Bei der Natur abgeschaut

Von Achim Killer |
Ameisen bauen kunstvolle Hügel oder finden den kürzesten Weg zum Futter. Vogelschwärme ändern blitzschnell und gleichzeitig ihre Flugrichtung. Derartige Naturphänomene sind das Vorbild für Informatiker und Techniker, neuartige Roboterflotten zu bauen. Der Clou: Jeder einzelne der Miniroboter ist gar nicht so intelligent, doch im "Schwarm" sollen sie einmal komplizierte Aufgaben lösen.
Der Holywood-Film "Innerspace – Die Reise ins ich" von 1987: Der Testpilot Jack Pendleton will in die Geschichte eingehen.

Leutnant Pendleton wird miniaturisiert und in einem winzigen Gefährt - heute würde man sagen: einem Mikrosystem – in eine Injektionsspritze gepackt. Und damit soll ein Kaninchen geimpft werden. Aber dann geht's schief und der Mini-Testpilot landet stattdessen in den inneren Organen eines Menschen.

Auch Wissenschaftler dachten damals an ein winziges - allerdings unbemanntes - System, das einmal selbständig den menschlichen Körper durchstreifen und beispielsweise die Ablagerungen an verkalkten Arterienwänden abschaben sollte. Professor Paul Levi von Institut für Parallele und Verteilte Systeme der Uni Stuttgart hält nichts von der Fiktion eines Mikro-Medizinroboters. Er hängt einer an, die noch phantastischer ist:

"Das war die Vorstellung auch in den Filmen, da hat man U-Boote rumgeschickt und Ähnliches. Die war futuristisch sicher richtig. Aber man wird das einfach nicht hinkriegen. Sondern man kann nur nach meiner Überzeugung eine Vielzahl von einer Art Robotern da reinschicken."

An ganze Roboterschwärme denkt der Professor. Ein einzelner würde aus organischem Material bestehen, das durch einen Minichip aus Silizium ein bisschen Intelligenz mit auf den Weg bekäme. Es wäre im Unterschied zur gängigen Vorstellung von einem Roboter kein künstlicher Mensch, sondern eher eine künstliche Zelle. Das hält Professor Levi für leichter realisierbar: Der einzelne Roboter bräuchte nicht gar so intelligent zu sein.

"Weil dieser Ansatz von einer Selbstorganisation ausgeht, die viel näher an der Biologie liegt, und weil man in dieser Kleinheit keinen Roboter hinkriegen wird, der all die Aufgaben übernimmt wie ein makroskopischer, ausgewachsener Roboter."

Die Roboterschwärme, die Professor Levi vorschweben, sollen gemeinsam zustande bringen, was ein großer kann, der aber eben wegen seiner Größe sich für viele Einsatzgebiete nicht eignet. Hochintelligent müssen die Einzelmitglieder des Schwarms dazu nicht zu sein, aber beispielsweise sich untereinander abstimmen können.

"Stellen Sie sich vor: Sie haben eine Engstelle. Da kann immer nur einer durch. Aber im Schwarm kommen sie beispielsweise zu viert. Dann müssen die anfangen, sich selbst zu organisieren, erkennen, das ist eine Engstelle und daraus eine Schlange bilden und dann durch und sich dann vielleicht wieder aufteilen. Also das wäre quasi eine Navigationsaufgabe, die sie selbständig lösen müssten."

Natürlich aber ist auch diese Vision noch weit von ihrer Realisierung entfernt.

"Es hapert einmal daran, dass wir die Miniaturisierung noch nicht bis zur Molekülgröße hin geschafft haben. Zum anderen ist es so, dass wir eben die Zusammenarbeit zwischen biologischen Molekülen bis hin zu DNA-Abschnitten und mit Silizium noch nicht genug beherrschen."

Das Informatik-Institut von Professor Levi arbeitet denn auch lediglich an der Intelligenz der künftigen Mikroroboter, an deren Fähigkeit sich selbst zu organisieren. Wie weit sie damit sind, demonstriert Sergey Kornienko im Keller des Instituts. Er macht Jasmin startklar, den größten Roboterschwarm der Welt.

"Ich versuche, die erst alle einzuschalten. 100 Stück – das ist immerhin ein Aufwand. Hundert mal muss man dann mit dem Schalter: ein, aus und so weiter."

So groß wie ein Stück Würfelzucker ist ein einzelner Roboter. Er hat Räder und einen Lichtsensor, kann sich also fortbewegen und sehen. Licht erkennt er und wenn ein anderer seinen Weg kreuzt. Und eine Verhaltensregel hat er einprogrammiert bekommen:

"Wenn die ein Hindernis sehen, dann messen sie die Lichtintensität und dann bleiben sie eine Zeit lang stehen. Und das war's."

Trotz ihrer bescheidenen Intelligenz können die Miniroboter gemeinsam einfache Aufgaben erledigen. Je nachdem, welche Lichtquellen Sergey Kornienko einschaltet, bilden sie typische Formationen. Bei einer Lichtquelle fahren einige ins Helle und bleiben dort. Und der Rest wuselt im Dunkeln herum. Bei einer starken und einer schwächeren Lichtquelle bilden sich eine größere und eine kleinere ruhende Gruppe. Wenn man ihnen ein paar Verhaltensregeln mehr mit auf den Weg gibt, dann können sie zusammen Hindernisse wegräumen oder umzingeln.

An anderen Instituten arbeitet man an schwimmenden Roboterschwärmen, die einmal im Meer Ölteppiche absaugen sollen. Wenn ihre Sensoren Öl melden, schwimmen sie darauf zu und saugen es weg. Wenn nicht, kreisen sie suchend umher.

Sehr viel kleiner müssen sie natürlich noch werden. Aber im Prinzip könnten so die Roboter funktionieren, die in ferner Zukunft einmal im menschlichen Körper nach dem Rechten sehen.

"So stell ich mir das vor, dass nur der Schwarm insgesamt die Aufgaben löst. Also diesen Roboter, der alles kann und da rein geht, nach meiner Meinung wird es den nicht geben. Das ist auch nicht sinnvoll. Denn dieses Ingenieurwesen wiederspricht dem biologischen Vorgehen. Das ist ein anderes Vorgehen. Und ich möchte mich möglichst daran halten, wie die Natur es macht."