Berliner Spätzle-Krieg

Wann es apokalyptisch wird

Von Andre Zantow · 27.12.2013
Man kann den Kampf der Berliner gegen die schwäbischen Eindringlinge als Kunstprojekt begreifen. Muss man aber nicht - vielleicht ist es auch tatsächlich eine kochende Volksseele. Zum Glück lassen sich geworfene Spätzle rückstandsfrei entfernen.
'KAUFT NICHT BEIM SCHWABN', haben wir an eine Berliner Mauer gesprayed. Warum? Als Kunstprojekt. Ja, heutzutage gibt es doch Hass und Intoleranz nur noch im Internet in 140 Zeichen. Das ist doch nicht gut für eine Gesellschaft. Wir wollten diese Kommentare zurück in die reale Welt holen.
Zur Diskussion stellen. Quasi Analog-Twittern mit der Spraydose. Wir hatten dann auch noch einen prominenten Gast-Künstler: Wolfgang Thierse, damaliger Bundestagsvizepräsident. Den haben wir dazu gekriegt, dass er in einem Zeitungsinterview sagt, in seinem Bezirk Prenzlauer Berg will er "Schrippen" kaufen und keine schwäbischen "Wecken". Toll, oder?
Er will seine Brötchen nur "Schrippen" nennen und schon bricht ein Entrüstungssturm los, der bis nach Baden-Württemberg reicht. Die dortige Integrationsministerin - Bilkay Öney - hat sich gleich zu Wort gemeldet und den Alten Fritz zitiert: In Berlin soll jeder nach seiner Fasson selig werden.
Das klang beschwichtigend, war aber zu spät. Die Volkseele kochte: Im Internet entstand die Seite "Free Schwabylon", die einen autonomen schwäbischen Bezirk in Berlin forderte. Eine Enklave, in denen die zugereisten Schwaben ohne Hohn der Berliner Hippster ihre Kehrwochen-Kultur ausleben können.
Außerdem hieß es auf der Internetseite: Die Berliner Schlaglöcher sollen mit Maultaschen gestopft werden.
Hetzer und Mitschreier sterben niemals aus
Das wäre eine Provokation sondergleichen, und war dem Senat nicht mal eine Diskussion würdig, aber für unsere Künstlergruppe genau das richtige, um den Netz-Protest in die Realität zu tragen. Maultaschen hatten wir zwar nicht, aber Supermarkt-Spätzle. Ab in den Topf, kurz erhitzt und dann los Richtung Schlagloch.
Tja, und dann bin ich gestolpert und die ganze Pampe ist auf so einer Figur am Käthe-Kollwitz-Platz gelandet. Am nächsten Tag stand in der Zeitung: „Schwäbischer Anschlag auf eine preußische Künstlerin“. Die Berliner Polizei wollte deeskalieren und meinte, die Teigwaren lassen sich restlos entfernen, aber zu spät: Der Spätzle-Krieg war auf seinem Höhepunkt.
80 Jahre nach Hitler Machtübernahme herrscht in Berlin wieder Hass gegenüber Andersessenden. Für unsere Künstlergruppe: kein schlechtes Resultat: Hatten wir doch gezeigt, dass Hetzer und Mitschreier niemals aussterben.
Das hier ist mein neues Projekt: "DÄNEN MIETEN NICHT". Das ist eine Anspielung auf die dänischen Nachbarn, die sich gerade wund kaufen auf dem Berliner Wohnungsmarkt – und so mitdrehen an der Mietpreisschraube. Gerade bildet sich der Protest im Netz und wenn es richtig losgeht, lege ich nach: Zum Beispiel: „Smörrebröt macht Döner töt“. Schrippe ist eine Sache – aber wehe einer verdrängt den Döner aus Berlin. Dann wird es apokalyptisch.