Ben Harper & Charlie Musslewhite: "No Mercy In This Land"

Eine erfolgreiche Blues-Symbiose

Ben Harper & Charlie Musselwhite stehen auf einer Brücke. Im Hintergrund ist eine Straße und ein Stadtrand vor Bergen zu erkennen.
Ben Harper & Charlie Musselwhite © DanMonick
Von Kerstin Poppendieck · 27.03.2018
Die Blues-Musiker Charlie Musselwhite und Ben Harper haben jeder für sich Geschichte geschrieben. Jetzt veröffentlichen sie ihr zweites gemeinsames Album. Für ihre Lieder schöpfen sie aus ihren Lebenserfahrungen - und verbinden diese mit politischen Anliegen.
"Wir haben beide unsere Leben dem Blues gewidmet. Blues als Musikgenre und Blues als Lebens-Philosophie", sagt Ben Harper über den besonderen Reiz, den die Beziehung zwischen ihm und Charlie Musselwhite ausmacht. Es scheint, als wären beide eine bemerkenswert erfolgreiche Symbiose eingegangen. Musselwhite hatte seine musikalische Hoch-Zeit in den 60ern als er aufgrund seines Mundharmonikaspiels einer der bedeutendsten Bluesmusiker war. In der jüngeren Vergangenheit spielte er im Musikgeschäft keine Rolle mehr.

Das änderte sich allerdings, als er Ben Harper traf, selbst leidenschaftlicher Bluesmusiker, der in Charlie Musselwhite die Chance sah, von ihm den traditionellen Blues zu lernen, wie er vor 60-Jahren gespielt wurden. Für ihr neues und zweites gemeinsames Album "No Mercy In This Land" haben sich Harper und Musselwhite vorgenommen, den doch etwas verstaubten Blues ins 21. Jahrhundert zu holen.
"Wenn man zum Beispiel die Memphis Jug Band hört, dann ist da nichts Elektrisches, sondern Instrumente wie Waschbrett und Kazoo. So war das in den 1920ern und 30ern. Das jetzt ist aber das 21. Jahrhundert. Deshalb hört man bei uns E-Gitarren, elektrischen Bass und Mundharmonika, die über den Verstärker läuft."

Besonderes Hörerlebnis

Es sind aber nicht nur die elektronischen Instrumente, die für Musselwhite und Harper Innovation in der Bluesmusik bedeuten. Es ist auch der Einsatz von Verstärkern, die Positionierung der Mikrofone und die Tatsache, dass die meisten Songs first Takes live eingespielt sind. So bahnbrechend anders klingt das allerdings nicht. Was tatsächlich auffällt, ist dass die Art der Produktion ein besonderes Hörerlebnis erzeugt.
Wenn Ben Harper beim Singen vom Mikrofon weggeht, als würde er auf die Finger an seiner Slide-Gitarre schauen, erzeugt das Dynamik und Lebendigkeit; oder wenn das Schlagzeug und der Bass so zusammenspielen, als würden sie eine heftige instrumentale Diskussion führen und man einfach im Takt mitgehen muss. Nicht neu, aber Musik, die man beim Hören tief empfindet.
Portrait von Ben Harper & Charlie Musselwhite mit Harp in der Hand
Die beiden Musiker Ben Harper & Charlie Musselwhite© DanMonick
Wie schon beim ersten gemeinsamen Album hat auch diesmal Ben Harper die Texte geschrieben. Harper ist bekannt für seine engagierten Texte, in denen er sich unter anderem mit politischen Themen wie Polizeigewalt und Rassendiskriminierung auseinandersetzt. Seine Idee diesmal: Die komplexe Geschichte der USA mit den Lebensläufen beider Musiker zu verknüpfen und mit Themen wie Verlust, Liebe, Glaube, Wut, Verzweiflung und Tod.

Was würde man Gott sagen?

Selbst ein eigentlich so kitschiges Thema wie der Valentinstag im Song "Found The One" wird durch die Kombination des Gesangs von Harper und Musselwhite, die markante Mundharmonika und eine zum Percussions-Instrument umfunktionierte Mülltonne zu einem sehr ungewöhnlichen, aber gelungenen Liebeslied. Der Titeltrack des Albums "No Mercy In This Land" ist Harpers Auseinandersetzung mit Flüchtlingen in den USA.

"'Was wäre das Erste, das du zu Gott sagen würdest?', heißt es in der ersten Zeile der Textes. Das ist nicht nur eine Frage, sondern auch eine Warnung. An mich genauso wie an den Zuhörer. Und dann ist es ein Gedankenspiel. Wenn man tatsächlich vor Gott treten würde, was wäre denn das Erste, was man sagen würde?
Dann geht's weiter im Text: 'Kannst Du mir helfen, all das zu verstehen? Gibt es denn kein Mitleid mehr in diesem Land?' Und dann singt Charlie: 'Ich folgte meiner Liebe, bis wir uns trennen mussten. Ich bin dir gefolgt vorbei an Soldaten, die auf Befehl schossen. Gibt es denn kein Mitleid mehr in diesem Land?'"

Eine tiefe Freundschaft

Ben Harper und Charlie Musselwhite erfinden den Blues nicht neu. Müssen sie aber auch nicht, denn das, was sie auf "No Mercy In This Land" präsentieren, sind zehn Songs, die einfach Lust machen, wieder mehr Blues zu hören. Dazu Texte, die nachdenklich stimmen und manchmal auch traurig, wenn Charlie Musselwhite von seiner Mutter singt, die 2005 ermordet wurde.
Dass Ben Harper und Musselwhite sich nicht nur gegenseitig respektieren sondern auch eine tiefe Freundschaft aufgebaut haben, hört man ihrer Musik an und sieht man auf den Portraits der beiden im Albumcover. Dieses Lachen kann man nicht fälschen, und es steckt an. Und so zelebriert ihr zweites gemeinsames Album "No Mercy In This Land" den Blues, die Freundschaft und die große Lust am gemeinsamen Musizieren.
"Das ist für mich eine ganz neue Art Blues zu hören", sagt Charlie Musselwhite. "Ich sehe es als einen neuen Weg, traditionell zu sein." Und Ben Harper sagt: "Das gefällt mir. Charlie weiß genau, wovon er redet. Wenn er sagt, es ist Blues, dann ist es Blues, egal wie modern es ist."
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