie die von der Frau, der das Auto auf einer belebten Kreuzung absäuft. Ein Stau entsteht und in dem Auto hinter ihr fängt einer an, wie wild zu hupen. Daraufhin steigt sie aus, klopft an dessen Scheibe und sagt: "Wie wäard? Könnse valleicht ma mein Auto anschieben? Ick hup solange weita!"
Übrigens braucht man in Berlin fast keine Grammatikkenntnisse. Zwei grobe Regeln reichen. Regel Nummer eins: "Der Berliner sacht imma mir, och, wenn't richtig ist!". Und, um nicht "in de Bredouille" (Schwierigkeiten) zu kommen, sagt er "ma". Wütend: "Du kannst ma ma!".
Regel Nummer zwei: Vergessen Sie die angelernten Zeitformen. Fügen Sie ein Wörtchen ein. "War jut jewesen!", sagt man hier.
Dass Berliner auf einige Buchstaben gleich ganz verzichten, hat nicht etwa mit der Herkunft der halben Stadt aus der Mangelgesellschaft DDR zu tun, man braucht sie einfach nicht. Ein "R", dass Bayern und Franken so wunderbar rollen, kommt in Berlin gar nicht vor, und wenn, dann als getarntes "L" . Auch der Buchstabe "G" steht auf dem Index, er wird also "injoriert" (in der typischen Berliner Steigerungsform: "jarnich injoriert").
Das "echte" Berlinisch, auch das lernen wir aus diesem Büchlein, wurde übrigens im Osten gesprochen, wo berlinern lange Zeit als subversive Sprache benutzt wurde, gegen die meist aus Sachsen importierten Funktionäre. In Westberlin galt (und gilt) berlinern als unfein, so, "als würde man sich mit dem Hummerbesteck seine Frisur richten", wie Jutta Voigt in ihrem Vorwort schreibt. Auch zwanzig Jahre nach '89 steht da noch ein Mäuerchen.
Wenn Sie sich also "wie Bolle" amüsieren wollen, dann sei Ihnen das Büchlein wärmstens empfohlen. Nur eins sollten Sie nie tun: Berlinern Sie nicht, wenn sie es nicht richtig können, jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. "Aba ühm könnses ja schon ma!"
Rezensiert von Liane von Billerbeck
Jan Eik: Der Berliner Jargon
Mit einem Vorwort von Jutta Voigt
Jaron Verlag/ Berlin 2008
72 Seiten. 4,95 EUR
Und, auch das sollte man wissen, wenn man in der Stadt unterwegs ist und mal wieder einem schlechtgelaunten Penner begegnet, das Berlinische war mitnichten eine Sprache der Unterschicht. Im Gegenteil. Es wurde durchaus vom höheren Bürgerstand getragen und gesprochen und hat erst allmählich die unteren Schichten erobert.
Es gab einige Prominente, die berlinern konnten "wie Sau": Johann Gottfried Schadow, von dem die Quadriga auf dem Brandenburger Tor stammt, oder der später gleich nebenan wohnende Maler Max Liebermann. Und von dem ist ein Satz überliefert, der die politische Dimension des Berlinischen klarmacht. Als die SA-Horden 1933 mit Fackeln durchs Brandenburger Tor zogen, kommentierte er das mit den Worten: "Ick kann janich soviel essen, wie ick kotzen möchte!" Und spätestens damit ist klar: Berlinern ist mehr als ein Jargon, wer berlinert, sieht die Welt auf seine Weise, der trägt das Herz auf der Zunge.
Deshalb ist es auch sinnlos, einzelne Wörter herauszugreifen und mit dem Etikett "typisch" zu versehen, wie Daffke (Spaß), Strippe (Seil), Traute (Mut), peesen (rennen), Schrippe (Brötchen) oder Bammel (Angst), es geht in Berlin immer ums "Jroße, Janze". Man muss Geschichten erzählen, um zu verstehen, was berlinern bedeutet. Wie die von der Frau, der das Auto auf einer belebten Kreuzung absäuft. Ein Stau entsteht und in dem Auto hinter ihr fängt einer an, wie wild zu hupen. Daraufhin steigt sie aus, klopft an dessen Scheibe und sagt: "Wie wäard? Könnse valleicht ma mein Auto anschieben? Ick hup solange weita!"
Übrigens braucht man in Berlin fast keine Grammatikkenntnisse. Zwei grobe Regeln reichen. Regel Nummer eins: "Der Berliner sacht imma mir, och, wenn't richtig ist!". Und, um nicht "in de Bredouille" (Schwierigkeiten) zu kommen, sagt er "ma". Wütend: "Du kannst ma ma!".
Regel Nummer zwei: Vergessen Sie die angelernten Zeitformen. Fügen Sie ein Wörtchen ein. "War jut jewesen!", sagt man hier.
Dass Berliner auf einige Buchstaben gleich ganz verzichten, hat nicht etwa mit der Herkunft der halben Stadt aus der Mangelgesellschaft DDR zu tun, man braucht sie einfach nicht. Ein "R", dass Bayern und Franken so wunderbar rollen, kommt in Berlin gar nicht vor, und wenn, dann als getarntes "L" . Auch der Buchstabe "G" steht auf dem Index, er wird also "injoriert" (in der typischen Berliner Steigerungsform: "jarnich injoriert").
Das "echte" Berlinisch, auch das lernen wir aus diesem Büchlein, wurde übrigens im Osten gesprochen, wo berlinern lange Zeit als subversive Sprache benutzt wurde, gegen die meist aus Sachsen importierten Funktionäre. In Westberlin galt (und gilt) berlinern als unfein, so, "als würde man sich mit dem Hummerbesteck seine Frisur richten", wie Jutta Voigt in ihrem Vorwort schreibt. Auch zwanzig Jahre nach '89 steht da noch ein Mäuerchen.
Wenn Sie sich also "wie Bolle" amüsieren wollen, dann sei Ihnen das Büchlein wärmstens empfohlen. Nur eins sollten Sie nie tun: Berlinern Sie nicht, wenn sie es nicht richtig können, jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. "Aba ühm könnses ja schon ma!"
Rezensiert von Liane von Billerbeck
Jan Eik: Der Berliner Jargon
Mit einem Vorwort von Jutta Voigt
Jaron Verlag/ Berlin 2008
72 Seiten. 4,95 EUR