Beratungen über Rüstungskontrolle

UN will Wettrüsten im Weltall verhindern

09:19 Minuten
Sie sehen Raumschiffe im Weltall.
Wird das Weltall in der Zukunft zum Schlachtfeld? © dpa / AP / Industrial Light & Magic/Lucasfilm
Götz Neuneck im Gespräch mit Dieter Kassel · 18.03.2019
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Bisher ist es nur Science-Fiction: Ein Krieg im Weltall wird aber zunehmend realer, weil dort einige Staaten offenbar gezielt aufrüsten. Warum eine internationale Konferenz nun nach Auswegen sucht, erklärt der Friedensforscher Götz Neuneck.
Die Einrichtung militärischer Stützpunkte, das Erproben von Waffen und militärische Übungen sind verboten. Das und mehr steht im sogenannten Weltraumvertrag, der bereits 1967 abgeschlossen und von mehr als 100 Staaten unterzeichnet wurde. Trotzdem befürchten die Vereinten Nationen ein Wettrüsten im Weltall. Experten aus 25 Ländern beraten nun deshalb in Genf über Maßnahmen, wie sich die Militarisierung des Weltalls verhindern lässt.

Für Trump ein "Schlachtfeld der Zukunft"

Dass die Suche nach neuen Verträgen und Regelungen erforderlich ist, glaubt auch der Physiker Götz Neuneck. "Das liegt in erster Linie an der Rhetorik, die aus einzelnen Staaten kommt", sagte der stellvertretende wissenschaftliche Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg im Deutschlandfunk Kultur.
US-Präsident Donald Trump habe den Weltraum zuletzt als "Schlachtfeld der Zukunft" bezeichnet – "und das ist meistens ein Signal dafür, dass man neue Systeme entwickelt". Bisherige Versuche, das zu verhindern, hätten nicht erreichen können, dass eine derartige Rhetorik und auch entsprechende Tests im All aufhörten.

Zerstörung von Satelliten und Cyber-Angriffe

Neuneck zufolge gibt es destruktive sowie nicht-destruktive Rüstungsmöglichkeiten: "Destruktiv wäre, wenn man einen Satelliten kollidieren lässt mit einem anderen Satelliten oder gar eine Sprengladung in die Nähe eines Satelliten bringt. Nicht-destruktiv wäre, indem man Laserstrahlen benutzt oder Cyber-Angriffe oder elektromagnetische Interferenzen, um die Kommunikation eines Satelliten zu zerstören."
Forschungen und Tests in diese Richtung gebe es seit dem Kalten Krieg. Beim derzeitigen Wettrüsten bleibe die Frage: "Was ist da genau geplant? Und da ist natürlich vieles im Geheimen", so der Physiker.
(kü)

Das Interview im Wortlaut:

Dieter Kassel: Die Einrichtung militärischer Stützpunkte, das Erproben von Waffen aller Art und das Durchführen militärischer Übungen sind verboten. Die Unterzeichner verpflichten sich, keine Kern- oder andere Massenvernichtungswaffen im Weltall zu stationieren. Das und mehr steht im sogenannten Weltraumvertrag, der bereits 1967 beschlossen und inzwischen von über 100 Staaten unterzeichnet wurde.
Trotzdem befürchten die Vereinten Nationen ein Wettrüsten im All, und deshalb findet heute eine internationale Konferenz mit Experten aus diversen Ländern zu diesem Thema statt in Genf. Ein Thema, über das ich mit Professor Götz Neuneck gesprochen habe, dem stellvertretenden wissenschaftlichen Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg, und ich habe ihn gefragt, warum wir überhaupt neue Regelungen und Verträge brauchen.
Götz Neuneck: Nun, es liegt in erster Linie an der Rhetorik, die aus einzelnen Staaten kommen. Trump hat in seinem neuesten Dokument der Missile Defence Review angekündigt, dass der Weltraum ein Schlachtfeld der Zukunft ist, und das ist immer meistens das Signal dafür, dass man neue Systeme entwickelt. Das ist das, was man eigentlich seit langer Zeit versucht zu verhindern. Es hat aber immer wieder rechtliche Anläufe gegeben, auf internationaler Ebene Vertragsvorschläge gegeben, und diese haben allerdings nicht so weit geführt, dass diese Rhetorik aufhört und dass technische Entwicklungen, auch Tests weiter betrieben werden.

Sowohl destruktive, als auch nicht-destruktive Möglichkeiten

Kassel: Krieg im Weltall ist natürlich, glaube ich, für die meisten Menschen eher ein Science-Fiction-Thema. Wie realistisch ist denn Aufrüstung im Weltraum, vor allen Dingen, über was für Aufrüstung sprechen wir denn?
Neuneck: Da gibt es sowohl destruktive Möglichkeiten, die also zerstören, als auch nicht-destruktive Möglichkeiten. Destruktiv wäre, wenn man einen Satelliten kollidieren lässt mit einem anderen Satelliten oder gar eine Sprengladung in die Nähe eines Satelliten bringt. Nicht-destruktiv wäre, indem man Laserstrahlen benutzt oder Cyberangriffe oder elektromagnetische Interferenzen, um die Kommunikation eines Satelliten zu zerstören. Diese Forschungen hat es immer gegeben dafür. Es hat auch Tests gegeben.
Die Raketenabwehr, die ja von der Erde aus startet, also Raketen, die quasi in den Weltraum fliegen und dann Satelliten zerstören, hat es bereits gegeben sowohl während des Kalten Krieges als auch durch China im Jahre 2007, und auch die Amerikaner haben gezeigt, dass sie mittels ihres schiffgestützen Raketenabwehrprogramms einen Satelliten, aber immer eigene, zerstören können. Das heißt, im Grunde genommen gibt es verschiedene Methoden, und wenn es um den Begriff Wettrüsten geht, bleibt die Frage: Was ist da genau geplant? Und da ist natürlich vieles im Geheimen.

Entwicklungen sind geplant

Kassel: Aber reden wir, so wie Sie das, wenn ich Sie richtig verstehe, gerade getan haben, reden wir ausschließlich von Waffen, die sich, sei es nun aus dem All oder von der Erde aus, gegen Ziele im Weltall richten, oder sind auch schon Waffensysteme denkbar, die sich vom All aus gegen Ziele auf der Erde richten?
Neuneck: In gewisser Weise ist in der Tat auch das natürlich schon Realität in dem Sinne, dass GPS natürlich Signale nutzt, die Waffensysteme auf der Erde steuern können. Da gibt es gar keine Frage. Allerdings Waffen, die im Weltraum stationiert sind, auf die Erde wirken können, die gibt es im Augenblick noch nicht, aber es gibt Entwicklungen, gemeinhin unter dem Label Hyperschallflugkörper, die man in den Weltraum schießt und die nach einer gewissen Zeit wieder auf der Erde zu einem Ziel manövrieren, diese Entwicklungen sind geplant, die nutzen den Weltraum partiell.
Satelliten, die im Weltraum kreisen und dann auf der Erde Ziele treffen können, gibt es eigentlich in der Form bisher noch nicht, und diejenigen, die einen Vertrag im Visier haben, argumentieren seit Langem – viele Wissenschaftler tun das –, dass man so etwas auch in Zukunft verhindern soll, also präventiv diese Entwicklungen gar nicht erst zulassen lässt. Ob das so erfolgreich war, das ist natürlich die Frage.
Kassel: Nun haben Sie von den Supermächten gesprochen, da ist ja im Moment immer nicht so ganz klar, welche da sind. Die USA sicherlich, Donald Trump – Sie haben seine Rhetorik schon erwähnt –, er hat ja auch die Einrichtung einer Space Force sogar angekündigt vor nicht zu langer Zeit, aber welchen anderen Ländern kann man denn mit einem gewissen Realismus unterstellen, dass sie Vergleichbares planen?
Neuneck: Es gibt ja nicht so viele Staaten, zehn bis zwölf, vierzehn, die überhaupt mittels Raketen in den Weltraum hineinkommen. Welche Entwicklungen sie dort forcieren und zu welchem Zweck, entzieht sich natürlich unserer Kenntnis, aber ganz klar: Russland seit Langem, China seit Kurzem haben umfangreiche Raumfahrtprogramme und Satellitenprogramme, und die USA sagen unverhohlen: Die planen Entwicklungen. Aber das sind im Wesentlichen die Staaten.
Die Europäische Union betreibt ja auch ein ziviles Weltraumprogramm, auch Raumfahrt zusammen tut man in der internationalen Raumstation. Man hat eher versucht, hier eine Lösung vorzuschlagen, einen sogenannten Code of Conduct, in dem versucht wird, solche gefährlichen Entwicklungen zu unterbinden, aber auch dieser sogenannte Code of Conduct war bisher nicht vollständig erfolgreich und wurde kritisiert als nicht gesetzlich bindend. Das ist eigentlich die Aufgabe der UN-Regierungsexperten, Regelungen auszuarbeiten, die vertraglich, juristisch wasserdicht festliegen und die dann auch verifiziert werden können, was bei Rüstungskontrolle natürlich immer auch ein großes Problem ist.

Vertrauensbildung zwischen USA und Russland ist negativ

Kassel: Mich erinnert das ein bisschen, was Sie gerade erzählt haben über Russland, China und natürlich auch die USA, an das Ende des INF-Vertrags. Da hatten wir ja auch lange Zeit die Situation, dass die eine Seite gesagt hat, wir wollen uns eigentlich daran halten, aber sehen keinen Grund mehr dafür, weil die andere Seite es ja schon nicht mehr tut, was bestritten wurde. Also werfen sich schon jetzt auch im Weltraum die Nationen gegenseitig vor, ihr habt ja schon damit angefangen?
Neuneck: Der INF-Vertrag ist ja sehr erfolgreich über 30 Jahre entwickelt worden und hat zur Zerstörung von 2.700 Raketen geführt und noch viel mehr Sprengköpfen an Bord dieser Raketen. Die jetzigen Vertragsverletzungen sind ein Problem, aber nicht so schwerwiegend, dass man sie nicht ausräumen kann. Das Problem ist, dass die USA und Russland das nicht tun. Die Vertrauensbildung zwischen den USA und Russland ist sehr negativ. Man ist auch gar nicht mehr zu irgendeiner Form von Kooperation bereit.
Da ist natürlich die Hoffnung, dass in Genf die Gruppe trotzdem Regelungen ausarbeitet. Man muss auch unterstreichen, dass Russland und China 2008 und dann später auch noch mal in neuerer Form einen Vertrag vorgelegt haben. Also Russland und China sagen ganz explizit: Wir wollen einen Vertrag zur Begrenzung von Wettrüsten im Weltraum haben. Abgelehnt haben das die USA und teilweise auch der Westen mit Argumenten wie: Es ist schwer zu definieren, es ist nicht klar, was eine Weltraumwaffe eigentlich ist, und Hintergrund: Na ja, Russland und China entwickeln ja selbst etwas, und wir haben nicht genügend Vertrauen darauf, dass sie solche Entwicklungen aufgeben. Das sind die Hauptargumente, und die machen es natürlich schwer, dann etwas auszuhandeln.

Es gibt ein Kooperationspotenzial

Kassel: Aber wie sind denn Ihrer Meinung nach die Aussichten, dass diese Expertentreffen am Ende, nicht unbedingt schon jetzt in Genf, aber auf die Dauer etwas aushandeln können, was dann wirklich die Politiker, die wirklich mächtigen, auch unterzeichnen?
Neuneck: Also eine Gruppe von Regierungsexperten gilt dann als erfolgreich, wenn sie einen Endbericht im Konsens abschließt, und das ist es. Das ist ja schon mal gemacht worden. 2011 bis 2013 hat es schon mal diese Gruppe gegeben, und die hat vertrauensbildende Maßnahmen ausgehandelt. Das tut man immer dann, wenn ein Vertrag nicht möglich ist. Man investiert in Vertrauensbildung und überlegt sich: Was kann man tun? – Also: Meldung von Satellitenstarts, gegenseitige Besuche et cetera. Das ist ja durchaus schon mal gelungen.
Also das heißt, im Grunde genommen gibt es ein Kooperationspotenzial, und wenn wir Glück haben, schafft es diese Gruppe in Genf auch jetzt wieder, ein Dokument auszuarbeiten, aber das wird sicherlich kein Vertrag sein, sondern höchstens eine Liste von möglichen juristischen Maßnahmen, die dann aber auch von den entscheidenden weltraumbetreibenden Nationen aufgegriffen werden muss und umgesetzt werden muss. Und da fängt das Problem an: Solange das nicht ein Rüstungskontrollvertrag ist, de alle Staaten, die wichtig sind, zeichnen, wird es da auch kaum zu einem unmittelbaren Verbot von Entwicklungen in dem Bereich konventioneller Waffen im Weltraum kommen.
Kassel: Das Gespräch zum Thema Wettrüsten im Weltraum mit Götz Neuneck vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg habe ich vor der Sendung aufgezeichnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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