Berlin

Ferienschule für Flüchtlingskinder

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Zu Besuch in einer Ferienschule für Flüchtlinge in Berlin. © Deutschlandradio - Claudia van Laak
Von Claudia van Laak  · 10.08.2015
Das Land Berlin bietet in den Sommerferien 600 Flüchtlingskindern die Möglichkeit, eine Sommerschule zu besuchen. Hier haben sie die Möglichkeit, Deutsch zu lernen.
"Schau mal, ich frage Osman: Osman, wie geht es Dir. Ich frage Dich, ich frage mich, sie fragt sich. Sie fragt nicht Osman, sie fragt sich."
Sechs dunkle Augenpaare fixieren eine lebhafte kleine blonde Frau, die eindringlich auf sie einspricht, ihre Sätze mit großen Gesten begleitet. Deutschlehrerin Caroline Schnapp verteilt kopierte Zettel an Nare, Nour, Osman, Sherfan, Jamal und Alan.
"Hier sind die Probleme. Erst mal hast Du ein Problem, danach, Du gibst einen Rat und wir tauschen."
"Ich kann schlecht einschlafen, was kann ich machen. Ich verstehe nicht. Schau mal. Das ist jetzt nicht wichtig. Das ist später. Jetzt hat Nare ein Problem und Du überlegst: Was kann sie machen."
Am Tisch nebenan sitzen die Flüchtlingskinder, die gerade erst nach Berlin gekommen sind. Sie beugen sich über quietschbunte Werbeprospekte, üben erste Zahlen. Was kostet der Liter Cola? Und die Flasche Ketchup?
"Ein Liter. Ein Liter, eine Flasche. Ein Liter kostet 3 Euro 47 Cent. Eine Flasche, 1 Euro 49."
Theatersaal als Klassenzimmer
Der Theatersaal des Berliner Jugendkulturzentrums "Pumpe" dient vier Wochen lang als Klassenzimmer – 20 Jugendliche aus drei Kontinenten schwitzen über Dativ und Akkusativ, plagen sich mit unregelmäßigen Verben und einer völlig neuen Schrift.
"Die Sprache ein bisschen schwierig, aber man muss lernen. Weil, wenn Du weißt nicht die Sprache, die deutsche Sprache, Du kannst gar nichts machen, wenn Du hast ein Problem."
Der 16-jährige Syrer Alan Hussein lächelt schüchtern. Seine Familie - Vater, Mutter, zwei Geschwister - lebt in einem Flüchtlingslager in der Türkei, erzählt Alan. Er selber ist alleine nach Berlin geflohen, wohnt jetzt gemeinsam mit anderen minderjährigen Asylbewerbern in einem Haus. Ich langweile mich total, sagt Alan, besonders am Wochenende:
"Samstag und Sonntag, weil ich habe keine Freunde hier noch. Ich bin immer zuhause, das ist langweilig. Das ist gut hier, wir kommen hier und machen Spaß."
Mittagspause im Hof. Osman und Sherfan dreschen auf einen Fußball ein, Nour kurvt langsam und schwankend mit einem Fahrrad über das Kopfsteinpflaster – erst hier in Berlin hat die Syrerin mit dem schwarz-weiß gemusterten Kopftuch das Fahrradfahren gelernt. Alan zeigt die Werkstatt.
Im Hof stehen schrottreife, verrostete Fahrräder, einzelne Gabeln, Lenker, Räder lehnen an der Mauer. Hassan und Sherfan versuchen, das Licht an einem blauen Mountainbike in Gang zu bringen. Alan greift zur Schleifmaschine, entfernt den Rost vom Lenker.
"Das war alles kaputt, ich habe alles repariert und neu gemacht."
Die Kinder können sich ein Fahrrad zusammenbauen
Seine Stimme klingt stolz. Alle 20 Flüchtlingskinder können sich im Laufe der vier Wochen dauernden Ferienschule ein Fahrrad zusammenbauen und es dann mitnehmen. Lehrerin Caroline Schnapp macht es noch einmal ganz deutlich, zeigt mit dem Finger auf das Fahrrad, an dem Hassan gerade die Luft aufpumpt.
"Das Fahrrad ist für Dich. Du kannst es mit nachhause nehmen. Oh, Dankeschön. Ein Geschenk. Danke. Ich kann nehmen. Aber Papiere, Papiere für Polizist."
Papiere – dieses deutsche Wort hat Hassan als erstes gelernt. Er ist schon mehrmals von der Polizei angehalten und überprüft worden. Das Fahrrad will er nur mitnehmen, wenn er eine Bescheinigung erhält, dass es ihm gehört.
"Wenn die Polizei sie aufhält. Genau. Und fragt, wo hast Du das Fahrrad her, dass sie einfach eine Bescheinigung haben. Sie werden oft verdächtigt. Deswegen werden wir für alle einen Zettel ausschreiben, dann kommt die Rahmennummer drauf. Es gibt für alle Lichter, es gibt für alle Schlösser, damit sie einfach sicher unterwegs sind auch."
Vormittags Unterricht, nachmittags in der Fahrradwerkstatt arbeiten oder für eine Theateraufführung üben. Sherfan – ein Kurde aus Syrien - sitzt im Schatten unter der Linde und trainiert seinen Text, den er zum Thema "Heimat" geschrieben hat.
"Ich wünsche mir ein ver-, ein ver,-. Streich das noch mal durch, ich wünsche mir ein vereintes."
"Ich möchte in meine, meinem, meinem, ja super, in meinem Land in Sicherheit leben."
Ein vereintes Kurdistan wünscht sich Sherfan – und dass er bald zurückkehren kann in seine Heimat.
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