Berlinale-Film mit Zensurauflagen

Moderation: Waltraud Tschirner · 16.02.2007
Der chinesische Streifen "Lost in Beijing" erzählt die Geschichte eines jungen Ehepaares, das mit einem anderen reichen Paar einen Handel um den Preis eines Kindes eingeht. Als der Film für die Berlinale nominiert wurde, erhielt er Zensurauflagen durch die chinesische Regierung. Deutschlandradio Kultur sprach darüber mit Regisseurin Li Yu.
Der chinesische Wettbewerbsbeitrag von Li Yu "Lost in Beijing" (Originaltitel: "Ping Guo") erzählt die Geschichte eines jungen Ehepaares, das vom Land nach Peking (chinesisch: Beijing) zieht und sich dort durchschlägt – sie im Massagesalon, er als Fensterputzer. Bald kreuzt sich das Leben dieses Paares mit dem eines anderen, für das Geld keine Rolle spielt, dem aber das Leben seinen sehnlichsten Wunsch nach einem Kind nicht erfüllen kann.

Die junge Frau wird schwanger und da sie vom reichen Mann vergewaltigt worden ist, kurz davor und danach aber auch mit ihrem Ehemann Sex hatte, ist nicht klar, wer der Vater ist. Man kann sich nicht einigen. Die Männer verhandeln über dieses Ungeborene wie eine Ware. Man unterzeichnet einen Vertrag: Kind gegen Geld. Und die Männer beginnen, sich zu verändern. Der Brutale wird mit dem Baby lieb und fürsorglich, der eigentlich Sanfte wird geschäftstüchtig. Ein Pokerspiel um Geld und Glück – ein sehr bewegender, eindringlicher Film, der allerdings auf dieser Berlinale beinah nicht gezeigt worden wäre. Denn plötzlich schritt die chinesische Zensur ein.

Der chinesische Produzent Fang Li präzisierte, welche Zensurauflagen seinem Film "Lost in Beijing" für die Berlinale gemacht wurden. In den fünf Szenen, die nach Beanstandungen herausgeschnitten wurden, sei unter anderem der "Platz des Himmlischen Friedens" zu sehen gewesen, sagte er der Agentur dpa. Auch Bilder der Nationalflagge und dreckiger Straßen in Peking wurden entfernt. Die Berlinale-Leitung erklärte zu dem Fall lediglich, sie werde den Film zeigen, den sie bekomme. "Lost in Beijing" ist einer der 22 Beiträge im Wettbewerb.

Deutschlandradio Kultur sprach mit der Regisseurin Li Yu über ihren Film. Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Gespräch:

Tschirner: Was hat die Zensurbehörde genau gestört?

Yu: Ich hätte niemals geglaubt, dass so etwas passieren könnte, denn als ich das Drehbuch fertig hatte, habe ich es zur Zensurbehörde geschickt, um es checken zu lassen. Dann hat eine Gruppe aus mehr als 15 Leuten darüber beraten und es abgesegnet. Also haben wir angefangen, den Film zu drehen. Und nach dem Dreh wurde plötzlich noch mal interveniert. Ich denke, sie sind einfach nervös geworden, als sie realisierten, dass der Film hier auf der Berlinale im Wettbewerb vor einem großen internationalen Publikum laufen soll. Sie haben dann noch mal versucht, unsere Arbeit mit den Augen von Ausländern zu sehen und empfanden einige Bilder als nicht zumutbar.

Tschirner: Und was genau musste rausgeschnitten werden?

Yu: Es ist wirklich lächerlich, woran sie sich stören – zum Beispiel wenn ein Auto durch dreckiges Wasser fährt oder wenn Geld auf dem Spieltisch liegt. Und die Regierung will anderen Ländern nicht zeigen, dass es in China Prostitution gibt. Und eine Liebesszene darf nicht länger als drei Sekunden dauern.