Berlins erste Tattoo-Schule

Mit 4000 Euro zum Tattoo-Zertifikat

Ein Tätowierer sticht eine Tätowierung. Dabei trägt er Gummihandschuhe.
Traditionelle Muster aus Neuseeland als Gesichtstätowierung © Unsplash / Julia Giacomini
Von Utz Dräger · 30.06.2018
Früher standen Tätowierte eher im Abseits - heute sind Tätowierungen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. In Berlin wurde gerade die erste "Schule für Tattoo und Piercing" eröffnet.
"Ihr wisst es ja alle schon, heute machen wir eine kleine Bewertung!"
So klingt das "Hefte raus, Klassenarbeit" in der Tätowierschule ESTP, der "Europäischen Schule für Tattoo und Piercing". Es ist Berlins erste und einzige Tattoo-Schule. Geleitet von einem Brasilianer.

Solides Basiswissen in acht Monaten

Ricardo Valle ist Geschäftsführer und Schulleiter an der ESTP und eben auch Dozent. Der 35–jährige, natürlich selbst tätowiert und gepierced, unterrichtet hier unter anderem Marketing, aber auch Tätowieren. Als Lehrer arbeitet er seit fünf Jahren. Und sein Klassenraum? Sieht erstmal aus wie ein Unterrichtsraum: Tische, Stühle, eine Tafel – aber eben auch – Tätowiermaschinen.
Ein kleiner Kopf mit Nadeln und eine angeschlossene Maschine, auf jedem Tisch eine. Zehn Frauen und zwei Männer sind im aktuellen Jahrgang. Im Schnitt sind sie Mitte zwanzig. Erst seit drei Wochen lernen die angehenden Tätowiererinnen und Tätowierer an der ESTP – ihr Lehrplan ist prall gefüllt.
"Marketing, Management, Hygiene, Maschinenkunst, Pigmentologie, Hautanatomie, natürlich viel Tattoo-Praxis, Recht, also auch Unterricht zum Gesetz, damit die Leute auch lernen, wie sie sich schützen können, zum Beispiel gegen eine Klage, wenn ein Kunde unzufrieden ist", sagt Ricardo.
Acht Monate haben sie dafür Zeit. Dann sollten die Schüler ein solides Basiswissen besitzen, auf dem sie aufbauen können. Das Niveau der Lernenden ist am Anfang noch ganz unterschiedlich. Schülerin Serafine sitzt vor einem fast vollständigen Bild von zwei sich umarmenden Fischen, das sie auf eine künstliche Haut tätowiert hat.
Dabei ist das nicht unbedingt einfach. Allein die Wahl der richtigen Maschine für das entsprechende Tattoo, die Auswahl der Spannung des Gerätes, die Anzahl der Nadeln, die Stichtiefe, die Farben und deren Zusammensetzung – all das muss man wissen. Dabei gibt es fürs Tätowieren kein Regelbuch. Das heißt auch keine offizielle Berufs- oder Ausbildungsanordnung. Über Jahrzehnte haben sich Schüler selbst einfach eine Art Meister gesucht und in dessen Studio gelernt.

Jeder fünfte Deutsche ist tätowiert

Laut einer Studie der Uni Leipzig ist jeder fünfte Deutsche ist tätowiert, Tendenz steigend. In Spanien und Italien lässt sich Tätowieren bereits als Master studieren. In der Europäischen Union gibt es Überlegungen Richtlinien und Standards zu setzen, die auch Berufsverbände fordern. Gerade was Hygiene angeht. Bakterien, Pilze, Hepathitis B oder C - Krebserregende Farbstoffe. Beim Tätowieren muss nicht, aber kann auch einiges schiefgehen.
"Die Leute kommen genau deswegen zu uns. Kann man zum Studio gehen? Ja! Aber das ist wirklich russisches Roulette. Wenn man jetzt zu einem guten Studio geht, einem guten Tätowierer: Ok, da wird man viel lernen. Aber ansonsten lernt man wirklich nicht so viel und ist danach unzufrieden."

Europäische Standards fürs Tätowieren

Rund 4000 Euro kostet die Ausbildung mit Zertifikat an der ESTP. Natürlich kann man der Schule vorwerfen, einfach ein Geschäftsmodell zu verfolgen, denn Tattoos sind gefragt und so auch die Künstler*innen, die diese stechen.
Andererseits arbeitet die Berliner Schule mit ihrem Mutterunternehmen und spanischen Pendant in Barcelona an europäischen Standards fürs Tätowieren. Damit steht sie in Deutschland zwar nicht allein – aber erfüllt immerhin eine wichtige Aufgabe.
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