Berliner Theater "Größenwahn"

"Judentum zum Anfassen"

Die Schauspielerinnen Janina Klinger (blonde Haare), Eva Maria Kölling (rote Haare), Alexandra Julius Frölich (schwarze Haare), Pianist Florian Fries bei den Proben zu dem Stück "Café Größenwahn" im Jüdischen Theater Bimah in Berlin.
Dan Lahav hat das jüdische Theater der vergangenen Jahre in Berlin geprägt und führte bei vielen Stücken Regie, zum Beispiel bei "Café Größenwahn". © picture alliance / dpa / XAMAX
04.12.2015
Das deutsch-jüdische Theater "Größenwahn" von Bühnenchef Dan Lahav wechselte in 15 Jahren immer wieder den Spielort in Berlin. Angekommen an der fünften Station, ist der Theatermacher froh, dass er das endgültige finanzielle Aus abwenden konnte.
Berlin, Sonntagabend, Theater "Größenwahn": Ein Glöckchen markiert den baldigen Beginn der Vorstellung von "Hollaender and Friends", zu der sich ein gutes Dutzend Gäste im Deutsch-Jüdischen Theater unweit des Kurfürstendamms eingefunden hat. Über zwei Stunden begibt sich das Stück auf die Spuren des berühmten Komponisten und Texters und lässt so das Berlin der 20er-Jahre wiederauferstehen.
Mit dem "Größenwahn" wagt Bühnenchef Dan Lahav einen Neuanfang: Seit 15 Jahren betreibt er sein deutsch-jüdisches Theater unter wechselnden Namen und an unterschiedlichen Spielstätten in Berlin. Das Haus in der Meinekestraße in Charlottenburg ist die fünfte Adresse. Gründe für die häufigen Umzüge hat Lahav gleich drei ausgemacht:
"Ja der Grund Nummer Eins - jetzt kommt hier der jüdische Humor- also erst mal Grund Nummer Eins: Wir sind ein Wandervolk. Und so ist das einfach in meinen Genen drin, einfach zu wandern. Zweitens wollte ich, dass fast alle Bezirke in Berlin etwas von Dan Lahav haben. Und der dritte Grund - nicht ganz unwichtig - immer von die Finanzen."
"Ich bin irgendwo nach Hause gekommen"
Tatsächlich hat das kleine Theater regelmäßig mit Geldproblemen zu kämpfen - im April 2014 drohte gar das endgültige Aus. Doch Lahav gelang die Wiedereröffnung, mit der sich für den gebürtigen Israeli fast schon ein Kreis schließt:
"Wir sind mit dem Jüdischen Theater hier angefangen in Charlottenburg und ich bin irgendwo nach Hause gekommen."
Doch warum war es für das deutsch-jüdische Theater so schwer, sich ein Stammpublikum zu erspielen? Dan Lahav glaubt, dass das auch mit den Inhalten seiner Bühne zu tun hat:
"Und dann sind die Themen nicht immer bequem. Wir hatten früher sehr viele Theaterstücke, die mit dem Holocaust zu tun hatten. Viele wollten sich amüsieren kommen im Theater und nicht heulen kommen ins Theater. Auch heutzutage: Wir haben jetzt eine Premiere hinter uns: Hollaender und Friends. In dem Moment, wo es zu den ernsthaften Sachen kommt, wo Hollaender von Deutschland fliehen musste, ja, da guckt man schon langsam auf die Uhr und denkt: Wann kommt endlich das nächste Lied? Die nächste Show?"
Tatsächlich ist das Stück, das an diesem Abend gezeigt wird, eine eigentümliche Mischung: eine bunte Nummernrevue, in die sich jedoch auch immer wieder ernste Töne mischen, wenn es um den wachsenden Antisemitismus der 30er Jahre geht, um Hollaenders Flucht aus Deutschland und seinen Neuanfang in den USA.
Gegen Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Rassismus
Eben diese Mischung aus Witz und Ernst, aus Unterhaltung und Erinnerung scheint auch den Theatermacher selbst zu kennzeichnen. Im Gespräch wechselt er von brachialer Selbstironie zu begründeter Gesellschaftskritik und das innerhalb von Augenblicken. Dabei würde es sein manchmal exaltiertes Auftreten leicht machen, Lahav als Volkskomödianten im besten Sinne abzutun. Doch der 69-Jährige kann auch anders: Regelmäßig lädt er ins Theater ein, um unter dem Motto "Shabat Shalom" einen Freitagabend in einer jüdischen Familie anzubieten:
"Die Idee von dem ganzen Abend ist: Judentum zum Anfassen, nicht als Beitrag und man steht und man erklärt und man erklärt und alle schlafen ein und warum und weshalb - muss man viel Humor sein: Wenn Moishe sagt zu Josef: Weißt du Josef, meine Frau ist ein Engel, sagt Josef: Du hast Glück, meine lebt noch. So, und so läuft auch der Abend."
Ein weiteres Projekt des umtriebigen Bühnenmenschen: "Shalom, Salam – wohin?" Das multireligiöse Jugendtheaterstück soll ein Zeichen gegen Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Rassismus setzen und ist für Lahav eine Herzensangelegenheit.
Eine ähnliche Begeisterung versprüht er auch, wenn er von seinen Recherchen zum Berlin der 20er- und 30er-Jahre erzählt. Die Spurensuche scheint geglückt, das Publikum an diesem Abend bei "Hollaender and Friends" fühlt sich in jene Zeit versetzt und summt zum Teil sogar mit, wenn einer der Gassenhauer von damals erklingt.
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