Beinahe-Katastrophen mit Live-Charakter
"Ralph Doughby’s Esq. Brautfahrt", 1842/43 erstmals erschienen, ist ein turbulenter Schwank aus der Neuen Welt: Unterhaltungsliteratur mit Bildungsanspruch. Es wird heftig politisiert, soziale und ethnische Konflikte werden quasi im Plauderton vorgestellt. Der Autor Charles Sealsfield verbindet landeskundlich-realistische Schilderungen mit Elementen des Abenteuerromans.
Schon sein Leben gäbe genügend Stoff für einen Abenteuerroman: Karl Magnus Postl, geboren 1793 in Böhmisch Mähren, war ein Wanderer zwischen den Welten - dem alten Europa und der Neuen Welt, den Vereinigten Staaten von Amerika.
Der studierte Theologe, geweihte Priester und Sekretär des Kreuzherren-Ordens in Prag emigrierte 1823 aus dem Machtbereich Metternichs in die USA. Als freisinniger, den Idealen der Aufklärung verpflichteter Kleriker sah er für sich keine Perspektive im Europa der Restauration. Drei Jahre später jedoch kehrte er zurück, diente eben jenem Metternich seine Dienste als Spion an. Inzwischen ist er amerikanischer Staatsbürger und heißt Charles Sealsfield. 1827 lebt er als Korrespondent in London, 1830 wieder in den Staaten. Arbeitet als Farmer in Louisiana, als Redakteur in New York. Verfasst zweisprachig journalistische Arbeiten, Reisebücher und Romane. Anfang der 1840er Jahre - Sealsfield lebt nach weiterem Pendeln zwischen den Kontinenten nun in der Schweiz - wird ihm vom Boston Daily Advertiser der Titel des "greatest american author" verliehen.
"Ralph Doughby’s Esq. Brautfahrt" erschien 1842/43 als zweiter Teil des insgesamt fünfbändigen Werkes "Lebensbilder aus der westlichen Hemisphäre". Der Frankfurter Eichborn Verlag hat den - auch für sich allein verständlichen - Roman nun in bibliophiler Ausstattung neu aufgelegt. Ergänzt um ein Vorwort von Rolf Vollmann sowie W.G. Sebalds Essay "Ansichten aus der Neuen Welt".
Beide machen auf unterschiedliche Weise Lust darauf, Sealsfield neu zu entdecken. Sebald stellt ihn in seinen Widersprüchen vor. Als ehrgeizigen Volksschriftsteller, der dreisprachig schrieb, kurze Zeit berühmt und dann vergessen wurde. Der liberal und reaktionär war, Dynamik und Aufbruchsstimmung der jungen Vereinigten Staaten literarisch verklärte und doch desillusioniert nach Europa zurückkehrte. Vollmann begeistert sich am packenden, vitalen Stil des Autors, führt in die Sprach- und Kulturlandschaft des Mississippi ein.
Der Fluss ist - neben dem Erzähler George Howard, einem jungen Plantagenbesitzer, und neben dem Titelhelden Ralph Doughby, einem Draufgänger mit dem Herzen am rechten Fleck - die dritte Hauptfigur. Er trägt die Handlung, treibt sie an, bringt sie weiter. Auf Dampfschiffen fährt das Personal des Romans den Fluss auf -und abwärts. Sealsfield stellt dabei eine illustre Gesellschaft vor: Kreolen, Südstaatenaristokraten, fahrende Händler, raubeinige Hinterwäldler, Sklavenhalter - allesamt Repräsentanten einer sich bildenden amerikanischen Nation, deren Prägung durch unterschiedliche Herkunftskulturen noch rudimentär spürbar ist.
Verschiedene Umgangsformen treffen aufeinander, es wird Englisch und Französisch gesprochen, Slang und Hochsprache. Sealsfield schildert all dies im österreichisch geprägten Deutsch des 19. Jahrhunderts - ein eigener Stil entsteht, schmissig, unterhaltsam, mit ausgeprägtem Live-Charakter.
Im Gegensatz zum Erzähler Howard ist Ralph Doughby noch unbeweibt. Kraft seines hitzigen Temperaments führt er immer wieder Beinahe-Katastrophen herbei. Seine Verlobte hat ihm daher den Laufpass gegeben. Doch der anpackende Doughby verliebt sich in die Schwester von Howards Braut, vergisst jedoch, zuerst den Vater um ihre Hand zu bitten. Wegen dieses Formfehlers wird sie ihm verweigert. Als echter Kentuckier lässt er sich nicht lumpen, besteigt dasselbe Schiff wie seine Angebetete, entführt sie, heiratet sie und stellt den Vater vor vollendete Tatsachen. Es kommt zum Eklat, zur Schießerei und schließlich zum Happy End.
"Ralph Doughby’s Esq. Brautfahrt" ist ein turbulenter Schwank aus der Neuen Welt. Unterhaltungsliteratur mit Bildungsanspruch. Es wird heftig politisiert, soziale und ethnische Konflikte werden quasi im Plauderton vorgestellt. Sealsfield verbindet landeskundlich-realistische Schilderungen mit Elementen des Abenteuerromans. Eine originäre und kontrastreiche Melange aus Nestroy, Karl May und Mark Twain - eine Neuentdeckung, die sich lohnt.
Charles Sealsfield: Ralph Doughby’s Esq. Brautfahrt
Mit einem Vorwort von Rolf Vollmann und einem Essay von H.G.Sebald.
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, 319 Seiten
Der studierte Theologe, geweihte Priester und Sekretär des Kreuzherren-Ordens in Prag emigrierte 1823 aus dem Machtbereich Metternichs in die USA. Als freisinniger, den Idealen der Aufklärung verpflichteter Kleriker sah er für sich keine Perspektive im Europa der Restauration. Drei Jahre später jedoch kehrte er zurück, diente eben jenem Metternich seine Dienste als Spion an. Inzwischen ist er amerikanischer Staatsbürger und heißt Charles Sealsfield. 1827 lebt er als Korrespondent in London, 1830 wieder in den Staaten. Arbeitet als Farmer in Louisiana, als Redakteur in New York. Verfasst zweisprachig journalistische Arbeiten, Reisebücher und Romane. Anfang der 1840er Jahre - Sealsfield lebt nach weiterem Pendeln zwischen den Kontinenten nun in der Schweiz - wird ihm vom Boston Daily Advertiser der Titel des "greatest american author" verliehen.
"Ralph Doughby’s Esq. Brautfahrt" erschien 1842/43 als zweiter Teil des insgesamt fünfbändigen Werkes "Lebensbilder aus der westlichen Hemisphäre". Der Frankfurter Eichborn Verlag hat den - auch für sich allein verständlichen - Roman nun in bibliophiler Ausstattung neu aufgelegt. Ergänzt um ein Vorwort von Rolf Vollmann sowie W.G. Sebalds Essay "Ansichten aus der Neuen Welt".
Beide machen auf unterschiedliche Weise Lust darauf, Sealsfield neu zu entdecken. Sebald stellt ihn in seinen Widersprüchen vor. Als ehrgeizigen Volksschriftsteller, der dreisprachig schrieb, kurze Zeit berühmt und dann vergessen wurde. Der liberal und reaktionär war, Dynamik und Aufbruchsstimmung der jungen Vereinigten Staaten literarisch verklärte und doch desillusioniert nach Europa zurückkehrte. Vollmann begeistert sich am packenden, vitalen Stil des Autors, führt in die Sprach- und Kulturlandschaft des Mississippi ein.
Der Fluss ist - neben dem Erzähler George Howard, einem jungen Plantagenbesitzer, und neben dem Titelhelden Ralph Doughby, einem Draufgänger mit dem Herzen am rechten Fleck - die dritte Hauptfigur. Er trägt die Handlung, treibt sie an, bringt sie weiter. Auf Dampfschiffen fährt das Personal des Romans den Fluss auf -und abwärts. Sealsfield stellt dabei eine illustre Gesellschaft vor: Kreolen, Südstaatenaristokraten, fahrende Händler, raubeinige Hinterwäldler, Sklavenhalter - allesamt Repräsentanten einer sich bildenden amerikanischen Nation, deren Prägung durch unterschiedliche Herkunftskulturen noch rudimentär spürbar ist.
Verschiedene Umgangsformen treffen aufeinander, es wird Englisch und Französisch gesprochen, Slang und Hochsprache. Sealsfield schildert all dies im österreichisch geprägten Deutsch des 19. Jahrhunderts - ein eigener Stil entsteht, schmissig, unterhaltsam, mit ausgeprägtem Live-Charakter.
Im Gegensatz zum Erzähler Howard ist Ralph Doughby noch unbeweibt. Kraft seines hitzigen Temperaments führt er immer wieder Beinahe-Katastrophen herbei. Seine Verlobte hat ihm daher den Laufpass gegeben. Doch der anpackende Doughby verliebt sich in die Schwester von Howards Braut, vergisst jedoch, zuerst den Vater um ihre Hand zu bitten. Wegen dieses Formfehlers wird sie ihm verweigert. Als echter Kentuckier lässt er sich nicht lumpen, besteigt dasselbe Schiff wie seine Angebetete, entführt sie, heiratet sie und stellt den Vater vor vollendete Tatsachen. Es kommt zum Eklat, zur Schießerei und schließlich zum Happy End.
"Ralph Doughby’s Esq. Brautfahrt" ist ein turbulenter Schwank aus der Neuen Welt. Unterhaltungsliteratur mit Bildungsanspruch. Es wird heftig politisiert, soziale und ethnische Konflikte werden quasi im Plauderton vorgestellt. Sealsfield verbindet landeskundlich-realistische Schilderungen mit Elementen des Abenteuerromans. Eine originäre und kontrastreiche Melange aus Nestroy, Karl May und Mark Twain - eine Neuentdeckung, die sich lohnt.
Charles Sealsfield: Ralph Doughby’s Esq. Brautfahrt
Mit einem Vorwort von Rolf Vollmann und einem Essay von H.G.Sebald.
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, 319 Seiten