Berlinale zeigt Videokunst
Berlinale ist Kino, aber längst nicht nur: Erstmals präsentiert das Forum eine Auswahl an zeitgenössischen Film-, Video- und Rauminstallationen. Die Arbeiten im Forum expanded bewegen sich an der Schnittstelle von Kino und Installationskunst. Künftig sollen solche Werke regelmäßig auf der Berlinale zu sehen sein.
Stefanie Schulte Strathaus vom Auswahlteam des Internationalen Forums des Jungen Films:
"Für das Forum (…) ist es natürlich so, dass wir immer schon Filme auch gezeigt haben, die (…) die Koordinaten des Kinos gesprengt haben, (…) das Forum ist bekannt dafür, natürlich Experimentalfilme auch zu zeigen, Filme von bildenden Künstlern zu zeigen und auch Filme zu zeigen, die den Rahmen insofern sprengen, dass sie acht oder zwölf Stunden lang sind (…) aber (…) es ist auch in den letzten Jahren häufiger vorgekommen, dass installative Arbeiten bei uns eingereicht wurden, manchmal auch in der Hoffnung, dass sie als Film funktionieren und wir sie als solche einladen. Wir haben aber gemerkt, dass funktioniert natürlich nicht, wenn es eine Arbeit ist, die für einen Ausstellungsraum gemacht wurde, sollte sie auch so präsentiert werden …"
Anlass also für das Auswahlteam des Berlinale-Forums, sich Gedanken über eine Erweiterung des Programms zu machen, die im Übrigen durchaus Sinn macht. Berlinale-Chef Dieter Kosslick möchte das Filmfestival ohnehin für angrenzende Kunstformen öffnen. Anzeichen dafür gab es schon in den letzten Jahren bei der Zusammenarbeit mit der Medienkunst-Schau transmediale und der Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst. Erstmals sitzt mit Matthew Barney auch ein berühmter Videokünstler in der Jury für die Vergabe der Goldenen und Silbernen Bären, ein Videokünstler, der übrigens in seinen Arbeiten stets Wert auf kinematografisches Format gelegt hat und einer der ersten war, der die Türen zwischen kommerziellem Kino und Videokunst auf ironische Weise weit aufgestoßen hat. Doch schon, so bekennt Stefanie Schulte Strathaus, beginnt für das Auswahlteam des Forums das Dilemma:
"Es sind Arbeiten dabei, die nicht mehr nur im Kino gezeigt werden können, es gibt aber auch welche, die müssen im Kino gezeigt werden und laufen trotzdem in diesem Programm. Es betrifft also die Räume, aber es betrifft auch ein unterschiedliches Publikum. Es sind ganz interessante Auseinandersetzungen gewesen, die wir in den letzten Wochen gehabt haben, wenn es um die Darstellung beispielsweise geht, das sind wirklich zwei Welten, und das war eine Herausforderung und hat sehr viel Spaß gemacht, da einen neuen Weg gemeinsam zu beschreiten."
Zur Eröffnung des Forums im Kino Arsenal gibt es einen Film von Musiker und Filmemacher Michael Snow zu sehen - Beispiel für eine Videoinstallation, die eigentlich im Kino viel besser aufgehoben sein dürfte, als in einer Kunstgalerie. Denn Snow erzählt in seinem Beitrag eine filmische Kurzgeschichte von etwa anderthalb Minuten Länge, die er jedoch in Form von Wiederholungsschleifen, so genannten Loops, insgesamt zwölf Mal hintereinander abspielt, wobei sich immer neue Verfremdungseffekte der Geschichte ergeben, und es besteht berechtigter Anlass zu der Annahme, dass Besucher von Ausstellungen meist keine Geduld mitbringen, sich zwanzig Minuten lang sämtliche dieser Loops anzuschauen – Kinobesucher in der Regel hingegen schon.
Eine andere Variante, Kunst und Kino zusammenzubringen, sind die Arbeiten des bekannten israelischen Künstlers und Filmemachers Amos Gitai, der in den achtziger und neunziger Jahren immer wieder Gast mit seinen Filmen beim Berlinale Forum gewesen ist. Er ist diesmal wiederum mit einem Film im Forum-Programm vertreten, jedoch auch mit einer großen Videoinstallation in den Berliner Kunstwerken in der Auguststraße:
"Meine Installation beruht hauptsächlich auf Befragungen, die ich in 25 Jahren während meines "House"-Projektes in Israel durchgeführt habe. Meine Idee hinter dieser Installation war, eine Art Mikrokosmos zu schaffen, durch den man einen Einblick in den Mittleren Osten erhält, jenes Land, dass immer wieder nur auf Nachrichtenbilder reduziert wird. Die Installation enthält 21 Bildschirme mit Filmausschnitten, und die Besucher sind eingeladen, sich ihre eigene Montage dieser Filmfragmente herzustellen, indem sie zwischen den Monitoren umherwandern, in der Überlagerung der verschiedenen Sounds und so weiter."
Für sein "House"-Projekt begann Amos Gitai in den achtziger Jahren zunächst im Auftrag des israelischen Fernsehens die Geschichte eines Hauses in Ost-Jerusalem zu dokumentieren, das erst von Palästinensern, dann von Israelis, Arabern und anderen bewohnt wurde, die diesen Ort auf ihre jeweils eigene Weise definiert und, oft beeinflusst durch die politischen Wirren, in Besitz genommen haben. Die Dokumentation löste Debatten aus und führte schließlich dazu, dass sich das israelische Fernsehen von dem Projekt distanzierte. Amos Gitai aber verfolgt die Entwicklung des häuslichen Zusammenlebens bis heute und stellt in Berlin den letzten Teil der Geschichte unter dem Titel "News From House/News from Home" im Filmprogramm des Forums vor, so dass sich Film und Installation zu einer höchst individuellen Zusammenschau zur jüngsten Historie des Nahost-Konflikts ergänzen.
Neben Gitais raumgreifender und geradezu manifestöser Arbeit sind in den Kunstwerken aber auch intimere Videoinstallationen unter anderem von Matthew Buckingham und Harun Farocki zu sehen, wobei eine Doppelprojektion der jungen New Yorkerin Amie Siegel das Zeug zum Publikumsliebling haben dürfte. Während eines einjährigen Stipendiums in Berlin hat Siegel zahlreiche Berlin-Szenen in alten Defa-Filmen recherchiert und stellt die Spielorte von damals ihrem jeweiligen heutigen Aussehen gegenüber.
Im Kino Arsenal hingegen kann man nun neben erzählerischen Künstlerfilmen wie von Sharon Lockhart auch höchst abstrakte Werke sehen. So ist der Altmeister des minimalistischen Films Ken Jacobs vertreten, der seit geraumer Zeit das Phänomen des "Flickers", also eines gesteuerten Bildflimmerns erforscht. Diese experimentelle Kino-Installation läuft dabei ebenso wie die bereits erwähnte Arbeit von Michael Snow bei freiem Eintritt außerhalb des allgemeinen Kurzfilmprogramms. Ebenfalls kostenlos, aber schon länger bei der Berlinale zu sehen sind Meggie Schneiders Installationen – dieses Jahr hat sie im Atrium am Potsdamer Platz einen echten "Hobbykeller" eingerichtet, in den auch Videoarbeiten aus der Amateurszene zu sehen sein werden.
"Für das Forum (…) ist es natürlich so, dass wir immer schon Filme auch gezeigt haben, die (…) die Koordinaten des Kinos gesprengt haben, (…) das Forum ist bekannt dafür, natürlich Experimentalfilme auch zu zeigen, Filme von bildenden Künstlern zu zeigen und auch Filme zu zeigen, die den Rahmen insofern sprengen, dass sie acht oder zwölf Stunden lang sind (…) aber (…) es ist auch in den letzten Jahren häufiger vorgekommen, dass installative Arbeiten bei uns eingereicht wurden, manchmal auch in der Hoffnung, dass sie als Film funktionieren und wir sie als solche einladen. Wir haben aber gemerkt, dass funktioniert natürlich nicht, wenn es eine Arbeit ist, die für einen Ausstellungsraum gemacht wurde, sollte sie auch so präsentiert werden …"
Anlass also für das Auswahlteam des Berlinale-Forums, sich Gedanken über eine Erweiterung des Programms zu machen, die im Übrigen durchaus Sinn macht. Berlinale-Chef Dieter Kosslick möchte das Filmfestival ohnehin für angrenzende Kunstformen öffnen. Anzeichen dafür gab es schon in den letzten Jahren bei der Zusammenarbeit mit der Medienkunst-Schau transmediale und der Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst. Erstmals sitzt mit Matthew Barney auch ein berühmter Videokünstler in der Jury für die Vergabe der Goldenen und Silbernen Bären, ein Videokünstler, der übrigens in seinen Arbeiten stets Wert auf kinematografisches Format gelegt hat und einer der ersten war, der die Türen zwischen kommerziellem Kino und Videokunst auf ironische Weise weit aufgestoßen hat. Doch schon, so bekennt Stefanie Schulte Strathaus, beginnt für das Auswahlteam des Forums das Dilemma:
"Es sind Arbeiten dabei, die nicht mehr nur im Kino gezeigt werden können, es gibt aber auch welche, die müssen im Kino gezeigt werden und laufen trotzdem in diesem Programm. Es betrifft also die Räume, aber es betrifft auch ein unterschiedliches Publikum. Es sind ganz interessante Auseinandersetzungen gewesen, die wir in den letzten Wochen gehabt haben, wenn es um die Darstellung beispielsweise geht, das sind wirklich zwei Welten, und das war eine Herausforderung und hat sehr viel Spaß gemacht, da einen neuen Weg gemeinsam zu beschreiten."
Zur Eröffnung des Forums im Kino Arsenal gibt es einen Film von Musiker und Filmemacher Michael Snow zu sehen - Beispiel für eine Videoinstallation, die eigentlich im Kino viel besser aufgehoben sein dürfte, als in einer Kunstgalerie. Denn Snow erzählt in seinem Beitrag eine filmische Kurzgeschichte von etwa anderthalb Minuten Länge, die er jedoch in Form von Wiederholungsschleifen, so genannten Loops, insgesamt zwölf Mal hintereinander abspielt, wobei sich immer neue Verfremdungseffekte der Geschichte ergeben, und es besteht berechtigter Anlass zu der Annahme, dass Besucher von Ausstellungen meist keine Geduld mitbringen, sich zwanzig Minuten lang sämtliche dieser Loops anzuschauen – Kinobesucher in der Regel hingegen schon.
Eine andere Variante, Kunst und Kino zusammenzubringen, sind die Arbeiten des bekannten israelischen Künstlers und Filmemachers Amos Gitai, der in den achtziger und neunziger Jahren immer wieder Gast mit seinen Filmen beim Berlinale Forum gewesen ist. Er ist diesmal wiederum mit einem Film im Forum-Programm vertreten, jedoch auch mit einer großen Videoinstallation in den Berliner Kunstwerken in der Auguststraße:
"Meine Installation beruht hauptsächlich auf Befragungen, die ich in 25 Jahren während meines "House"-Projektes in Israel durchgeführt habe. Meine Idee hinter dieser Installation war, eine Art Mikrokosmos zu schaffen, durch den man einen Einblick in den Mittleren Osten erhält, jenes Land, dass immer wieder nur auf Nachrichtenbilder reduziert wird. Die Installation enthält 21 Bildschirme mit Filmausschnitten, und die Besucher sind eingeladen, sich ihre eigene Montage dieser Filmfragmente herzustellen, indem sie zwischen den Monitoren umherwandern, in der Überlagerung der verschiedenen Sounds und so weiter."
Für sein "House"-Projekt begann Amos Gitai in den achtziger Jahren zunächst im Auftrag des israelischen Fernsehens die Geschichte eines Hauses in Ost-Jerusalem zu dokumentieren, das erst von Palästinensern, dann von Israelis, Arabern und anderen bewohnt wurde, die diesen Ort auf ihre jeweils eigene Weise definiert und, oft beeinflusst durch die politischen Wirren, in Besitz genommen haben. Die Dokumentation löste Debatten aus und führte schließlich dazu, dass sich das israelische Fernsehen von dem Projekt distanzierte. Amos Gitai aber verfolgt die Entwicklung des häuslichen Zusammenlebens bis heute und stellt in Berlin den letzten Teil der Geschichte unter dem Titel "News From House/News from Home" im Filmprogramm des Forums vor, so dass sich Film und Installation zu einer höchst individuellen Zusammenschau zur jüngsten Historie des Nahost-Konflikts ergänzen.
Neben Gitais raumgreifender und geradezu manifestöser Arbeit sind in den Kunstwerken aber auch intimere Videoinstallationen unter anderem von Matthew Buckingham und Harun Farocki zu sehen, wobei eine Doppelprojektion der jungen New Yorkerin Amie Siegel das Zeug zum Publikumsliebling haben dürfte. Während eines einjährigen Stipendiums in Berlin hat Siegel zahlreiche Berlin-Szenen in alten Defa-Filmen recherchiert und stellt die Spielorte von damals ihrem jeweiligen heutigen Aussehen gegenüber.
Im Kino Arsenal hingegen kann man nun neben erzählerischen Künstlerfilmen wie von Sharon Lockhart auch höchst abstrakte Werke sehen. So ist der Altmeister des minimalistischen Films Ken Jacobs vertreten, der seit geraumer Zeit das Phänomen des "Flickers", also eines gesteuerten Bildflimmerns erforscht. Diese experimentelle Kino-Installation läuft dabei ebenso wie die bereits erwähnte Arbeit von Michael Snow bei freiem Eintritt außerhalb des allgemeinen Kurzfilmprogramms. Ebenfalls kostenlos, aber schon länger bei der Berlinale zu sehen sind Meggie Schneiders Installationen – dieses Jahr hat sie im Atrium am Potsdamer Platz einen echten "Hobbykeller" eingerichtet, in den auch Videoarbeiten aus der Amateurszene zu sehen sein werden.