Berliner Ausstellung "Tod in Neapel"

Auf Abstand zum Mythos Schliemann

Der Nachguss der Bronzebüste des Archäologen Heinrich Schliemann (1822-1890) ist am Mittwoch, dem 9.5.2012 am Pfaffenteich in Schwerin zu sehen. Die Skulptur, die seit 1895 weitgehend unbehelligt im Stadtzentrum stand, war Ende August 2011 von Buntmetall-Dieben gestohlen worden.
Eine Bronzebüste des Archäologen Heinrich Schliemann © picture alliance / dpa / Jens Büttner
Von Carsten Probst · 04.01.2016
Es wirkt wie eine Geste: Sehr bescheiden gedenkt das Neue Museum in Berlin mit einer kleinen Ausstellung Heinrich Schliemann zu dessen 125. Todestag. Auf früher übliche Überhöhungen seiner archäologischen Leistungen wird in "Tod in Neapel" verzichtet.
Sein Tod war nicht wirklich ungewöhnlich, aber da Schliemann prominent war und unerwartet auf Reisen starb, luden die Umstände doch zu eifriger Legendenbildung ein. Während er auf der Durchreise zu seiner Familie in Athen in Neapel, verstarb Schliemann 69-jährig an einer nicht vollständig auskurierten Ohrentzündung. Er hatte sich in seinem Reiseeifer lediglich nicht an ärztlichen Rat halten und die Entzündung ordentlichen auskurieren wollen. Weil Schliemann aber auf Reisen, fern der Familie, starb, und er eigentlich immer alles in mythologische Sphären zu überhöhen pflegte, wurde ein an sich banaler Todesfall zum Stoff für Spekulationen über Mord und Komplotte.
Bemerkenswert ist, dass diese Ausstellung zu seinem Gedenken in Berlin bewusst klein und bescheiden gehalten ist. Wenn man den Pomp und das immer auch nationalistisch gefärbte Pathos bedenkt, dass sich lange Zeit um Schliemanns Funde gerankt hat, muss man darin eine heutige Geste der Staatlichen Museen Berlin sehen. Sie verdanken Schliemann viel – gehen zugleich jedoch deutlich auf Abstand zu den fast mythischen Überhöhungen seiner Leistungen bis in die Nachkriegszeit und auch zu der Selbstinszenierung, die Schliemann zu Lebzeiten betrieben hat.
Wichtigste Grabungsstationen und Briefe
Zwei kleine, umgrenzte Bereiche, etwas versteckt im dritten Stock des Neuen Museums, berichten aus Anlass seines 125. Todestages zum einen ein wenig über seine Todesumstände. So beherbergt eine Vitrine unter anderem Schliemanns wichtigste Briefe an die Berliner Museen, denen er seine Trojafunde übereignet. Nebenan im "Roten Saal" wiederum sind einige historische Vitrinen aufgebaut, die noch aus dem ehemaligen Museum für Völkerkunde in Berlin stammen und in denen schon damals Schliemann-Funde gezeigt worden waren. Hier werden noch einmal seine wichtigsten Grabungsstationen nachvollzogen – allen voran natürlich Troja oder was Schliemann dafür hielt, also jene Fundstätte im türkischen Hisarlik, an der er den berühmt-berüchtigten Schliemann-Graben ziehen ließ, mit dem er viele Grabungsschichten zerstörte, an der er aber auch den sogenannten Schatz des Priamos entdeckte. Mykene oder Tiryns, auch seine Ägyptenreisen werden ebenso dokumentiert.
Wer noch Näheres wissen will, der wird an den Schliemann-Saal verwiesen, der ohnehin zur ständigen Ausstellung im Neuen Museum gehört und in dem auch die berühmte Replik des Priamos-Schatzes zu sehen ist, dessen meiste Originale nach wie vor im Moskauer Puschkin-Museum als Beutekunst nach dem Zweiten Weltkrieg zu sehen sind.
Pionier mit teilweise illegalen Methoden
Heute würde man Schliemann vermutlich als einen Freak, als Enthusiasten bezeichnen, der seine Ehe mit einer Russin löste, um eine nach einer Fotografie ausgewählte Griechin zu heiraten. Er hat seine anfangs laienhafte Antikenbegeisterung wie eine Privatreligion zelebriert, getrieben von dem Plan, jene Stätten aufzufinden, die insbesondere bei Homer in der Illias und Odyssee genannt werden, allen voran das antike Troja. Eine solche Lesart der Homerischen Epen als realistische "Geschichtsbücher" galt schon zur damaligen Zeit als reichlich naiv. Weil er aber als Geschäftsmann zu Geld gekommen war, konnte Schliemann sich Privatausgrabungen leisten, und er erwies sich darüber hinaus auch noch als durchaus gelehrig und hartnäckig in der Verfolgung seiner Ziele.
Tatsächlich hat er dann höchst bedeutende Schatzfunde gemacht, insgesamt 17, und wurde zum Pionier der Archäologie seiner Zeit, und als solcher kann er auch heute durchaus noch gelten, auch wenn er sich zum Teil illegaler Methoden bedient hat, um die Funde damals aus der Türkei auszuführen. Schliemanns eigene, fehlgehende Interpretationen, wenn er glaubte, Troja oder die Goldmaske des Agamemnon oder den Schatz den Priamos gefunden zu haben, die sich aber allesamt in den Datierungen nicht mit der Zeit Homers in Verbindung bringen lassen, bleiben bedeutende Funde, auch wenn sie nicht zu Illustrationen des homerischen Mythenkreises taugen.

Die Ausstellung Tod in Neapel – Heinrich Schliemann zum 125. Todestag ist vom 4. Januar bis zum 30. Juni 2016 im Neuen Museum Berlin zu sehen.

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