Berliner Filmfestival 2016

Berlinale-Bilanz in Stichworten

Holger Hettinger in einem der Berlinale-Studios von Deutschlandradio Kultur
Holger Hettinger hat zehn Tage lang über nichts außer die Berlinale berichtet. Zu sagen hat er trotzdem noch was. © Deutschlandradio / Manuel Czauderna
Von Holger Hettinger · 20.02.2016
In den vergangenen zehn Tagen hat sich unser Redakteur Holger Hettinger mit nichts anderem als der Berlinale beschäftigt - und scheinbar über alles auch berichtet. Aber ein paar Themen will er noch zur Sprache bringen. Zumindest in Stichworten.
Champagner
Für die Berlinale das, was Tomatensaft für die Passagierluftfahrt ist - ohne geht es nicht. Selbst die abgewrackteste Filmparty kommt nicht ohne pompös angebotenes Bizzelwasser aus. Krise, welche Krise? Für Champagner, so scheint's, ist immer Geld da. Wie gut, dass ich in der Fastenzeit strikt alkoholfrei lebe!
Eine Annäherung an den mexikanischen Film
Achso! Die Begegnung mit Tatiana Huezos Film "Tempestad" ist eine der diesjährigen Berlinale-Erfahrungen, die am tiefsten gewirkt hat. Ganz unsentimental erzählt die mexikanische Regisseurin von Bandenkriegen und Gewalterfahrungen, die längst in dem angekommen sind, was man hierzulande die "Mitte der Gesellschaft" nennen würde. Dass die Sache nicht vollends hoffnungslos wird, liegt an den integren Protagonisten, die sich tapfer gegen Gewalt und Korruption stemmen. Ein großer Film.
Körperhygiene
Also, das verstehe ich nicht. Irgendwie scheine ich die Schilder mit der Aufschrift "Duschen verboten" übersehen zu haben. Jedenfalls müffelte ab Tag 4 der Berlinale so ziemlich jeder Kinosaal irgendwie nach nassem Pudel, mit einer sanften Kopfnote von vergorenem Zwiebelkompott. Die Sache wurde nicht besser dadurch, dass insbesondere skandinavische Filmjournalisten bereits vor dem ersten Film morgens um 9 der beliebten Berliner Frühstücksspezialität "Döner Kebab" zugesprochen hatten. Geheimnisvollerweise saßen die immer genau neben mir. An dieser Stelle ein aufrichtiges Lob an die Kollegen hier im Berlinale-Studio: Ihr wart olfaktorisch hinreißend! Immer aprilfrisch, wohlriechend, porentief rein. Träumchen!
Retrospektive
Ja, ich weiß, es ist ein Stück weit paradox, sich auf einem Filmfestival, dass ja neue Tendenzen und Entwicklungen der Filmkunst abbilden soll, mit Filmen der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Aber die diesjährige Retrospektive, wieder klug und beziehungsreich kuratiert von Rainer Rother, war ein Glanzstück der Berlinale. Das Jahr 1966 als Kino-Jahrgang darzustellen, in dem gesellschaftliche Umbrüche filmisch verhandelt werden - das war eine brillante Idee. Und da man ja den Fortgang der Geschichte nach 1966 kennt, ist es keineswegs so, als würde man einfach nur "alte Filme" schauen, im Gegenteil: die gesellschaftliche Sprengkraft von Filmen wie "Karla" oder "Mahlzeiten" von Edgar Reitz kann man erst mit dem Abstand der Jahrzehnte richtig beurteilen - vor dem Hintergrund dessen, was nach 1966 kam, politisch, aber auch filmästhetisch. Grandios.
Empfänge von Filmfördereinrichtungen und Medienboards
Ganz altes Europa! Soignierte Herrschaften im "Mädchen, ich mach Dich berühmt"-Modus, die all die Stimmen Lügen strafen, die den deutschen Film in der Krise sehen. Soooo viele Projekte! Und, ja, stimmt: Die Geschichte der Hillbilly-Bewegung in Detmold muss dringend auf die Leinwand gebracht werden, unbedingt! Darauf hat die Welt gewartet. An dieser Stelle entschuldige ich mich bei all denen, die ich mitten im Gespräch stehengelassen habe - aber auf Begriffe wie "crossmedialer Dokudrama-Podcast mit interaktiver Grundausrichtung" reagiere ich allergisch.
Rasieren
Wird überschätzt.
Interessanteste Sektion
Der Kinder- und Jugendfilm, wie im letzten Jahr auch. Ich bin immer wieder überrascht, welch unkonventionelle Erzählweisen ich hier antreffe, welch packende Geschichten, welch pralle Bilder. Und das bei weitgehender Abwesenheit erhobener Zeigefinger. Stellvertretend für all die tollen Filme möchte ich "In Deinen Träumen" von Petr Oukropec erwähnen - man merkt, dass die Tschechen mal Weltmarktführer im Kinderfilm waren. Groß!
Spekulationen über mögliche Bärengewinnerinnen und -gewinner
Is mir ega-ha-hal, is mir ega-ha-hal.
Sport- und Ernährungsvorsätze während der Berlinale
Öh, ja, hm. Dummerweise habe ich vor der Berlinale getönt, dass ich mich brutal gesund ernähren werde, und jeden Tag 5 km laufen möchte. Vielleicht war das zu ehrgeizig - jedenfalls hat es nicht geklappt. 4 Laufrunden sind sub par, aber immerhin besser als gar keine Bewegung. Sieht man von den Sprints zu Filmvorstellungen und Interviewterminen einmal ab. In Sachen Ernährung war es weniger schlimm als befürchtet. Die ganzen Snickers habe ich übrigens nicht aktiv gegessen - die sind mir in den Mund gesprungen!
Welche Filme wirst Du am heutigen letzten Berlinale-Tag schauen?
Eine Folge Sesamstraße. Oder ein paar Katzenvideos. So langsam ist's nämlich genug.
Und das Leben nach der Berlinale?
*Schnarchen*