Bei Augustus daheim

Von Thomas Migge |
Im "Palazzo Massimo" in Rom können Besucher nun einen Eindruck davon gewinnen, wie Aristokraten zur Zeit von Kaiser Augustus wohnten. Ob filigrane Fresken, pompöse Mosaiken oder Deckenstuckaturen: Das königliche Lebensgefühl ist deutlich zu spüren.
"Schon hier, in diesem Korridor, bekommt der Besucher einen Eindruck davon, wie reich diese Villa mit Fresken geschmückt war. Sicherlich war dieser Flur Teil eines der verschiedenen Eingänge in das Gebäude, das aufgrund seiner Größe mehrere Pforten besaß. Bei diesen Dekorationen hier wechseln sich Architekturelemente mit Theaterszenen ab."

Die Archäologin Maria Teresa Di Sarcina verweist vor allem auf die ungemein schlanken Säulen, die auf den Darstellungen zu sehen sind. Keine wuchtigen Säulen, wie man sie von antiken Tempeln und Palästen kennt. Zur Zeit von Kaiser Augustus, unter dessen Herrschaft die genannte Villa della Farnesina errichtet wurde, bevorzugten Aristokraten und andere Wohlhabende, die sich ihre Residenzen mit Fresken ausmalen ließen, Darstellungen, die zart und zerbrechlich wirken. Die Wandmalereien und sonstigen Funde sind von Maria Teresa di Sarcina und ihren Kollegen im römischen Antikenmuseum Palazzo Massimo wieder so aufgebaut worden, wie man sie im Erdreich fand.

"Wir haben das unverschämte Glück, hier die Fresken, Stuckaturen und Mosaiken einer Villa zu besitzen, die 1879 im Stadtteil Trastevere ausgegraben wurde, als man die Ufer des Flusses Tiber erneuerte. Die Ruinen befanden sich im Erdreich bei der Renaissancevilla Farnesina, deshalb der Name. Die Reste dieser einstmals luxuriösen Villa sorgten damals für großes Aufsehen."

Doch aus Platzmangel verschwanden die Fresken, Mosaiken und Deckenstuckaturen in den Magazinen. Erst Jahre später wurden sie, auseinandergerissen, in verschiedenen Sektionen verschiedener Antikenmuseen in Rom ausgestellt. Rita Paris, Archäologin und Direktorin des Nationalmuseums Palazzo Massimo, das sich direkt beim Hauptbahnhof Termini in einem riesigen Gründerzeitgebäude befindet, hatte die Idee, die Funde aus der Villa della Farnesina wieder genau so zu zeigen wie im ersten Jahrhundert nach Christus. Maria Teresa Di Sarcina:

"Wir verfügen aus dieser Zeit Roms ja über die herrlichen Wandmalereien aus der Villa der Livia und vom Palatin. Aber wir besitzen nur sehr wenige Malereien, die ganze Räumlichkeiten eines Gebäudes schmückten. Und so ordneten wir sie hier im Museum, im zweiten Stück, Raum für Raum originalgetreu wieder an. So wie damals, als die Villa errichtet wurde. Die Gebäudereste, also das Mauerwerk, wurde Ende des 19. Jahrhunderts zerstört."

Der Gang durch die wiederhergestellten Räume der antiken Villa ist atemberaubend – ein anderes Wort kommt einem nicht in den Sinn. Den Archäologen ist es aufgrund der 1879 angefertigten Skizzen vom Fundort gelungen, die einzelnen Funde auf den Millimeter genau zusammenzufügen. Wie zum Beispiel in einem der Schlafräume:

"Der Raum hatte einen direkten Zugang zum Garten im Innenhof der Villa. Die Wandmalereien zeigen unter anderem intime Szenen zwischen Mann und Frau, erstaunlich gut erhalten, man kann sogar die Gesichtszüge erkennen. Und dann hier die Farbe Purpurrot, als Grundfarbe aller Darstellungen. Sie war damals sehr kostspielig, weil man sie nur auf komplizierte Weise gewinnen konnte."

Die Stuckaturen der Decken, in großen Teilen erhalten, zeigen bukolische Darstellungen des Landlebens, mit Hirten und Bauern und Landhäusern – Szenen, die in ihrer Detailtreue und perspektivischen Tiefe an Malereien der Renaissance erinnern. Das gleiche gilt für die Porträts und architektonischen Details der Fresken. Archäologen sind sich darin einig, dass die jetzt wieder wie im ersten Jahrhundert nach Christus angeordneten Fundstücke zu den schönsten ihrer Art überhaupt gehören.
Wer schuf diese Meisterwerke altrömischer Malerei? Maria Teresa Di Sarcina kann keine eindeutige Antwort geben:

"Der Maler Ludius, der auch Studius genannt wurde, war zur Zeit des Augustus für seine architektonischen Darstellungen berühmt und begehrt. Wahrscheinlich arbeitete er auch hier. Hier in der Villa verfügen wir, was ganz selten ist, über ein Graffito mit dem Namen Seleocos, ein griechischer Name."

Vielleicht war er der Maler eines der Schlafzimmer der Villa. Vielleicht. Genaues weiß man nicht.

Das namentliche Graffito bekommen die Museumsbesucher allerdings nicht zu sehen. Überhaupt können die Fresken und Deckenstuckaturen nicht von Nahem besichtigt werden. Der Zugang zu den einzelnen Räumen wird durch Ketten verwehrt. Zum einen, um die Luftfeuchtigkeit in den Räumen nicht ansteigen zu lassen. Aber auch, so die Archäologin, weil das Kulturministerium die Personalausgaben für das Museum radikal gekürzt hat. Man könne ja schon froh sein, erklärt Maria Teresa Di Sarcina bei ausgeschaltetem Mikrofon, dass man angesichts der Sparwelle der Regierung die regulären Öffnungszeiten des Museums einhalten kann.

Die staatlichen Finanzkürzungen haben auch dazu geführt, dass fast alle Museen große Ausstellungen mit Leihgaben von auswärts nicht mehr organisieren können. Wie im Palazzo Massimo werden stattdessen Magazinbestände hervorgeholt und Ausstellungsstücke neu präsentiert. Auch in den Uffizien in Florenz zeigt man seit einiger Zeit immer öfter Archivbestände zu bestimmten Themen. Und in Mailand kann in der Brera-Pinakothek endlich ein Teil jener Gemäldeschätze besichtigt werden, die seit Jahrzehnten in Kellern lagern. Not macht erfinderisch, kommentieren Italiens Museumsdirektoren die Situation und verweisen auf den Umstand, dass durchschnittlich 70 Prozent der Bestände italienischer Museen in Archiven lagern. Und das sind nicht nur zweit- oder drittklassige Objekte, sondern in den meisten Fällen Gemälde, Skulpturen, Fresken und so weiter, um die sich ausländische Museen reißen würden.