Berlinale

Schlagabtausch mit den Mullahs

Von Susanne Burg · 11.02.2014
Sie diskutieren über eine idelae Gesellschaft, Freiheit und Religion: Für "Iranien" hat sich der Filmemacher Mehran Tamadon mit Verfechtern des iranischen Regimes getroffen - ein interessantes Sozialexperiment.
Vier Mullahs fahren bei Mehran Tamadon vor. Er lebt in einem Landhaus mit einem großen Garten. Die Männer sind bester Laune. Endlich frische Luft, sagen sie. Die Umweltverschmutzung in Teheran sei fürchterlich. Die Männer ziehen sich ins Haus zurück und beginnen zu diskutieren, darüber, wie eine ideale Gesellschaft aussehen kann.
Die ideale Gesellschaft sollte meiner Meinung nach nicht religiös sein, sondern säkular, sagt der atheistische Filmemacher Mehran Tamadon, der hauptsächlich in Frankreich lebt. Definiere säkular, sagt einer der Verfechter des Regimes. Das heiße, dass öffentliche Orte neutral seien, so der Filmemacher. Hier sollte Freiheit herrschen, für verschiedenste Lebensformen.
Wenn meine Frau in der Uni einen Schleier tragen möchte, darf sie das? Fragt der Mullah. In der Universität ja, in der Schule nicht, antwortet Tamadon.
Immer wieder kommt der Filmemacher an seine Grenzen. Besonders einer der Männer ist rhetorisch unglaublich geschult. Statt Tamadon seine Grundsätze entgegenzuschleudern, lässt er den Regisseur reden, stellt Fragen, entwickelt die Gedanken weiter und zeigt Tamadon die Schwächen seiner Argumentation auf. Schon zu sagen, dass die Gesellschaft säkular sein soll, ist eine Ideologie, sagt der Mullah. Säkularismus ist nur eine weitere Ideologie.
Zwei Tage lang liefern sich die Männer einen gedanklichen Schlagabtausch. Nie geht es laut zu, die Männer lachen viel, kochen zusammen. Sie diskutieren über Freiheit, den Schleier, Abtreibung, Pressefreiheit. Und ganz grundsätzlich darüber, wie Menschen mit unterschiedlichen Vorstellungen friedlich zusammen leben können und wer die Regeln aufstellt. Fast entsteht so etwas wie kreative Aufbruchsstimmung. Die wird allerdings am Ende wieder relativiert. Denn dann gibt der regimetreue Mullah ziemlich deutlich zu verstehen: Wenn Tamadon mal an der Macht sei, könne er die Regeln machen, noch legen sie sie fest.