Berliner Spielhallengesetz zeigt Wirkung

Game Over

Der Eingang eines Automatenkasinos, aufgenommen am 11.06.2015 in Berlin. Betreiber von Spielhallen wehren sich am Donnerstag (11.06.2015) vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gegen eine strenge Regulierung durch das Spielhallengesetz. Sie monieren etwa die Beschränkung auf acht Geräte pro Spielhalle. Ein wirtschaftlicher Betrieb sei damit nicht mehr möglich, sagte der Sprecher der klagenden Gauselmann-Gruppe. Foto: Alex Heinl/dpa | Verwendung weltweit
Berliner Betreiber von Spielhallen wehren sich gegen eine strenge Regulierung durch das Spielhallengesetz. © dpa
Von Dieter Nürnberger · 29.08.2017
Das Berliner Spielhallengesetz gilt als das strengste der Republik. Nach einer erneuten Verschärfung müssen viele Hallen schließen. Die Anwohner freut's. Doch die vielen illegalen Café Casinos dürfen bleiben.
"Im Juni kam der Aufforderungsbescheid - bis 22.12. muss zu sein. Gewerbeabmeldung war beigefügt und jeder weitere Tag, denn man dann unberechtigt weiter offen lassen würde - 25.000 Euro Strafe."
Hildegard Maristany ist derzeit nicht gut auf die Berliner Behörden zu sprechen. Seit drei Jahrzehnten betreibt sie in der Charlottenburger Bismarckstraße ihr "MM Casino". Eine typische Spielhalle - von außen mit bunter Folie verklebte Scheiben, wer rein will, muss klingeln, innen etwas schummriges Licht - 15 Glücksspielautomaten warten hier auf Kundschaft. Hildegard Maristany ist 66 Jahre alt, lange dunkelblonde Jahre, sie ist schlank und trägt Jeans, sie wirkt jünger. Dass hier kurz vor Weihnachten ihre Geschäftslizenz enden soll, ist Folge des verschärften Berliner Spielhallengesetzes. Neue Konzessionen werden schon länger nicht mehr erteilt und für schon bestehende Spielhallen gelten nun strenge Abstandsregeln.
"Weil sich hier in der Nähe eine Schule befindet und da soll immer ein Mindestabstand von 200 Metern sein. In dem Fall sind es wohl nur 178 Meter. Wobei wir selbst mit einem Anwalt von Tür zu Tür nachgemessen haben - wir haben 231 Meter gemessen. Das würde ja dann hinkommen. Ich habe Einspruch eingelegt."
Das Berliner Spielhallengesetz gilt als das strengste der Republik. Offiziell Derzeit sind es noch rund 500 Automatenstandorte, wie es bürokratisch heißt. Und rund 70 davon haben in den vergangenen Wochen aufgrund der strengen Abstandsregeln zu Schulen ihren Schließungsbescheid bekommen. Der Senat macht somit ernst - jahrelang eröffneten immer mehr Spielhöllen - und pro Tag versenkten die Besucher rund 600.000 Euro in den Glücksspielautomaten. Experten gehen davon aus, dass es etwa 50.000 Berliner an Spielsucht leiden. Daniel Buchholz ist Sprecher für Stadtentwicklung in der SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses. Er gehört seit Jahren zu den treibenden Kräften für eine Verschärfung des Spielhallengesetzes. Es zeigt nun langsam Wirkung, sagt Buchholz:
"Wir greifen hier in bestehende Gewerbebetriebe ein. Denn es war ja nicht illegal, als die Läden eröffnet wurden. Es ist eben ein ganzer Katalog an Dingen abzufragen - ist die Vergnügungssteuer gezahlt worden? Gibt es eine Unbedenklichkeitsbescheinigung, gibt es Sachkundenachweise für die Mitarbeiter? Gibt es anhängliche Strafverfahren? Und wir haben auch Bezirke, die haben über 120 Spielhallen. Beispielsweise der Bezirk Mitte, da gibt es viel zu tun, man muss dies ja für jeden einzelnen Standort rechtssicher feststellen."

Neuer Mindestabstand von 500 Metern

Geht es nach dem SPD-Politiker, dann wird sich die Zahl der Spielhöllen in Berlin halbieren. Die Schließungsbescheide aufgrund der Abstandregeln zu Schulen sind nur ein erster Schritt, denn im Gesetz steht auch, dass zwischen den Spielstätten ein Mindestabstand von 500 Metern gilt. Und diese Vorschrift trifft vor allem Betreiber in bestimmten Straßen der Stadt. Zum Beispiel die Stromstraße im Stadtteil Moabit. Hier reiht sich mitunter Spielhalle an Spielhalle.
Für die meisten Anwohner ist diese Monotonie ein Graus: "Bei mir in der Ecke sind 5 Spielhallen, die haben andere Läden verdrängt. Es gibt immer zu viele Spielsalons. Ich würde die alle dichtmachen. Da sitzt der drin, der von Hartz IV lebt, der kein Geld hat. Ich würde mich freuen, wenn es hier etwas anderes geben würde."
Was viele Anwohner freut, ist den Spielhallenbetreibern natürlich ein Dorn im Auge. Georg Stecker ist Vorstandsprecher des Verbandes der Deutschen Automatenwirtschaft. Er spricht von einer unnötigen Diskriminierung der Branche: "Meines Erachtens ist Berlin ein Musterbeispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Wir haben einen natürlichen Spieltrieb der Menschen und wir haben die Aufgabe, den in geordnete Bahnen zu lenken. Wir sind nach wie vor für Regulierung. Wir halten es für besser, wenn Betriebe, bei denen ein gescheiter Spieler- und Jugendschutz praktiziert wird, am Markt eine Überlebenschance haben. Wenn wir den Markt so stark reduzieren - wohin wandern die Leute ab? Wahrscheinlich in Café-Casinos. Und dann haben wir ja noch den enormen Zuwachs im Online-Geschäft."
Der Verband der Deutschen Automatenwirtschaft beklagt vor allem, dass der Berliner Senat zu wenig gegen die illegalen Café Casinos in der Stadt unternehme. Und in der Tat: Auch diese haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Eine Grauzone, sagt auch der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz. Doch er setzt auf mehr Kontrollen durch die Gewerbeaufsicht.

Café Casionos als Gesetzteslücke

"Wenn man ein sogenanntes Café Casino betriebt und sagt, man ist eigentlich keine Spielhalle - hat dann aber nur zwei Cola-Kisten in der Ecke und drei Spielautomaten an der Wand: da haben wir jetzt die Beweislast umgekehrt. Man muss jetzt als Betreiber nachweisen, bin ich tatsächlich nur eine Gaststätte oder bin ich nicht doch eine Spielhalle."
Auch Spielhallen-Betreiberin Hildegard Maristany beklagt die Konkurrenz durch die Café-Casinos. Die Kontrollen durch die Behörden seien viel zu lasch. Gesetzlich verankerter Spieler- und Jugendschutz und auch Vorschriften zur Suchtprävention würden leider nur für die "Legalen" gelten.
"Wie viel Geld der Kunde innerhalb einer Stunde verspielen darf. Dann gibt es eine Pause, die macht der Automat automatisch. Dann muss man immer darauf achten, dass der Automat TÜV hat, eine bestimmte Laufzeit, auch ein Mindestabstand von Automat zu Automat, eine Trennwand usw. Und wenn nachgemessen wird und es fehlen 2,5 Zentimeter - beispielsweise, wenn gesaugt oder geputzt wurde, dabei ein Automat etwas verschoben wurde, dann haben Sie schon ein Problem. Dafür gibt es dann auch schon mal bestimmt 500 Euro Strafe."
Die Verbitterung ist der 66jährigen anzumerken. Rund 30 Jahre betreibt sie nun Spielhallen in Berlin, sie habe sich nie etwas zu Schulde kommen lassen. Sollte zum Jahresende hier in Charlottenburg wirklich Schluss sein, muss sie acht Mitarbeiter entlassen.
Der Berliner Senat spricht hingegen von einem Erfolg. Und er rechnet sogar damit, dass als Konsequenz aus dem verschärften Spielhallengesetz die Einnahmen aus der kommunalen Vergnügungssteuer, die auf Glücksspielautomaten erhoben wird, in den kommenden Jahren deutlich einbrechen werden.
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