100 Jahre politischer Mord

Die Besetzung des Rheinlands und die "schwarze Schmach"

04:51 Minuten
Historische Fotografie von berittenen und bewaffneten französischen Soldaten in Wiesbaden, 1918.
Bei der Besetzung des Rheinlands setzte die französische Armee auch Truppen aus den Kolonien ein. © picture alliance / United Archives
Von Elke Kimmel |
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"Afrikanische Wilde hausen in den meistbesungenen Gefilden Deutschlands": Der Einsatz von Kolonialtruppen bei der Besetzung des Rheinlands sorgte für schrille Kommentare in den Zeitungen. Viele Deutsche gingen der rassistischen Propaganda auf den Leim.
„Heimtransport der Amerikaner am Rhein“:- unter diesem Titel berichtet die „Langenberger Zeitung“ am 23. November 1921 über den Beginn des Abzugs amerikanischer Besatzungstruppen aus dem Rheinland. Deutschland ist nach dem Ersten Weltkrieg zwar nicht komplett besetzt wie nach dem Zweiten Weltkrieg, wohl aber das Rheinland. Das ist im Versailler Vertrag festgelegt worden.

Betroffen sind die linksrheinischen Gebiete und die „Brückenköpfe“ Koblenz, Mainz, Köln und Kehl. Die Besetzung ist ein Faustpfand für die Tilgung der dem Deutschen Reich auferlegten Reparationsleistungen. Spätestens nach 15 Jahren, wenn die Reparationen abgezahlt sind, soll die Rheinlandbesetzung vertragsgemäß enden.

Kolonialtruppen als Stein des Anstoßes

Der Unmut in der deutschen Bevölkerung ist groß. Und es kommt noch etwas hinzu: Frankreich setzt als Besatzungstruppen auch Kolonialtruppen ein. Das empfinden viele Deutsche bis weit ins republikanische Lager hinein als Schmach. Der zentrumsnahe „Badische Beobachter“ beruft sich im September 1921 auf die englische „Daily Mail“ als Zeugin für die Zumutung, die das bedeute:

„Daily Mail schreibt in einem Leitartikel über die schwarze Schmach: Man sei erstaunt, daß ein so edelmütiges Volk wie das französische so etwas geduldet habe, was in Wirklichkeit nichts anderes sei als ein häßlicher Fleck auf seiner eigenen Ehre.“

Ängste vor "schwarzer" Sexualität geschürt

In einer Zeit, in der schwarze Menschen als „Attraktionen“ in Tierparks gezeigt werden, empfindet es die Bevölkerung als zusätzliche Demütigung, wenn diese Obrigkeitsfunktionen gegenüber Deutschen ausüben sollen. Ängste vor der Sexualität von schwarzen Männern werden geschürt. Die „Hamburger Nachrichten“ kommentieren am 23. November 1921 die französische Besatzung so:

„Weshalb behält dies selbe Frankreich ohne Haß im Herzen eine beträchtliche Anzahl deutscher Landeskinder in seiner schmutzigen Gewalt, weshalb schikaniert es die Bevölkerung der deutschen Rheinlande bis ins Perverse, verlangt es vom Deutschen Reich für seine Truppen die offizielle Unterhaltung von Lasterstätten, denen Weiber deutscher Rasse als Objekt dienen müssen, schindet es die Deutschen in den Rheinlanden bis aufs Blut? […]

100 Jahre politischer Mord in Deutschland
Eine Sendereihe über mörderische Demokratiefeindschaft und ihre Hintergründe
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Eine Kooperation von Deutschlandfunk Kultur mit dem Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (Potsdam)

Hitler im offenen Wagen mit den Freikorpsoffizieren Ulrich Graf, Major Buch und Christian Weber. - Foto, 1923.
© picture alliance/dpa/akg-image
Und während derselben Zeit, da dieser Briand als verantwortlicher Mann seines Landes redet, hausen im Rheinland, in Deutschlands teuerstem Gebiet, französische Neger, Halbneger, Gelbe, hausen in den meistbesungenen Gefilden Deutschlands afrikanische Wilde, üben die scheußlichsten Gewalttaten und werden, wenn überhaupt das unterdrückte und gequälte Deutschtum sich zu wehren wagt, von hämisch hohnlachenden französischen Offizieren gedeckt und im ernstesten Fall mit Scheinstrafen belegt, vor denen das deutsche Rechtsgefühl sich in qualvollen Zuckungen aufbäumt.“

Die rassistische Propaganda wirkt

Belege für die unterstellten Ausschreitungen und Übergriffe gibt es nicht, aber die deutsche Regierung tritt der Propaganda über die sogenannte „schwarze Schmach“, den Gerüchten und Legenden selten entgegen. Nur vereinzelt kommen Menschen wie der Geheime Sanitätsrat Dr. Reuter zu Wort, der an das liberale „Berliner Tageblatt“ schreibt, dass sich zwar viele Deutsche vor „Schikanen und Belästigungen […] namentlich durch die farbigen Truppen“ fürchten würden, aber:

„Diese Furcht ist nach unserer persönlichen Erfahrung ganz unbegründet. Niemand werden aus einem Aufenthalt im besetzten Gebiet irgend welche Unannehmlichkeiten erwachsen, und aus keinem einzigen Bade ist mir auch nur ein einziger Fall bekannt geworden.“

Doch die rassistische Propaganda ist wirkungsmächtiger, sie verstärkt den Argwohn gegen die Republik.
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