Berlin-Visite

    Atemberaubende Preisträgerin

    Aung San Suu Kyi und Sigmar Gabriel
    Aung San Suu Kyi und Sigmar Gabriel im Willy-Brandt-Haus in Berlin © dpa / picture alliance / Daniel Naupold
    11.04.2014
    Am dritten Tag ihrer Deutschlandreise hat Myanmars Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi den Willy-Brandt-Preis der SPD erhalten. Zuvor lauschte sie im Reichstag der Haushaltsdebatte.
    Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi hat für ihren Einsatz für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte in ihrem Heimatland Myanmar den Willy-Brandt-Preis erhalten. Wie der Altkanzler Willy Brandt habe sie Verfolgung und Unterdrückung kennengelernt, sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel am Freitag in Berlin. "So wie er haben Sie diesem Druck der Verfolgung widerstanden, so wie er kämpfen Sie für Freiheit in Demokratie."
    Die 68 Jahre alte Oppositionspolitikerin musste während der Militärdiktatur in Myanmar (ehemals Birma) viele Jahre unter Hausarrest leben. 1991 erhielt sie den Friedensnobelpreis.
    Gabriel sagte, es verschlage einem fast den Atem, wenn Suu Kyi über ihre Zeit im Arrest berichte. Es lasse erahnen, "welch ungeheure Kraft in Ihnen steckt", sagte er an Suu Kyi gerichtet, die er vor der Preisvergabe zu einem Gespräch getroffen hatte.
    Seit Mittwoch ist Suu Kyi auf Deutschlandreise. Sie traf unter anderem am Donnerstag Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Am Freitag Vormittag besuchte sie eine Plenarsitzung im Bundestag. Vizepräsidentin Claudia Roth begrüßte die 68-Jährige zu Beginn der Debatte über den Verkehrsetat auf der Tribüne. Sie hob den Mut, die Geradlinigkeit und die Kraft Suu Kyis hervor, weltweit für Freiheit und Demokratie einzutreten. Roth wünschte der Oppositionspolitikerin Erfolg für ihr "weiteres parlamentarisches Wirken".
    Für weite Teile der westlichen Welt sei Aung San Suu Kyi die einzige Projektionsfläche und der einzige Gradmesser für den Übergang zur Demokratie in Myanmar, sagte die in Bangkok lebende Südostasien-Korrespondentin Nicola Glass im Deutschlandradio Kultur. Doch in ihrer Heimat werde sie in kritischen Medien viel differenzierter betrachtet.
    Aung San Suu Kyi und Norbert Lammert
    Die birmanische Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi und Bundestagspräsident Norbert Lammert© dpa / picture alliance / Jörg Carstensen
    Suu Kyi stand über 14 Jahre unter Hausarrest. Als sie sich 1989 in Rangun aufhält, um ihre kranke Mutter zu pflegen, erlebt sie, wie das Militär gewaltsam gegen Massendemonstrationen vorgeht und Tausende tötet. Sie gründet daraufhin die "Nationale Liga für Demokratie" (NLD) und wird deren Generalsekretärin. Mit der NLD gewinnt sie die Parlamentswahlen 1990 haushoch, doch die Militärjunta erkennt das Wahlergebnis nicht an und stellt sie unter Hausarrest.
    Für ihren gewaltlosen Kampf für Freiheit und Demokratie erhält sie 1991 den Friedensnobelpreis, kann diesen aber nicht persönlich entgegennehmen, da sie nicht ausreisen darf. Der Hausarrest hat für sie auch tragische persönliche Folgen: Ihr Mann, der britische Tibetologe Michael Aris, durfte auch im Endstadium seines Krebsleidens nicht einreisen, so dass er 1999 starb, ohne seine Frau noch einmal gesehen zu haben.
    In den Niederungen der Realpolitik
    Trotzdem lässt sie sich nicht mundtot machen und kämpft weiter für Demokratie, weshalb sie von den Menschen in ihrer Heimat verehrt wird. Hinzu kommt, dass sie als Tochter des Unabhängigkeitskämpfers General Aung San ohnehin schon hohen Respekt unter ihren Landsleuten genoss.
    2011 löst sich die Junta auf und verspricht eine langsame Demokratisierung des Landes, doch die NLD wird bei den Parlamentswahlen zunächst nicht zugelassen. Bei einer Nachwahl 2012 erringt die Partei jedoch einige Sitze, wodurch auch Suu Kyi ins Parlament rückt, nachdem im November 2010 ihr Hausarrest aufgehoben wurde.
    Seitdem ist Suu Kyi in den Niederungen der Realpolitik angekommen. Kritiker werfen ihr vor, sie arrangiere sich mit den Militärs, damit sie 2015 an den Präsidentschaftswahlen teilnehmen kann. Dazu müsste aber die Verfassung geändert werden.
    Menschenrechtsgruppen wie die Gesellschaft für bedrohte Völker kritisieren, dass sie sich in den Konflikt zwischen radikalen Buddhisten und der Minderheit der muslimischen Rohingya nicht genügend einschalte. Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen sind vor zwei Jahren bis zu 200 Menschen getötet worden, 140.000 Menschen wurden obdachlos.
    Sie halte sich deshalb zurück, um es sich mit der Mehrheit der Buddhisten im Land nicht zu verderben, sagte Asien-Korrespondent Udo Schmidt im Deutschlandradio Kultur.
    Programmtipp: Die "Ortszeit"-Sendung um 17.05 Uhr berichtet über den Besuch von Aung San Suu Kyi in Berlin.
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