Behutsames Beziehungsdrama
Ein junges Paar in Bosnien leidet unter den Spätfolgen des Bürgerkrieges. Die 2006 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnete Regisseurin Jasmila Zbanic zeigt in ihrem zweiten Spielfilm die Bedrohung, die radikale Ideologien auf zwischenmenschliche Beziehungen haben können.
Bosnien heute. Luna und Amar sind um die 30 schon lange ein Paar und wünschen sich ein Kind. Aber zwischen beiden gibt es immer wieder Spannungen, weil Amar zu oft trinkt. Noch immer kämpft er mit den Traumata des Bürgerkrieges. Durch den Alkoholkonsum wird Amar ebenso sentimental wie anstrengend. Luna weiß dann manchmal nicht, wo ihr Mann bleibt:
"Ist Amar bei dir ?...Luna ich liebe Dich. Das ist die Frau, die ich liebe."
Kurze Zeit später verliert Amar wegen seiner Alkoholprobleme seinen gut bezahlten Job am Flughafen. Zunächst hängt er ziellos in der Luft. Dann trifft er zufällig auf einen Jugendfreund, der sich sehr verändert hat. Er hat sich einen Bart stehen lassen, seine Frau fährt völlig vermummt Auto und er gibt Luna nicht einmal die Hand.
Der Regisseurin Jasmila Zbanic ist einmal Ähnliches widerfahren:
"Ich interessierte mich sehr für die Prozesse der Veränderung in mir, in meinem Land, meiner Gesellschaft nach dem Krieg und in dieser Übergangsphase vom Sozialismus zum unkontrollierten, wilden Kapitalismus. Das führte auch zu Veränderungen in Familien, in zwischenmenschlichen Beziehungen. Das war mir sehr bewusst, aber es war noch keine Geschichte.
Dann geriet ich einmal in eine Situation, wo ich im Haus von Freunden auf einen Mann traf, der mir nicht die Hand geben wollte. Das war dann der Ausgangspunkt für meine Recherche. Das provozierte mich derart. Ich fühlte mich als Frau verletzt und fragte mich: Warum ist dieser Mann so ein Ignorant und handelt so falsch."
Als Künstlerin sagt Jasmila Zbanic bricht man ja eigentlich mit Konventionen und legt nicht so viel Wert auf Umgangsformen. Aber in diesem Fall war ihr der auch in Bosnien übliche Brauch, sich beim ersten Kennenlernen die Hand zu geben plötzlich wichtig. Sie fing an zu recherchieren und interessierte sich besonders für die Anhänger der Wahabiten von denen ursprünglich viele nicht einmal religiös waren. Und so geht es in "Zwischen uns das Paradies" dann auch thematisch vor allem darum, wie sich zunächst Amar verändert, radikaler wird und Luna diesen Weg nicht mehr mitgehen kann.
Jasmila Zbanic, die sich selbst als eine kulturelle Moslemin bezeichnet, erklärt diesen neuen Islamismus in ihrem Land mit dem Zusammenbruch Jugoslawiens und räumt mit gewissen Klischees auf:
"Religion wurde wichtiger, nicht nur der Islam, sondern auch die orthodoxe Kirche und das Christentum Er erreichte Schulen und Kindergärten. So etwas gab es früher nicht. In Jugoslawien war Religion nicht verboten. Es galt der Grundsatz Religion sei Opium für das Volk und wurde vom Staat nicht unterstützt. Es gab aber Religionsgemeinschaften und auch Schulen. Sie waren nicht Teil des Systems.
Nach dem Krieg wurde dann Religion wichtiger. Heute lese ich oft von verschiedenen religiösen Gruppen, damals in Jugoslawien sei die Religion verboten gewesen, aber das stimmt nicht. Sie wurden nur von dem System nicht unterstützt. In Bosnien wurde der Islam mächtiger, Kinder lernten ihn plötzlich in der Schule. Saudi Arabien unterstütze dann einen anderen Islam. Normalerweise ist der Islam nicht so mächtig. In unserer traumatisierten Gesellschaft, versuchten Menschen sich an Ideen festzuhalten, es wurde zu einer Art Überlebensdroge."
Wie schon in ihrem vorherigen Film "Esmas Geheimnis" geht es der Filmemacherin immer um zwischenmenschliche Konflikte, nie um die Illustration von Ideen oder das reine Bloßstellen einer Ideologie oder Religion. Thematisierte "Esmas Geheimnis" die Unfähigkeit einer traumatisierten Mutter, die das Opfer einer Massenvergewaltigung wurde, der eigenen Tochter von ihrem Leid zu berichten, dann bedroht diesmal Einfluss einer radikalen Ideologie auch gebildete, bürgerliche Schichten. Dies führt auch zu Veränderungen zwischenmenschlicher Beziehungen im Alltag.
Jasmila Zbanic inszeniert dies behutsam, manchmal auch mit leisem Humor. Leider ging ihr Film bei der diesjährigen Berlinale völlig zu Unrecht leer aus. Dabei ist "Zwischen uns das Paradies" der Beweis, dass sich politische und gesellschaftlich relevante Themen wunderbar in eine gut erzählte Geschichte integrieren lassen, wenn Charaktere im Vordergrund stehen mit denen man sich auch identifizieren kann.
Bosnien und Herzegowina/Österreich/Deutschland/Kroatien 2010. Originaltitel: Na Putu. Regie: Jasmila Zbanic. Darsteller: Zrinka Cvitesic, Leon Lucev, Ermin Bravo, Mirjana Karanovic, Marija Köhn, Nina Violic – FSK ab 6, 100 Minuten
Filmhomepage
Links zum Thema:
Interview mit Regisseurin Jasmila Zbanic zu "Zwischen uns das Paradies"
"Ist Amar bei dir ?...Luna ich liebe Dich. Das ist die Frau, die ich liebe."
Kurze Zeit später verliert Amar wegen seiner Alkoholprobleme seinen gut bezahlten Job am Flughafen. Zunächst hängt er ziellos in der Luft. Dann trifft er zufällig auf einen Jugendfreund, der sich sehr verändert hat. Er hat sich einen Bart stehen lassen, seine Frau fährt völlig vermummt Auto und er gibt Luna nicht einmal die Hand.
Der Regisseurin Jasmila Zbanic ist einmal Ähnliches widerfahren:
"Ich interessierte mich sehr für die Prozesse der Veränderung in mir, in meinem Land, meiner Gesellschaft nach dem Krieg und in dieser Übergangsphase vom Sozialismus zum unkontrollierten, wilden Kapitalismus. Das führte auch zu Veränderungen in Familien, in zwischenmenschlichen Beziehungen. Das war mir sehr bewusst, aber es war noch keine Geschichte.
Dann geriet ich einmal in eine Situation, wo ich im Haus von Freunden auf einen Mann traf, der mir nicht die Hand geben wollte. Das war dann der Ausgangspunkt für meine Recherche. Das provozierte mich derart. Ich fühlte mich als Frau verletzt und fragte mich: Warum ist dieser Mann so ein Ignorant und handelt so falsch."
Als Künstlerin sagt Jasmila Zbanic bricht man ja eigentlich mit Konventionen und legt nicht so viel Wert auf Umgangsformen. Aber in diesem Fall war ihr der auch in Bosnien übliche Brauch, sich beim ersten Kennenlernen die Hand zu geben plötzlich wichtig. Sie fing an zu recherchieren und interessierte sich besonders für die Anhänger der Wahabiten von denen ursprünglich viele nicht einmal religiös waren. Und so geht es in "Zwischen uns das Paradies" dann auch thematisch vor allem darum, wie sich zunächst Amar verändert, radikaler wird und Luna diesen Weg nicht mehr mitgehen kann.
Jasmila Zbanic, die sich selbst als eine kulturelle Moslemin bezeichnet, erklärt diesen neuen Islamismus in ihrem Land mit dem Zusammenbruch Jugoslawiens und räumt mit gewissen Klischees auf:
"Religion wurde wichtiger, nicht nur der Islam, sondern auch die orthodoxe Kirche und das Christentum Er erreichte Schulen und Kindergärten. So etwas gab es früher nicht. In Jugoslawien war Religion nicht verboten. Es galt der Grundsatz Religion sei Opium für das Volk und wurde vom Staat nicht unterstützt. Es gab aber Religionsgemeinschaften und auch Schulen. Sie waren nicht Teil des Systems.
Nach dem Krieg wurde dann Religion wichtiger. Heute lese ich oft von verschiedenen religiösen Gruppen, damals in Jugoslawien sei die Religion verboten gewesen, aber das stimmt nicht. Sie wurden nur von dem System nicht unterstützt. In Bosnien wurde der Islam mächtiger, Kinder lernten ihn plötzlich in der Schule. Saudi Arabien unterstütze dann einen anderen Islam. Normalerweise ist der Islam nicht so mächtig. In unserer traumatisierten Gesellschaft, versuchten Menschen sich an Ideen festzuhalten, es wurde zu einer Art Überlebensdroge."
Wie schon in ihrem vorherigen Film "Esmas Geheimnis" geht es der Filmemacherin immer um zwischenmenschliche Konflikte, nie um die Illustration von Ideen oder das reine Bloßstellen einer Ideologie oder Religion. Thematisierte "Esmas Geheimnis" die Unfähigkeit einer traumatisierten Mutter, die das Opfer einer Massenvergewaltigung wurde, der eigenen Tochter von ihrem Leid zu berichten, dann bedroht diesmal Einfluss einer radikalen Ideologie auch gebildete, bürgerliche Schichten. Dies führt auch zu Veränderungen zwischenmenschlicher Beziehungen im Alltag.
Jasmila Zbanic inszeniert dies behutsam, manchmal auch mit leisem Humor. Leider ging ihr Film bei der diesjährigen Berlinale völlig zu Unrecht leer aus. Dabei ist "Zwischen uns das Paradies" der Beweis, dass sich politische und gesellschaftlich relevante Themen wunderbar in eine gut erzählte Geschichte integrieren lassen, wenn Charaktere im Vordergrund stehen mit denen man sich auch identifizieren kann.
Bosnien und Herzegowina/Österreich/Deutschland/Kroatien 2010. Originaltitel: Na Putu. Regie: Jasmila Zbanic. Darsteller: Zrinka Cvitesic, Leon Lucev, Ermin Bravo, Mirjana Karanovic, Marija Köhn, Nina Violic – FSK ab 6, 100 Minuten
Filmhomepage
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Interview mit Regisseurin Jasmila Zbanic zu "Zwischen uns das Paradies"