Berliner Wald als Wohlfühlraum

Zwischen Bäumen meditieren

05:45 Minuten
Die Illustration einer Waldlandschaft im Kopf einer Frau.
Die Sehnsucht nach dem Wald ist bei vielen Menschen groß. Dass er gut tut, ist sogar wissenschaftlich erforscht. © imago images / Jessica Durrant
Von Alexa Hennings · 21.11.2019
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Wald – das bedeutet nicht nur Borkenkäfer, Trockenheit, Baumsterben, sondern auch eine Wohltat für Menschen und für Städte. Immer mehr Forstverwaltungen bieten deshalb Meditationsseminare und Achtsamkeitsworkshops im Grünen an - wie etwa in Berlin.
Ein Kongress zum Thema Wald und Gesundheit? Der muss natürlich im Wald beginnen.
"So, und dann bitte ich euch, wer möchte, die Augen zu schließen. Ihr seid fest mit dem Boden verwurzelt wie ein alter Baum."
Nur ein Viertel der 350 Kongressteilnehmer konnte einen Platz in einem der Outdoor-Kurse ergattern. Die Themen sind wie aus dem Katalog für Freunde der Achtsamkeit: Waldbaden mit Teezeremonie, ganzheitliche Waldtherapie, grüne Meditation, forstliches Gesundheitswandern. Zu letzterem hat die Berliner Försterin Michaela Tiedt-Quandt eingeladen.
"Als dieses Thema Wald und Gesundheit so sehr in den Fokus der Gesellschaft rückte, dachte ich, das kann man doch wirklich auch nutzen, um Wald und Waldwirtschaft zu erklären."

Wohlfühlraum zum Nulltarif

Und so ist das "forstliche Gesundheitswandern" entstanden. Eine Mischung aus Wandern, Achtsamkeitsübungen und Informationen zur Waldwirtschaft. In einer ehemaligen Berliner Försterei soll ein Wald- und Gesundheitszentrum eingerichtet werden. Sogenannte Gesundheitspfade laden die Waldbesucher zu Entspannungsübungen ein. Wald in der Metropole hat für Elmar Lakenberg, Leiter der Berliner Forsten, eine zunehmend soziale und gesundheitliche Funktion.
"Wir sind in Berlin eine wachsende Stadt. Das bedeutet zunehmenden Stress für diejenigen, die hier leben. Und wir haben uns überlegt, dass man den Wald noch einmal neu ins Bewusstsein bringen sollte. Früher war es selbstverständlich, dass man zum Erholen in den Wald geht, aber heutzutage muss man sich vielleicht noch mal neu bewusst machen, was der Wald einem bieten kann und wie er einem helfen kann, vom Stress wegzukommen."
Gesundheit für jeden zum Nulltarif - so könnte man die Forschungsergebnisse zusammenfassen, die Mediziner, Sozial- und Umweltwissenschaftler auf dem Berliner Stadt-Wald-Kongress vorstellten. Waldaufenthalte wirken - unter vielem anderen - positiv auf Herz und Kreislauf, sind stimmungsaufhellend, stresslindernd und vorbeugend gegen Krebserkrankungen.
Michael Suda, Professor für Wald-und Umweltpolitik an der Technischen Universität München, sagt: "Wald und Gesundheit ist aus meiner Sicht ein Trend, wo mit sehr naturwissenschaftlichen Ergebnissen aus der Medizin es letztendlich möglich ist, die Gefühle, die die Menschen im Wald haben, ihre Erfahrungen und ihre Sinne wieder zum Ausdruck zu bringen, ohne sich lächerlich zu machen. Lange Zeit war es im Hinterzimmer der Esoterik gelagert. Und durch diese naturwissenschaftliche Legitimation darf man wieder anders sprechen. Und diese Gesellschaft ist offensichtlich bereit, diese Gefühle zu hören, wo die Menschen in der Natur den Sinn wiederfinden. Das ist eine Sehnsucht, die in dieser Gesellschaft drin ist."

Mini-Waldflächen als Naturerfahrungsräume

Aber wohin mit dieser Sehnsucht bei der Verdichtung der Stadt, wie sie Berlin und andere Metropolen erleben? Auch wenn die Berliner Forsten mit ihrem "Mischwaldprogramm" in jedem Jahr 300.000 neue Bäume pflanzen, um den Wald zu erneuern und zugleich widerstandsfähiger gegen die Folgen des Klimawandels zu machen, gehen durch Bebauung immer wieder Grün- und auch Waldflächen verloren, bedauert Elmar Lakenberg.
"Deswegen versuchen wir, zu erreichen, dass das vor Ort mitgedacht wird: Auch kleine Wälder oder Grünflachen in Wohnungsnähe entlasten von Verkehrsbewegungen und bedeuten, dass die Leute runterkommen können und entspannen."
In Berlin wurden drei sogenannte Naturerfahrungsräume eingerichtet - zwei davon in großen Plattenbaugebieten. Im Grunde sind es Mini-Waldflächen, wo auf Sicherheit geachtet, jedoch nicht pädagogisch betreut wird. Im Gegensatz zum Wald darf man hier auch mal Äste absägen, um sich Buden zu bauen.
Leonie Rhode hat das Konzept mitentwickelt und sagt: "Die Idee ist, dass dort Kinder Naturerfahrungen machen können - und zwar wohnungsnah. Dass sie nicht erst irgendwo in den Wald fahren, sondern dass sie es in ihrer Wohnumgebung machen können, im Alltag. Das sind Orte, wo es keine Spielgeräte gibt, die aber relativ naturnah sind und wo sie selber auf Erkundung gehen können."

Großer Ansturm auf Waldschulen

Zur neuen Sehnsucht nach dem Wald passt auch der Ansturm auf die immerhin neun Waldschulen der Berliner Forsten. Jedes Jahr kommen 65.000 Kinder, die Kapazität ist längst an der Grenze. Doch in den Wald gehen, ob mit oder ohne Kind, mit oder ohne Hund, kann eigentlich jeder. Man muss es nur einfach einmal wieder tun.
"Einfach in den Wald stellen und den Mund halten. Nicht gehen. Horchen, schauen, lauschen - toll."

Anmerkung der Redaktion: Die Autorin dieses Beitrags bietet selbst Kurse zum Thema "Waldbaden" an.

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