Berliner Volksbühne

Love, Peace and Understanding?

Von Scheinwerfern erleuchtet ist die Fassade des Theaters Die Volksbühne in Berlin
Die Volkbühne in Berlin © Picture Alliance / dpa / Manfred Krause
Von André Mumot · 10.09.2014
Pflichttermin für die Fangemeinde von René Pollesch: In der Volksbühne in Berlin bot er bei der Premiere von "House for sale" eine an Tschechoes "Drei Schwestern" angelehnte Handlung und bizarr-witzige Dialoge.
Vielleicht hilft gegen die Gewalt ja auch nur Gewalt. Baseballschläger gegen Nazis und dann ordentlich eins draufgeben. Das schlägt jedenfalls Sophie Rois an diesem Volksbühnenabend mal probeweise vor. Was haben sie denn gebracht, die ganzen Konzerte gegen Rechts? Oder die vielen Theaterabende, an denen Schauspieler auf der Bühne mit jammervollem Gesicht verkünden, dass Gewalt auch keine Lösung sei?
Ja, sie ist in echauffierter Hochform und bewegt sich wie ein Fisch im Wasser der René-Pollesch-Diskurse, bei denen sie schon so oft glänzen durfte - wie ein ständig empörter, cholerischer, dann wieder von Erschöpfung zerschlagender, singender, wild um sich schießender Theaterfisch, der Angst hat, womöglich plötzlich auf dem Trockenen zu sitzen.
Russische Stimmung
Es geht um vieles in diesem "House for sale", das eigentlich nur eine kleine mobile Laube ist, ein fahrbares Gartenhäuschen, in dem die Souffleuse Tina Pfurr sitzt und das sie steuert wie eine strenge Busfahrerin – auf die vier Darstellerinnen zu oder von ihnen weg und quer über die von Bert Neumann mit Herbstlaub bestreute Bühne. Russisch ist die Stimmung, denn die Grundkonstellation (und viele Dialoge) sind Tschechows "Drei Schwestern" entnommen.
Sophie Rois, Christine Groß und Mira Partecke sind Olga, Mascha, Irina, vom profanen Alltagsleben erschlagen, sich in die Ferne träumend, einem besseren, sinnvolleren Leben entgegen – nur um im nächsten Moment mit Dienstmagd Bärbel Bolle in bizarre "Starsky and Hutch"-Dialoge zu verfallen, die das große Gedankengebäude, wie immer beim Zitaten-Patchworker Pollesch, mit irritierend komischem Popkultur-Mobiliar bestücken.
Was könnte ein subversives Christentum sein?
Ums Religiöse geht es diesmal schwerpunktmäßig, darum, was ein subversives Christentum sein könnte, eines das ernst macht mit der Nächstenliebe und dem Die-andere-Wange-Hinhalten. Oder, andere Frage: Wie wäre es denn, wenn der Buddhismus nicht nur Selbsttherapie wäre für Hollywood-Schauspieler, die sich mit esoterischen Weisheiten fit machen, um im Neoliberalismus ihres Jobs besser mithalten zu können? All das wuselt gewohnt komplex und flirrend durcheinander, ist witzig und herausfordernd, gedankenfrisch und dann wieder völlig zerfahren.
Gerade am Premierenanfang kommt das Pollesch-Kabarett nur mühselig in Gang, da knatscht und knarrt es noch an allen Ecken und Enden, und während Sophie Rois stimmlich funkelt und blitzt, bleiben ihre Kolleginnen unpräzise, unkonzentriert und bringen den Diskurs-Motor immer wieder zum Stottern.
Witzig, wahr, hilflos und schön
Mit der Hochleistungsschau seines grandios atemlosen "Gasoline Bill", mit dem Pollesch in der letzten Spielzeit aus den Münchener Kammerspielen heraus für Furore gesorgt hat, können diese anderthalb Stunden Herbstlaub-Grübelei kaum mithalten, sind aber schon deshalb nicht zu verachten, weil die drei Schwestern am Ende doch noch ein eigenes Gegen-Rechts-Konzert aufführen, zur Gitarre greifen und ganz zart und hoffnungsvoll "What's so funny about love, peace and understanding" anstimmen.
Und das ist dann gleichzeitig witzig und wahr und hilflos und schön – ein verhaltenes Nicht-Weiter-Wissen, das fließend übergeht in den donnernden, jubelnden Applaus der treuen Pollesch-Fangemeinde.