Älterwerden mit Belle and Sebastian

Die Rechte an ihrem neuen Song „If They‘re Shooting At You“ hat die schottische Band Belle And Sebastian dem Roten Kreuz vermacht, um den Menschen in der Ukraine zu helfen. Mehr als nur eine Geste, denn es ist einer der Songs auf dem neuen Album „A Bit Of Previous“ mit Hitpotential – das Stück dürfte dauerhaft Geld einbringen.

Es ist auch ein Stück, das wieder zeigt, was die siebenköpfige Band aus Glasgow meisterhaft beherrscht: Große, melodiöse Popsongs mit Texten, die in wenigen Worten die Abgründe des Lebens ausloten. In diesem Fall geht es um Erfahrungen von Gewalt und Unterdrückung. Auch wenn das kaum mit dem Leiden des Kriegs in der Ukraine vergleichbar ist, schien dies der passendste Song zu sein, erklärt Sänger und Songwriter Stuart Murdoch.

Die Band habe etwas tun wollen, um Geld für das Rote Kreuz zu sammeln. "Jetzt haben wir alle Rechte an diesem Song ans Rote Kreuz übertragen, das heißt, solange dieser Song irgendwo gespielt oder gekauft wird, geht Geld ans Rote Kreuz, auch in fernerer Zukunft.“

„A Bit Of Previous“ ist das erste Album der Schotten seit sieben Jahren – in der Zwischenzeit haben sie allerdings drei EPs veröffentlicht, Belle and Sebastian haben sich also keinesfalls zurückgelehnt.

Großes Thema auf dem neuen Album ist das Älterwerden. „Unser letztes Album haben wir vor sieben Jahren gemacht. Sieben weitere Jahre von heute, und ich bin 60!", erklärt Murdoch. "Niemand denkt, dass er ewig lebt und dass das Leben leichter würde. Man muss also aus jedem Tag das Beste machen – und aus jedem Album.“

Aus ihrem neuen Album haben Belle and Sebastian definitiv das Beste gemacht: Ein potenzieller Hit jagt den anderen, Hymnen auf das Leben und die Vergänglichkeit, opulent arrangiert mit Streichern und Bläsern.

Fast könnte es schon wieder ein Musical sein – unter dem Namen „God Help The Girl“ hatte Stuart Murdoch schon 2009 einen Musicalfilm über Schönheit und Leid der ersten Liebe veröffentlicht.

Etwas unerwartet kommen dann die zwei Synthesizer-lastigen Eurodisco-Stücke „Prophets On Hold“ und „Reclaim The Night“.

Die Irrungen und Wirrungen des menschlichen Herzens, Konflikte, Missverständnisse, gescheiterte Liebe – auch auf „A Bit Of Previous“ loten Belle and Sebastian wieder das Leben mit mitreißenden Refrains und herzerweichenden Harmoniewechseln aus, sodass es erhebend ist und nicht niederschmetternd.

Als letztes Stück des Albums liefert „Working Boy In New York City“ dann das Versprechen, dass Gott einen am Ende annehmen wird. Wie sehr dies im christlichen Sinne gemeint ist, ist schwer zu sagen.

Stuart Murdoch, der jahrelang regelmäßig in die Kirche gegangen ist und durchaus Trost im Glauben gefunden hat, bezeichnet sich heute als Buddhist, auf Facebook bietet er öffentliche Meditationssitzungen an.

Und er glaubt an Reinkarnation – darauf bezieht sich auch der Albumtitel: „Das ist eine britische Redensart. Wenn man 'a bit of previous' mit jemandem hat, hat man eine gemeinsame Vergangenheit. Man war mal zusammen oder hat zusammengearbeitet, aber am Ende hat man sich überworfen", erklärt Murdoch.

In der Redensart schwinge eine Spannung mit. "Der Albumtitel ist ein bisschen ein Witz. Manche Songs handeln von Buddhismus, und ich fand es lustig, einen Song über Reinkarnation zu schreiben und ihn 'A Bit Of Previous' zu nennen.“ Der Song hat es zwar nicht auf das Album geschafft, aber der Titel wurde zum Albumtitel.

„A Bit Of Previous“ ist das Album, das Belle and Sebastian zu einer zeitlosen Größe der britischen Popmusik macht, falls sie das nicht längst waren. Ihr 25-jähriges Jubiläum hat die Band letztes Jahr während der Pandemie völlig vergessen.

Darüber sind sie aber nicht traurig, wie Keyboarder Chris Geddes erklärt: „Irgendwie stand das Datum nicht in unseren Kalendern. Wenn ich darüber nachdenke: Das letzte Mal, dass wir gefeiert haben, war unser 20-jähriges Bestehen, und das fiel mit dem Brexit-Referendum zusammen – so viel dazu. Ich glaube, wir wollten das Risiko nicht eingehen, schon wieder zu feiern.“