Berlinale Wettbewerb: "Schwesterlein"

Ein intensives Kammerspiel

07:34 Minuten
Nina Hoss und Lars Eidinger sitzen im Filmausschnitt des Berlinale Wettbewerbfilms "Schwesterlein" auf der Rückbank eines Taxis
Nina Hoss und Lars Eidinger spielen in "Schwesterlein" ein Geschwisterpaar. © Berlinale / Vega Film
Anke Leweke im Gespräch mit Susanne Burkhardt · 24.02.2020
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Im Geschwister-Drama "Schwesterlein" haben nicht der Plot, umso mehr aber Nina Hoss und Lars Eidinger überzeugt. Das sagt Filmkritikerin Anke Leweke. Und der französischen Komödie "Delete History", so Leweke, fehle der große Handlungsbogen.
Im Berlinale Beitrag "Schwesterlein" von den Schweizer Regisseurinnen Stéphanie Chuat und Véronique Reymond geht es um die Zwillinge Lisa (Nina Hoss) und Sven (Lars Eidinger). Sven ist ein erfolgreicher Schauspieler an der Berliner Schaubühne, Lisa ist Autorin und hat eine Schreibblockade. Als Sven unheilbar an Leukämie erkrankt, holt die Schwester ihn zu sich nach Hause in die Schweiz, wo sie mit ihrem Mann und ihren Kindern lebt.
Das Zusammenspiel von Eidinger und Hoss als Geschwister funktioniere gut, sagt Filmkritikerin Anke Leweke. Offenbar zehrten hier beide noch von ihrer sehr großen persönlichen Vertrautheit, schließlich hätten beide Schauspieler gleichzeitig an der Ernst-Busch-Schule in Berlin studiert und so stärke diese Vertrautheit den Film: "Der Film hat immer eine unheimliche Intensität, wenn man die beiden Geschwister miteinander sieht, wie sie ihn pflegt - da ist er unheimlich nah.
Da ist es ein ganz tolles, intensives Kammerspiel. Aber das Ganze spielt eben auch im Theatermilieu, eben im Schaubühnen-Umfeld. Und da wird das alles so eins zu eins verhandelt. Es gibt zwar auch schöne Momente: wir kennen ja alle, wie Lars Eidinger - eben wie beim Hamlet - die Krone immer so schräg hat. Genau so hat er eben hier auch seine Perücke nach der Chemotherapie auf. All das sind schon ganz schöne Momente, aber letztlich gibt es keine Reibung zwischen Spiel und Fiktion."
Im Theater gebe es sehr viele Vorlagen zum Thema Geschwisterliebe und das Sterben. Doch damit setze sich der Film viel zu wenig auseinander, kritisiert Leweke. "Und ja, Nina Hoss, das ist dann so eine Dramaturgie, wie man sie so um 20 Uhr 15 im Fernsehen kennt: sie hat eine Schreibblockade, und man weiß genau: Ja, sie wird als Theaterautorin wieder auftrumpfen durch ihren Bruder, der im Sterben liegt. Der gibt ihr wieder die Energie. Das ist so voraussehbar."

Nina Hoss überzeugt trotz schwacher Vorlage

Zu bewundern sei allerdings, welche Wahrhaftigkeit Nina Hoss der Klischeefigur der schreibblockierten Lisa verleihe: "Man muss überhaupt sagen: Lars Eidinger und Nina Hoss spielen das wirklich beide ganz toll. Und ja: Ein Kammerspiel, was einfach nur die beiden gezeigt hätte, das wäre sicher ein ganz großartiger Film geworden."
Auch die zweite Premiere am 5. Berlinale-Tag sei kein Anwärter auf einen Preis im Berlinale Wettbewerb, findet Leweke. In der Komödie "Delete History" von Benoît Delépine und Gustave Kervern geht es um drei Nachbarn in einer französischen Provinzstadt, die mit den Auswirkungen der Social-Media-Welt konfrontiert und überfordert sind.
Zwei Frauen sitzen auf Liegestühlen und lachen 
Filmstill aus dem Berlinale Wettbewerbsfilm "Delete history" von Benoît Delépine© Les films du Worso / Scope Pictures
"Der eine hat sich verschuldet, weil er alle Anrufe immer annimmt, sich alles aufschwatzen lässt, die andere ist seriensüchtig, und die die dritte hat sich einfach betrunken, hat sich dann aus Versehen beim Sex filmen lassen und wird jetzt erpresst."
Dadurch, dass sich die Protagonisten mit den Tücken, Widrigkeiten und Absurditäten des Alltags herumschlagen müssen, habe der Film viel Identifikationsmaterial. "Delete History" fehle aber der große Bogen, so Leweke: "Man muss sich das vorstellen wie eine derbe Nummernrevue: Also der Film, das sind einzelne Kurzfilme, die stehen auch für sich. Aber es fehlt so die große Erzählung, die daraus hätte entstehen können, die große Rebellion. Der Film aber rebelliert einfach gar nicht."
(mle)
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