Benutzerhandbuch für das Gehirn

13.04.2013
Das Gehirn kann viel mehr leisten, als ihm die meisten Menschen ihm abfordern. Wie das geht, erklären die zwei Autoren dieses Bandes, indem sie aktuelle neurowissenschaftliche Erkenntnisse systematisch auf ihre Alltagstauglichkeit abklopfen. Dennoch empfiehlt sich bei der Lektüre eine Portion Skepsis.
Um es gleich vorweg zu sagen, dieses Buch irritiert. Es verspricht nicht nur, den Weg zu weisen, um das eigene Gehirn zu einer Art "Super-Brain" zu entwickeln, mit dem man Alzheimer und Übergewicht vorbeugt, sondern es verspricht zugleich auch noch Erleuchtung. Ein grandioser Anspruch, an dem Deepak Chopra und Rudolph Tanzi einfach scheitern müssen. Und trotzdem liest man ihr Buch auch gerne, weil die Autoren aktuelle neurowissenschaftliche Erkenntnisse systematisch auf Alltagstauglichkeit abklopfen und so - zwischen all den großartigen Versprechen - immer wieder auch wertvolle Denkanstöße liefern.

Im Grunde wollen der Arzt und Meditationsexperte Chopra und der Alzheimerforscher Tanzi eine Art Benutzerhandbuch für das Gehirn liefern, damit der kreative Geist das bestmögliche aus seiner eigenen Hardware herausholen kann. "Indem Ihre Gedanken für neues neuronales Wachstum sorgen, verwandelt sich hier Geist in Materie." Über neue Gedanken lassen sich im Gehirn neue Fähigkeiten freischalten, so die Autoren. Gedächtniskünstler zeigen, dass sich die Merkfähigkeit durch Training extrem steigern lässt, es gibt Menschen, die Dutzende Sprachen fließend sprechen oder die Lähmung nach einem Schlaganfall komplett überwinden. Was belegt: Das Gehirn kann viel mehr leisten, als ihm die meisten Menschen ihm abfordern.

Entscheidend sei die Bereitschaft, eingefahrene Denkmuster zu verlassen, Beharrlichkeit und die Fähigkeit, ein Ziel konsequent, aber unverkrampft anzustreben. Dafür führen Chopra und Tanzi überzeugende Belege aus der Hirnforschung an. So ist inzwischen klar, dass erfolgreiches Lernen Begeisterung voraussetzt: Der Geist muss sozusagen vorangehen. Ihre Erkenntnisse wenden die Autoren in "Superhirn Lösungen" auf verbreitete Probleme wie das Thema "Abnehmen" an.

Abnehmen und Gedächtnistraining
Statt Kalorien zu zählen, sollten sich die Dicken bei jedem Griff in den Kühlschrank fragen, habe ich Hunger oder will ich ein anderes Gefühl befriedigen? Nach und nach werde das Gehirn so realisieren, dass der Griff zur Torte keine echte Befriedigung verschafft und nach anderen Lösungen suchen. Entscheidend für den Erfolg dieser Maßnahme ist, sich ein Ziel zu setzen und das neue Verhalten nicht zu erzwingen. Eine entspannte Haltung, die sich am besten über Meditationstechniken einüben lässt.

Beim Abnehmen oder auch für ein Gedächtnistraining ist das plausibel. Eine Liste mit Tipps zur Denkveränderung als Weg, die Präsenz des Göttlichen im Alltag zu erreichen, klingt dagegen etwas zu kurz gegriffen. Problematisch wird es aber dann, wenn Chopra und Tanzi über Krankheiten wie Depressionen schreiben. Hier ist gerade die umfassende Antriebsschwäche das zentrale Problem der Betroffenen, ihnen eine andere Geisteshaltung zu empfehlen, klingt da schon fast zynisch. Zudem schwingt auch eine unausgesprochene Schuldzuweisung mit. Nach dem Motto: Sie sind depressiv, eben weil ihr Geist sein Gehirn nicht richtig nutzt. Das ist ärgerlich!

Auch deshalb empfiehlt sich bei der Lektüre eine Portion Skepsis. Zwar finden sich neue Einsichten, die sich tatsächlich für das eigene Leben nutzbar sind, aber die umfassende Lösung für alle Probleme kann auch "Super-Brain" nicht bieten.

Besprochen von Volkart Wildermuth

Deepak Chopra/ Rudolph E. Tanzi: Super-Brain
Angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst Nymphenburger Verlag, München 2013
480 Seiten, 24,99 Euro
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