Bertolt Meyer über die Diskriminierung von Frauen

Wie aus Stereotypen Vorurteile werden

09:22 Minuten
Frauen und Kinder demonstrieren in München für eine bessere Bezahlung von Frauen. Sie halten ein Schild mit der Aufschrift "My Mama deserves equal pay" hoch.
Psychologe Bertolt Meyer beschäftigt sich unter anderem mit Stereotypen. © picture alliance / ZUMA Wire /Sachelle Babbar
Moderartion: Anke Schaefer · 06.03.2020
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Eine aktuelle Uno-Studie bestätigt: Noch immer werden Frauen diskriminiert, noch immer ist der Blick auf sie von Vorurteilen bestimmt und wird ihnen echte Gleichberechtigung verwehrt. Da hilft nur eine Quote, sagt der Psychologe Bertolt Meyer.
Am 8. März ist Weltfrauentag. Wie jedes Jahr soll der Tag auf die Rechte der Frauen aufmerksam machen – vor allem aber darauf, dass in fast allen Bereichen des Lebens immer noch Unterschiede gemacht werden: zum Beispiel bei der Bezahlung oder wenn es darum geht, Frauen in hohe Ämter zu wählen oder als Führungskraft einzustellen.
Dass Frauen anders wahrgenommen und diskriminiert werden, hat mit Vorurteilen zu tun. Eine aktuelle Studie der Vereinten Nation zeigt, dass diese Vorurteile weltweit stark verbreitet sind: Neun von zehn Menschen finden, dass Männer und Frauen unterschiedlich behandelt werden sollten. Auch viele Frauen sind dieser Meinung.

Wenn aus Stereotypen negative Vorurteile werden

Unser Studiogast, der Psychologe Bertolt Meyer, warnt jedoch davor, Vorurteile mit Stereotypen zu verwechseln – wonach in der Studie offenbar auch gefragt wurde. Stereotype seien Bilder im Kopf wie etwa "Rentner hören schlecht, Italiener können gut kochen oder Deutsche sind immer pünktlich" und nicht automatisch etwas Negatives.
"Ein Vorurteil dagegen ist ein negativ gefärbtes Stereotyp, dass ich verinnerlicht habe, an das ich glaube und vor allem: das mein Verhalten leitet."
Häufig merke man das selbst überhaupt nicht, etwa wenn es darum gehe, eine Führungsposition zu besetzen und am Ende doch der Mann das Rennen mache, weil man ihm unbewusst die Führungskompetenz zuordne, der Bewerberin aber nicht.

Nur Quoten helfen gegen zementierte Vorurteile

Im Grunde, sagt Meyer, helfen nur für alle verbindliche Normen. Sprich: Quoten als Mittel der Wahl, um die eigenen Vorurteile nicht zum Zuge kommen zu lassen. Denn unter Druck schalte das Gehirn auf Autopilot – Menschen dächten dann nicht mehr nach oder hinterfragten ihr Verhalten in der konkreten Situation.
"Im Grunde", so der Psychologe weiter, "müssten wir uns einen inneren Tritt vors Schienbein antrainieren und checken: Stimmt das eigentlich, habe ich wirklich konkrete Informationen, dass er besser ist als sie?"
Meyer sieht einen Zusammenhang zwischen der Stagnation bei Bildung und Karriere und dem Erstarken des Rechtspopulismus in den zurückliegenden zehn Jahren. Denn Rechtspopulisten negierten die Gleichberechtigung: "Sexismus gehört zu ihrem Markenkern". Wer seine Stimme einer rechten Partei gebe, müsse sich dies vergegenwärtigen.
(mkn)

Der Psychologe Bertolt Meyer ist seit 2014 Professor für Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Technischen Universität Chemnitz. In Medien wird er wegen seiner Hightech-Armprotheseals auch als "der Forscher mit der surrenden Hand" beschrieben. Seine Forschungsschwerpunkte: Diversität in der Arbeitswelt, Stereotype, Aspekte der Führung und psychische Gesundheit.

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