Jetzt habe ich noch die Möglichkeit, heilige Berge zu besteigen, nicht die höchsten, nicht die schwierigsten, aber es gibt noch viele, die ich auf dem Wunschzettel habe. Die meisten von ihnen liegen in der ‚Dritten Welt‘. Das lohnt sich zwar nicht, hinaufzusteigen in meinem Alter, aber es befriedigt meine Lebensfreude.
Reinhold Messner wird 80
Reinhold Messner hat mehr als 100 Expeditionen unternommen. © Ernst Vogt
Bergsteiger, Polwanderer, Impulsgeber
07:54 Minuten
Reinhold Messner gilt als der bekannteste Bergsteiger der Welt. Immer wieder hat er Grenzen im Alpinismus verschoben. So hat er als Erster den Mount Everest ohne Sauerstoffflasche bestiegen – und alle 14 Achttausender in Serie.
"Ich schaue schon mehr voraus als zurück und kann damit umgehen, dass das Leben schwieriger wird. Ich hatte das große Glück, dass ich es überlebt habe.“
Messners Pläne mit seinem Start-up
Überlebt - das steht in großen Lettern über seinem an Abenteuern reichem Leben. Zur Ruhe setzen wird sich Reinhold Messner nicht. Er hat noch Pläne als Gestalter mit seinem Start-up Messner Mountain Heritage und als Bergsteiger.
Für die Grünen war er im Euroäischen Parlament
Mehr als 100 Expeditionen hat der Südtiroler gemacht, Dutzende von Erstbegehungen stehen in seinem Tourenbuch. Seine Erlebnisse und Gedanken hat er in rund 50 Büchern veröffentlicht.
Als parteiloser Kandidat wurde er 1999 für die italienischen Grünen ins Europäische Parlament gewählt. Und anschließend baute und gestaltete er eine Ausstellung mit sechs Museen in Südtirol und im Belluno, um das kulturelle Erbe des Alpinismus zu bewahren.
Zu sehen sind unter anderem Bilder von renommierten Bergmalern wie Edward Theodore Compton sowie historische Ausrüstung wie das Zelt von der Eiger-Nordwand-Erstbegehung von 1938 oder der Schlitten von Messners Antarktis-Durchquerung.
Namhafte Vertreter der alpinen Szene wie Extremkletterer Alexander Huber, Everest-Besteiger Bernd Kullmann und Bergführer Günther Härter sehen Reinhold Messner als Pionier, Vorreiter und Impulsgeber.
Alexander Huber: „Er ist einfach eine Ausnahmeerscheinung, weil er mehr als einmal bereit war, über die Grenzen des bis zu dem Zeitpunkt Möglichen hinauszugehen.“
Wenn er Fußballer geworden wäre, dann wäre er wahrscheinlich ein zweiter Beckenbauer geworden.
Günther Härter: „Als Bergsteiger ist er für mich ein Komet, der Ende der 60er-Jahre auf einmal am Bergsteigerhimmel erschienen ist und bis heute strahlt.“
Die nachhaltigsten Spuren hat Reinhold Messner in den Dolomiten, seinen Heimatbergen, hinterlassen. Der Höhepunkt war eine Route am Mittelpfeiler des Heiligkreuzkofel, seine mit Abstand schwierigste Kletterei.
Die nachhaltigsten Spuren hat Reinhold Messner in den Dolomiten, seinen Heimatbergen, hinterlassen. Der Höhepunkt war eine Route am Mittelpfeiler des Heiligkreuzkofel, seine mit Abstand schwierigste Kletterei.
Seine erste Expedition war eine Tragödie
Seine erste Expedition führte ihn 1970 zum Nanga Parbat nach Pakistan. Eine Tragödie. Sein Bruder Günther stirbt beim Abstieg, Reinhold Messner überlebt nur knapp. Wegen Erfrierungen müssen ihm sieben Zehen amputiert werden.
Ans Aufhören denkt er schon damals nicht. Die Achttausender werden sein Ziel. Der Südtiroler kreiert einen neuen Stil: kleine, finanzierbare Expeditionen - zum Beispiel den Mount Everest mit Bergpartner Peter Habeler ohne Sauerstoffmaske zu besteigen.
Beim Everest ohne Maske haben die Wissenschaftler und die Fachleute gesagt: ‚unmöglich, sicherer Tod‘. Wir haben uns gesagt: Wir versuchen es trotzdem - und dann haben Peter und ich eben abgehoben.
Messners "Zeitenwende" im Bergsteigen
Abgehoben im übertragenen Sinne, in eine neue Ära des Höhenbergsteigens – oder wie Bernd Kullmann sagt, der 1978 wenige Monate nach Messner am 8848 Meter hohen Everest-Gipfel stand: „Messner-Style eben. Von daher hat er schon eine Zeitenwende im gesamten Bergsteigen eingeleitet.“
Viele Mediziner und Fachleute hatten das Vorhaben, den Mount Everest ohne Flaschensauerstoff zu besteigen, als selbstmörderisch bezeichnet. Nachdem Reinhold Messner bewiesen hatte, dass er dieses Abenteuer überlebte, setzte er 1980 das i-Tüpfelchen auf seine Laufbahn als Höhenbergsteiger: den Mount Everest im Alleingang. Damals eine sehr einsame Angelegenheit. Kein Mensch auf seiner Route von Tibet aus - und dann:
Günther Härter: „Reinhold Messner hatte dort einen Spaltensturz, ist unerwartet in eine Gletscherspalte eingebrochen und hat den Sturz überlebt, hat sich selbst wieder aus der Spalte herausgearbeitet.“
Messners "Nahtod-Erlebnis"
Seinen schlimmsten Moment – so sagt er selbst – hatte er am Nanga Parbat gehabt. „In der Merkl-Scharte hatte ich ein Nahtod-Erlebnis. Da hätte ich auch liegen bleiben können, aber ich bin wieder aufgestanden.“
Tragödien und Triumphe, Niederlagen und Erfolge machen Messners Leben zu einer besonderen Erzählung. Vor allem auch, weil er immer wieder das Fach gewechselt hat, sobald er etwas beherrscht hat. Nach der Serie aller Achttausender widmete er sich den Wüsten, die er durchquerte - von der Gobi bis zur Eiswüste der Antarktis, zusammen mit Arved Fuchs 2.800 Kilometer zu Fuß.
„Es ist höllisch anstrengend, einen Schlitten mit 150 Kilo über diesen stumpfen Schnee - es ist sehr kalt und 40 Grad minus keine Seltenheit - zu ziehen.“
"Er ist einfach ein kreativer Geist"
Ein Grenzgang am Rande des Ertragbaren. In seinem jüngsten Buch schreibt Messner von Gegenwind und Widerständen, die er zu überwinden hatte, um in neue Freiräume zu kommen. Es ist dieser mehrfach praktizierte „Aufbruch ins Ungewisse“, den renommierte Kletterer an dem Südtiroler Pionier so schätzen.
Alexander Huber: „Dass er, solange er aktiv ist, immer wieder bereit ist, etwas Neues zu kreieren. Er ist einfach ein kreativer Geist.“
Günther Härter: „Er hat allerdings genau gewusst, wie weit darf er gehen, um zu überleben und wann ist der Punkt, wo man umdrehen muss.“
Kurz vor seinem 80. Geburtstag sagt Messner: Mein Bergsteigen soll nicht als Vorbild gelten für andere Leute.
Seine Philosophie: „Wir gehen gegen jede Vernunft dorthin, wo wir umkommen könnten, um nicht umzukommen. Und nur weil wir umkommen könnten, ist dieses Spiel eine Kunst.“
Nämlich die Kunst zu überleben.