Bei manchen Fragen "fasst man sich an den Kopf"

Moderation: Birgit Kolkmann |
Der Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums der CDU, Bülent Arslan, hat sich für einen Einbürgerungsfragebogen in geänderter Form ausgesprochen. Der Gesprächsleitfaden für einbürgerungswillige Ausländer müsse Wissen und nicht die Gesinnung abfragen, sagte Arslan. Durch den in Baden-Württemberg erstellten Fragebogen fühlten sich Muslime ausgegrenzt.
Birgit Kolkmann: Der umstrittene Fragebogen - auch Pascha-Test genannt - wird quer durch die Parteien heftig kritisiert. Die Grünen haben beantragt, dass das Für und Wider heute im Bundestag debattiert wird. Auch Hessen plant, als zweites Bundesland, die Einführung eines Fragebogens für einbürgerungswillige Ausländer. Zum Interview in Deutschlandradio Kultur begrüße ich den Vorsitzenden des Deutsch-Türkischen Forums in der CDU. Guten Morgen, Bülent Arslan!

Bülent Arslan: Guten Morgen!

Kolkmann: Sie haben Ihrem Parteifreund und Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg Günther Oettinger einen geharnischten Brief geschrieben. Haben Sie schon Antwort bekommen?

Arslan: Nein, ich habe noch keine Antwort bekommen. Wir haben in diesen Brief dargelegt, dass wir einfordern, dass dieser Gesinnungstest so schnell wie möglich gestoppt wird, weil er eben Meinungen von Leuten abfragt und auf der Basis von Meinungen kann man nicht die Einbürgerungen bewerten? Wir sind wohl dafür, dass wir einen Test machen, wo wir Wissen über Deutschland abfragen.

Kolkmann: Nicht jeder, der ja deutscher Staatsbürger werden will, sagt ja, zu den Institutionen und Werten der Bundesrepublik. Wie will man das herausfinden, ohne dass einer lügt?

Arslan: Eben, das wird man nicht herausfinden können. Und insbesondere die gefährlichen, das sind ja Ausnahmefälle, aber die gibt es, die muss man verhindern, Schläfer, gewaltbereite Terroristen, die wird man natürlich schon gar nicht mit so einem Test kriegen, weil diese entsprechend vorbereitet werden. Also das heißt, wir stoßen mit diesem Test der großen Mehrheit, die integriert sind, friedlich in Deutschland leben, vor den Kopf, und das eigentliche Ziel wird nicht erreicht.

Kolkmann: Was bewirkt der Fragebogen noch, wenn es nicht zu Klarheit über die Gesinnung der zukünftigen Bürger führt?

Arslan: Nein, der Fragebogen bewirkt, dass muslimische Einbürgerungsbewerber, aber insgesamt alle Muslime, sich ausgegrenzt fühlen. Man kann ja nicht hingehen, und so einen Fragebogen, wie ursprünglich beabsichtig, nur einer Religionsgemeinschaft stellen. Das zweite ist, wenn man sich mal die Fragen ansieht, die dort drin sind, da fasst man sich an den Kopf. Da werden Fragen zu Frauen, Juden, Homosexualität, all diese Dinge, die nach meiner Ansicht ganz eindeutig auf Vorurteilen basieren, die werden da aneinandergereiht, und das ist glaube ich auch nicht gut für das Zusammenleben.

Kolkmann: Wie können Sie sich erklären, dass so ein Fragebogen aus Ihrer Partei, der CDU kommt?

Arslan: Nein, ich vermute, dass da die Personen, die im Innenministerium das entwickelt haben, eben einen Auftrag hatten, wie verhindern wir, dass Leute sich einbürgern lassen, die mit den Werten Deutschlands nicht einhergehen? Und da haben einige eifrige Leute einen Schnellschuss gemacht. Aber es muss ganz klar sein, dass das kein gelungenes Instrument ist.

Kolkmann: Ist der Fragebogen für Sie ein integrationspolitischer Sündenfall?

Arslan: Ja, eindeutig. Wissen Sie, Integration funktioniert ja nicht ausschließlich über rationale Dinge, sondern die Menschen müssen sich gefühlsmäßig wohl fühlen in Deutschland. Und das geht nur, wenn sie a weniger soziale Probleme haben als heute, aber b auch, als gleichberechtigt sich fühlen. Und mit derartigen Aktionen vermitteln wir etwas anderes. Und das ist auch ganz klar so: Wir können Tausende von kleineren Integrationsprojekten machen, mit derartigen Aktionen, die gerade in den türkischsprachigen Medien breit diskutiert werden, machen wir das alles wieder zunichte.

Kolkmann: Was sollte man denn stattdessen machen? Es gibt ja die Regelanfrage beim Verfassungsschutz, es gibt auch Gespräche. Was wäre für Sie das geeignete Mittel?

Arslan: Ich glaube, dass zum einen die Mittel heute schon in Ordnung sind. Durch die Regelanfrage beim Verfassungsschutz wissen wir, dass eine ganze Reihe von Personen, die in bestimmten Organisationen beispielsweise Mitglied waren, Gott sei Dank, nicht eingebürgert werden. Wir meinen aber, dass man weitergehen müsste. Natürlich muss man erwarten von jemanden, der sich einbürgern lässt, dass der die Grundkenntnisse über Deutschland, über deutsche Geschichte kennt, dass er weiß, wer der Bundeskanzler ist, die föderale Struktur kennt, Dinge weiß zum Grundgesetz. All diese Dinge kann man abfragen, aber man kann nicht Meinungen und die Gesinnung eines Menschen abfragen. Und kein Mensch weiß, was das denn als Konsequenz für die Einbürgerung hat. Also, wenn ich von diesen 30 Fragen 29 richtig beantworte und eine falsch, was passiert dann? Das weiß kein Mensch.

Kolkmann: Wie war das bei Ihnen als sie eingebürgert wurden?

Arslan: Das ist schon eine ganze Weile her. Ich bin vor neun Jahren eingebürgert worden. Und das war relativ unspektakulär, das hat mich persönlich auch gestört. Ich finde, eine Einbürgerung ist eine hoch wichtige Sache für den Einzelnen, aber auch für den Staat insgesamt. Und man kann nicht fast schon jede Kfz-Zulassung feierlicher gestalten als so eine Einbürgerung. Deswegen sind wir auch der Meinung, dass man da auch die Bedeutung des Ganzen auch mit einer gewissen Symbolik behaften muss. Aber noch einmal, das Ganze muss in einem Rahmen passieren, wo man sagt, wir freuen uns, dass ihr euch einbürgern lasst, aber wir erwarten auch von euch folgende Dinge.

Kolkmann: Was raten Sie nun Ihren Parteifreunden in Hessen und in anderen Bundesländern? Auch in Hessen stehen wieder Wahlen an, Kommunalwahlen. Schon einmal gab es da ja eine Abstimmungsaktion, was Ausländerfragen anging. Glauben Sie, dass durch so einen Fragebogen eine gewisse Ausländerfeindlichkeit noch geschürt wird?

Arslan: Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube auch nicht, dass das die Zielsetzung ist. Ich würde den Kollegen gerade in Hessen auch raten, ich bin sehr wohl dafür solch einen Fragebogen zu erstellen, wir werden als Deutsch-Türkisches Forum auch in den nächsten Tagen einen entsprechenden Vorschlag dazu liefern. Aber wie gesagt, man muss den Fragebogen so darstellen, dass man Wissen abfragt und ich hoffe, dass der Fragebogen in Baden-Württemberg auch schnellstmöglich in der Richtung geändert wird.

Kolkmann: Vor allem türkischstämmige Bürger sind ja ein großes Wählerpotenzial in Deutschland, allerdings normalerweise nicht für die CDU. Glauben Sie, dass sie mit dieser Fragebogenaktion der Union auch geschadet haben in Baden-Württemberg?

Arslan: Das glaube ich sehr wohl. Und es muss klar sein: Wir werden als Partei in fünf bis zehn Jahren auf Bundesebene in vielen Bundesländern und in allen Großstädten keine Wahl mehr gewinnen, ohne die Türkischstämmigen für uns zu gewinnen. Und das ist aus Sicht der CDU, ist es eigentlich ein klassisches CDU-Potenzial, weil eine ganz große Mehrheit der türkischstämmigen in Deutschland konservativ-liberal eingestellt sind in ihrer grundsätzlichen politischen Linie. Nur mit derartigen Aktionen schaffen wir es natürlich nicht, die Sympathien dieser Menschen für uns zu gewinnen. Und ich meine, dass wir da ein ganzes Stück noch arbeiten müssen.

Kolkmann: Bülent Arslan war das. Der Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums in der CDU. Danke für das Interview in Deutschlandradio Kultur.