Belanglosigkeit flau dargebracht
Jan Lauwers hat es geschafft - 2006 wurde er mit dem belgischen Staatspreis ausgezeichnet. Das war ihm gewiss nicht an der Wiege gesungen worden. Er galt lange mit seiner "Needcompany" als wilder Avantgardist und spinnert - dabei versuchte er, was Künstler immer wieder anstrebten, am prominentesten Richard Wagner: er wollte ein Gesamtkunstwerk schaffen. Lauwers fügte Elemente von Tanz, Musik und Schauspiel zusammen. Das Bühnenbild spielt auch eine eminente Rolle.
Aus der niederländisch-belgischen Ecke unseres alten Kontinents kommen viele Talente und Begabungen für den Tanz, Alain Platel ist wohl der begnadetste und bekannteste - Lauwers gehört zu diesem Kreis - und er ist ein Theatertier. Er führt nicht nur Regie, er entwirft auch das Stück, die Choreographie, das Bühnenbild, er schrieb auch den Text. Die neueste Kreation heißt: "Das Hirschhaus".
Der Zweiakter spielt im Land der Poesie, Bezirk Phantastisches, Kreis Absurdes, in der Pop-Ecke. Zeit: Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft, manchmal, irgendwie, jedenfalls ist Weihnachten, aber auch danach, nach dem Eissturm. Worum es genau geht, weiß man nicht, weil Lauwers sich redlich bemüht, herkömmliche Denk-, Wahrnehmungs- und Erwartungsstrukturen zu zerstören.
Erzählung ist nicht, keine Kontinuität, obwohl es viele Geschichten gibt. Natürlich von den Hirschen, die auch auftreten, zweibeinig, und tanzen und singen (hier käme jetzt ein O-Ton, wenn Sie, statt im Internet zu lesen, Radio hörten), aber es geht auch viel um den Tod.
Die Leichen reden und einige zerbrechen sich den Kopf, ob es besser ist, herkömmlich begraben und von den Würmern verzehrt, oder besser, wie in Indien, von Geiern zerfleischt zu werden. Im Hirschhaus möchten eine sympathische junge Leiche von Wölfen gefressen werden, die jetzt in Europa wieder mehr hausen, weil es so lange Krieg gegeben hat.
Die Gedanken schweifen ab, statt Konzentration Zerstreuung. Am Anfang wird von einem toten Mädchen erzählt, das ein Fotograf aufnahm - eine Minute später spricht man schon über die mediale Verwertung - Anteilnahme gleich Null. Das ist aber bei Lauwers keine Anklage, das ist eben so - und ihm ganz recht. Denn wenn man etwas tut, wenn man handelnd eingreift, wird alles nur noch schlimmer. Nichts passiert so, wie man es plant und will, sondern alles läuft aus dem Ruder. Das Normale ist absurd, das Absurde normal.
Auch die SchauspielerSängerTänzer können das missglückte Werk nicht retten, so engagiert sie spielen, so flau kommen sie über die Rampe. Nur Viviane de Muynck begeistert - sie könnte dem Telefonbuch noch Leben einhauchen.
"Das Hirschhaus" wird in Hallein, einer Nebenspielstätte der Salzburger Festspiele, als Vollendung einer Trilogie präsentiert unter dem Titel "Sad Face/Happy Face" - also "Trauriges Gesicht/Glückliches Gesicht". Zwei Produktionen aus Vorjahren gelten als Stück 1 und 2: erstens "Isabellas Zimmer" und Teil 2: "Der Lobstershop". Teil 1 wird die Vergangenheit zugeordnet, Teil 2 die Zukunft und der Neuproduktion, Teil 3, dem "Hirschhaus", die Gegenwart.
Das ist eine Mystifikation von Jan Lauwers, der gern sein Publikum zum Narren hält. Die Stücke haben keinen Zusammenhang. Lauwers will, wie das absurde Theater, die Zusammenhanglosigkeit darstellen. Überhaupt Losigkeit - "Lessness", wie schon Beckett notierte.
Die Trilogie - im Untertitel "Drei Geschichten über das Wesen des Menschen" - ist eben als Taschenbuch bei Fischer erschienen, und Tom Stromberg, der, als er noch Theater leitete, der Needcompany mit zum Durchbruch verhalf, hat ein Vorwort geschrieben. Er sieht ihre Stücke nicht nur als "Theateraufführungen, sondern Partys, Abschiedsfeiern, Trauerfeiern, Lustorgien, alles zusammen. Lassen Sie uns mitfeiern, mitvögeln und mittrauern mit diesen herrlichen Performern ... "
Drei Formen der Kritik fallen mir auf Anhieb ein: Empörung über den Eskapismus. Es gibt Krieg und Elend, Arbeitslosigkeit und eine steigende Kluft zwischen Arm und Reich - da hat das Theater wahrlich andere Aufgaben. Die Party ist aus!
2. Es gibt bessere Avantgarde als diese flauen Stücke der Needcompany, die viel zu nett und verbindlich ist. In Österreich zum Beispiel eine Nobelpreisträgerin, die Gewichtigeres zum Thema Absurd/Normal geschrieben hat. Spielt lieber was von Elfriede Jelinek.
Angesichts der Belanglosigkeit des "Hirschhauses", dass die Belanglosigkeit des Theaters behauptet, und selbst in anderthalb Monaten wegen Unerheblichkeit vergessen sein dürfte, scheint mir eine gelassene Haltung am angemessensten. Shoobidoobidooo!
Das Hirschhaus
Uraufführung bei den Salzburger Festspielen am 28.7.2008
Jan Lauwers, Text, Regie und Bühnenbild
Hans Petter Dahl und Maarten Seghers, Musik
Lot Lemm, Kostüme
Der Zweiakter spielt im Land der Poesie, Bezirk Phantastisches, Kreis Absurdes, in der Pop-Ecke. Zeit: Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft, manchmal, irgendwie, jedenfalls ist Weihnachten, aber auch danach, nach dem Eissturm. Worum es genau geht, weiß man nicht, weil Lauwers sich redlich bemüht, herkömmliche Denk-, Wahrnehmungs- und Erwartungsstrukturen zu zerstören.
Erzählung ist nicht, keine Kontinuität, obwohl es viele Geschichten gibt. Natürlich von den Hirschen, die auch auftreten, zweibeinig, und tanzen und singen (hier käme jetzt ein O-Ton, wenn Sie, statt im Internet zu lesen, Radio hörten), aber es geht auch viel um den Tod.
Die Leichen reden und einige zerbrechen sich den Kopf, ob es besser ist, herkömmlich begraben und von den Würmern verzehrt, oder besser, wie in Indien, von Geiern zerfleischt zu werden. Im Hirschhaus möchten eine sympathische junge Leiche von Wölfen gefressen werden, die jetzt in Europa wieder mehr hausen, weil es so lange Krieg gegeben hat.
Die Gedanken schweifen ab, statt Konzentration Zerstreuung. Am Anfang wird von einem toten Mädchen erzählt, das ein Fotograf aufnahm - eine Minute später spricht man schon über die mediale Verwertung - Anteilnahme gleich Null. Das ist aber bei Lauwers keine Anklage, das ist eben so - und ihm ganz recht. Denn wenn man etwas tut, wenn man handelnd eingreift, wird alles nur noch schlimmer. Nichts passiert so, wie man es plant und will, sondern alles läuft aus dem Ruder. Das Normale ist absurd, das Absurde normal.
Auch die SchauspielerSängerTänzer können das missglückte Werk nicht retten, so engagiert sie spielen, so flau kommen sie über die Rampe. Nur Viviane de Muynck begeistert - sie könnte dem Telefonbuch noch Leben einhauchen.
"Das Hirschhaus" wird in Hallein, einer Nebenspielstätte der Salzburger Festspiele, als Vollendung einer Trilogie präsentiert unter dem Titel "Sad Face/Happy Face" - also "Trauriges Gesicht/Glückliches Gesicht". Zwei Produktionen aus Vorjahren gelten als Stück 1 und 2: erstens "Isabellas Zimmer" und Teil 2: "Der Lobstershop". Teil 1 wird die Vergangenheit zugeordnet, Teil 2 die Zukunft und der Neuproduktion, Teil 3, dem "Hirschhaus", die Gegenwart.
Das ist eine Mystifikation von Jan Lauwers, der gern sein Publikum zum Narren hält. Die Stücke haben keinen Zusammenhang. Lauwers will, wie das absurde Theater, die Zusammenhanglosigkeit darstellen. Überhaupt Losigkeit - "Lessness", wie schon Beckett notierte.
Die Trilogie - im Untertitel "Drei Geschichten über das Wesen des Menschen" - ist eben als Taschenbuch bei Fischer erschienen, und Tom Stromberg, der, als er noch Theater leitete, der Needcompany mit zum Durchbruch verhalf, hat ein Vorwort geschrieben. Er sieht ihre Stücke nicht nur als "Theateraufführungen, sondern Partys, Abschiedsfeiern, Trauerfeiern, Lustorgien, alles zusammen. Lassen Sie uns mitfeiern, mitvögeln und mittrauern mit diesen herrlichen Performern ... "
Drei Formen der Kritik fallen mir auf Anhieb ein: Empörung über den Eskapismus. Es gibt Krieg und Elend, Arbeitslosigkeit und eine steigende Kluft zwischen Arm und Reich - da hat das Theater wahrlich andere Aufgaben. Die Party ist aus!
2. Es gibt bessere Avantgarde als diese flauen Stücke der Needcompany, die viel zu nett und verbindlich ist. In Österreich zum Beispiel eine Nobelpreisträgerin, die Gewichtigeres zum Thema Absurd/Normal geschrieben hat. Spielt lieber was von Elfriede Jelinek.
Angesichts der Belanglosigkeit des "Hirschhauses", dass die Belanglosigkeit des Theaters behauptet, und selbst in anderthalb Monaten wegen Unerheblichkeit vergessen sein dürfte, scheint mir eine gelassene Haltung am angemessensten. Shoobidoobidooo!
Das Hirschhaus
Uraufführung bei den Salzburger Festspielen am 28.7.2008
Jan Lauwers, Text, Regie und Bühnenbild
Hans Petter Dahl und Maarten Seghers, Musik
Lot Lemm, Kostüme