Bericht aus dem Reich der Toten
Vertuschte Morde oder tödliche Behandlungsfehler bleiben unerkannt, wenn nicht obduziert wird. In diesem Buch erfährt man, was die Pathologie alles zu leisten vermag und registriert schockiert: Nicht jeder friedliche Tote starb „einfach so“.
Der Fall schien klar: Seine 34-jährige Ehefrau sei die Treppe hinuntergefallen und noch vor Ort ihren Verletzungen erlegen. Seine Wiederbelebungsversuche, so der Ehemann, der von Beruf Anästhesist ist, seien vergeblich gewesen. Die Obduktion ergab aber ein vollkommen anderes Bild: Die Frau konnte nicht gestürzt sein. Es fehlten die üblichen Schädel-Hirn-Verletzungen. Die sich anschließende Ermittlung ergab, dass ein Narkosemittel aus dem Arztkoffers des Ehemanns fehlte. Kurz: er hatte seine Frau getötet. Ohne Obduktion wäre der Mann straffrei durchgekommen.
Der Mord des Anästhesisten ist nur eines von vielen Tötungsdelikten, die der Rechtsmediziner Burkhard Madea detailliert in seinem Buch beschreibt. Traue nie dem ersten Eindruck, das ist die klare Botschaft dieser 300 Seiten. Sachkundig erläutert der Rechtmediziner die zahlreichen Ermittlungsmethoden seiner Zunft, entführt in Labore, die ein Laie selten betritt. Allein das ist spannend, wird doch schnell klar, dass die Realität sehr viel komplexer und die Aufklärung von Verbrechen meist viel schwieriger ist, als in den meisten Fernsehserien dargestellt.
Aber „Von den Maden zum Möder“ ist mehr: Es ist der spannende Gesellschaftsreport über die dunklen Seiten unserer Gesellschaft. So ist etwa die Statistik über ungeklärte Todesfälle älterer Menschen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen seit den 1970er-Jahren dramatisch angestiegen. Besonders die Beispiele aus der ambulanten Pflege gehen beim Lesen nahe. Etwa der Fall der Pflegerin, die über Jahre mehr als 50 alte und hilfebedürftige Menschen bewusst falsch versorgt hat, sie also zu Tode gepflegt hat, um sich an ihnen zu bereichern.
Ohne eine zufällige Obduktion eines der Opfer wäre auch dieses Verbrechen unerkannt geblieben. Ein Misstand, den Madea mit seinem Buch öffentlich anprangert. Zu Recht gehört dieses Kapitel zu den wichtigsten in diesem Buch.
Wie auch das Thema Behandlungsfehler. Auch hier kritisiert der Autor die fehlenden Obduktionsverfahren in deutschen Kliniken, spricht von Vertuschung und zahlreichen ungeklärten Todesfällen. Würden Rechtsmediziner häufiger verstorbene Patienten sezieren, gäbe es weniger Behandlungsfehler, schreibt Madea. Die Berichte über HNO-Ärzte, die die Hautschlagader am Hals nicht erkennen und durchschneiden oder die Chirurgen, die die Speiseröhre für eine Wucherung halten und während einer Operation entfernen, sprechen für sich.
Man kann Burkhard Madea im wohlgemeinten Sinne einen Überzeugungstäter nennen. Er kämpft für ein Fach, dessen hohe gesellschaftliche Relevanz oft unterschätzt wird. Deutschlandweit werden immer mehr Rechtmedizinische Institute aus Kostengründen geschlossen. Tote, so Madeas indirekte Anklage, haben keine Lobby. Sollten sie aber. Zumal die Rechtsmedizin nicht nur bei der Aufklärung von Morden und Fehlbehandlungen hilft, sondern darüber hinaus in zahlreichen anderen Gebieten tätig ist – etwa bei archäologischen Grabungen.
Besprochen von Susanne Nessler
Burkhard Madea (Hg.): Von den Maden zum Mörder. Die vielfältigen Ermittlungsmethoden der Rechtsmedizin
Militzke Verlag, Leipzig 2010
304 Seiten, 19,90 Euro
Der Mord des Anästhesisten ist nur eines von vielen Tötungsdelikten, die der Rechtsmediziner Burkhard Madea detailliert in seinem Buch beschreibt. Traue nie dem ersten Eindruck, das ist die klare Botschaft dieser 300 Seiten. Sachkundig erläutert der Rechtmediziner die zahlreichen Ermittlungsmethoden seiner Zunft, entführt in Labore, die ein Laie selten betritt. Allein das ist spannend, wird doch schnell klar, dass die Realität sehr viel komplexer und die Aufklärung von Verbrechen meist viel schwieriger ist, als in den meisten Fernsehserien dargestellt.
Aber „Von den Maden zum Möder“ ist mehr: Es ist der spannende Gesellschaftsreport über die dunklen Seiten unserer Gesellschaft. So ist etwa die Statistik über ungeklärte Todesfälle älterer Menschen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen seit den 1970er-Jahren dramatisch angestiegen. Besonders die Beispiele aus der ambulanten Pflege gehen beim Lesen nahe. Etwa der Fall der Pflegerin, die über Jahre mehr als 50 alte und hilfebedürftige Menschen bewusst falsch versorgt hat, sie also zu Tode gepflegt hat, um sich an ihnen zu bereichern.
Ohne eine zufällige Obduktion eines der Opfer wäre auch dieses Verbrechen unerkannt geblieben. Ein Misstand, den Madea mit seinem Buch öffentlich anprangert. Zu Recht gehört dieses Kapitel zu den wichtigsten in diesem Buch.
Wie auch das Thema Behandlungsfehler. Auch hier kritisiert der Autor die fehlenden Obduktionsverfahren in deutschen Kliniken, spricht von Vertuschung und zahlreichen ungeklärten Todesfällen. Würden Rechtsmediziner häufiger verstorbene Patienten sezieren, gäbe es weniger Behandlungsfehler, schreibt Madea. Die Berichte über HNO-Ärzte, die die Hautschlagader am Hals nicht erkennen und durchschneiden oder die Chirurgen, die die Speiseröhre für eine Wucherung halten und während einer Operation entfernen, sprechen für sich.
Man kann Burkhard Madea im wohlgemeinten Sinne einen Überzeugungstäter nennen. Er kämpft für ein Fach, dessen hohe gesellschaftliche Relevanz oft unterschätzt wird. Deutschlandweit werden immer mehr Rechtmedizinische Institute aus Kostengründen geschlossen. Tote, so Madeas indirekte Anklage, haben keine Lobby. Sollten sie aber. Zumal die Rechtsmedizin nicht nur bei der Aufklärung von Morden und Fehlbehandlungen hilft, sondern darüber hinaus in zahlreichen anderen Gebieten tätig ist – etwa bei archäologischen Grabungen.
Besprochen von Susanne Nessler
Burkhard Madea (Hg.): Von den Maden zum Mörder. Die vielfältigen Ermittlungsmethoden der Rechtsmedizin
Militzke Verlag, Leipzig 2010
304 Seiten, 19,90 Euro