Berlinale-Beitrag "Als wir träumten"

Wild gemeint, aber brav

Von Ulrike Timm · 09.02.2015
Die Feuilletons staunen über Andreas Dresens Berlinale-Wettbewerbsbeitrag "Als wir träumten" - und urteilen überwiegend negativ. So diagnostiziert der "Tagesspiegel" etwa "meditative Langeweile", die "Welt" kritisiert die Umsetzung der Romanvorlage.
Eigentlich hatte sich die Pressebeschauerin ja vorgenommen, vollkommen berlinalefrei durch ihren Text zu kommen, aber das ist nicht durchzuhalten und wäre auch ein völliger Schuss in den Ofen. An "Bierdosen im Himmel über Leipzig" (DIE WELT), an "Weltklassekino" (FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG), und "Gewitter im Kopf" (BERLINER ZEITUNG) führt einfach kein Weg vorbei. Lediglich der TAGESSPIEGEL genehmigt sich mit "Die Jugend von damals" eine etwas verhaltenere Schlagzeile und spricht von einem wild gemeinten und vielleicht genau darum etwas braven Film.
Kein Feuilleton ohne großen Artikel zum Wettbewerbsbeitrag von Andreas Dresen, "Als wir träumten", nach dem Roman von Clemens Meyer. Allesamt staunen sie ein bisschen, dass dieser bierdosenduftige und gewaltgeschwängerte Film tatsächlich von Andreas Dresen ist. Er wolle auch mal "ein wenig anarchisch" erzählen, hat der Regisseur in einem Interview gesagt, prompt diagnostiziert der TAGESSPIEGEL, das klinge schon wie "ein bisschen schwanger" und käme im Kino auch so rüber, "meditative Langeweile trotz dröhnender Beats".
Raufend und saufend den eigenen Weg suchen
Die Geschichte von fünf Jungs, die in der DDR in die Schule gegangen sind und in der BRD erwachsen werden, die zu Kadern des Sozialismus erzogen werden sollten und vier Jahre später in der Zwischenzeit der Wende raufend und saufend ihren eigenen Weg suchen, diese Geschichte traf "die in schöner Ordentlichkeit dahindämmernde deutsche Literatur wie ein Schlag auf den Solarplexus", schreibt Elmar Krekeler in der WELT über die Vorlage, den Roman von Clemens Meyer. Und urteilt hart über die Kinoversion: "vom aufwühlenden Wenderoman zum folgenlosen Kinofilm" – so sein Fazit.
Andreas Platthaus in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ist dagegen völlig hin und weg und rundum begeistert, "'Als wir träumten' würde jedes Festival der Welt zieren. Weil es sich um Weltklassekino handelt!" Ein vielstimmiges Echo, wenn Sie sich selbst ein Urteil bilden wollen, können Sie das ab 26. Februar tun, dann kommt "Als wir träumten" deutschlandweit ins Kino.
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Fotografie als Gott unter den Langeweilern
"Kunst zeigt uns, wogegen man aufbegehren muss."
Das sagt diesmal kein Regisseur auf der sich gerne politisch-ambitioniert verstehenden Berlinale, und Florian Ebner bleibt auch noch ein bisschen Zeit, diesen Satz in sinnliche Bilder zu packen. Ebner gestaltet den deutschen Pavillon der Kunstbiennale in Venedig, die beginnt im Mai, wirft aber in der WELT wie in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ihre Schatten voraus.
Florian Ebner ist der erste Fotografiespezialist, der den deutschen Pavillon kuratiert, und Christiane Hoffmanns beginnt ihr Interview in der WELT gar nicht nett, wenn sie ihm gleich zu Anfang den berühmten Satz von Martin Kippenberger und Albert Oehlen serviert, wonach die Fotografie der Gott unter den Langweilern sei, was Biennale-Kurator Florian Ebner naturgemäß ganz anders sieht.
Er setzt auf Fotokunst, die Deutschland im globalen Austausch mit der Welt zeigen möchte, spricht in der SÜDDEUTSCHEN vom "Nachdenken über die Zirkulation der Bilder" und davon, wie gespannt er auf Film- und Fotoarbeiten seiner ausgewählten Künstler ist, die etwa eine schicke Kairoer Dachterrasse mit entlassenen Fabrikarbeitern bevölkern, um dort die Herrschaftsverhältnisse in Ägypten nachzuspielen. Das klingt so apart wie naturgemäß noch etwas unfertig.
Aber wenn der deutsche Pavillon in Venedig sich den Titel des Films von Wim Wenders geben würde, den die Berlinale zeigt, nämlich "Every Thing will be fine" – dann wären doch auch wieder alle sauer, oder?
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