Behörde auf dem „Holz-Eier-Weg“

Von Udo Pollmer |
Seit Tagen hängen sie an den Sträuchern im Vorgarten oder in der Vase im Wohnzimmer: Bunte Eier, ob ausgeblasen und angemalt oder aber aus Holz oder Plastik vom Geschäft nebenan. Eine Warnung des Bundesamtes für Risikobewertung hat Lebensmittelchemiker Udo Pollmer zum Kopfschütteln angeregt.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung, das BfR in Berlin, hat pünktlich zum Osterfest für Aufregung gesorgt: Es hat der Öffentlichkeit ein kunstvolles Regelwerk zum Verfertigen von Ostereiern überanwortet, eins, das uns alle vor Krankheit und Tod schützen soll. Was bitte ist so gefährlich an bemalten Ostereiern? Etwa Vergiftungen durch Verschlucken von illegalen Eier-Farbstoffen? Krebserregende Umweltgifte in den Eierschalen? Oder Schnittwunden durch zerbrochene Gläser beim Pinselwaschen?

Nein. Die Gefahr lauert beim Ausblasen der Eier. Denn dabei kann man sich Keime einfangen. Ich zitiere das BfR: „Da Kinder besonders gefährdet sind, sollten sie möglichst gar nicht mit rohen Eiern umgehen.“ Die Behörde warnt die Eltern vor jeglichem „Kontakt“ ihrer Kinder mit einem frischen Hühnerei. Stattdessen rät sie zur Verwendung von Holzeiern. Auch Styropor wäre eine gesunde Alternative, so das Amt. Das war kein schlechter Aprilscherz! Die aberwitzige Meldung datiert vom 30. März!

„Wer auf das Auspusten von Ostereiern nicht verzichten möchte“, schreibt das Amt den Unverbesserlichen ins Stammbuch, der sollte die Schale wenigstens nicht mit Rouladennadeln anpieken – das steht da wirklich drin. Der Präsident der Behörde, Professor Dr. Dr. Hensel empfiehlt zum Ausblasen beispielsweise Strohhalme oder die Verwendung von „Einwegspritzen mit möglichst dicken Kanülen“. Wie man mit Strohhalmen oder Spritzen den nötigen Druck erzeugen kann, um den zähflüssigen Inhalt am anderen Ende herauszupusten ist mir schleierhaft. Hat sich da jemand in seinem Elfenbeinturm verlaufen?

Das Sicherheitsdenken schlägt in Deutschland immer größere Kapriolen: Unsere Kinder werden nun vor den Gefahren gewarnt, die von Hühnern und ihren Gelegen ausgehen und den Familien stattdessen Spritzen und Injektionsnadeln angedient. In jeden Besteckkasten gehört dann alsbald auch ein Injektionsbesteck. Demnächst werden wir wohl den Kopfsalat nur noch mit einer langen Zange anfassen und die Äpfel mit dem Skalpell schälen. Das Küssen wird bei Grippegefahr oder nach Eierverzehr dann nur noch mit Mundschutz gestattet.

Nach dem Ausblasen empfiehlt die Bundesbehörde jegliche Reste des rohen Eies mit lauwarmen Wasser und Spülmittel „gründlich“ zu entfernen. Ganz unter uns: Nach einer kindlichen Auspuste- und Malaktion muss jeder Küchentisch sowieso „gründlich“ abgewischt werden. „Sollen Eigelb und Eiweiß noch verwendet werden,“ mahnen die Experten, „sollten sie in geschlossenen Behältern aufbewahrt werden, um eine Keimübertragung zu vermeiden“.

Die Gefahr einer Keimübertragung trifft gleichermaßen für Frischobst und Gemüserohkost zu. Das gehört dann wohl auch unter Verschluss und nicht in Kinderhände? Hygiene ist bei Eiern übrigens einfacher als bei einem Gurkensalat: Man nehme den ausgeblasenen Inhalt, verrühre ihn mit etwas Milch, Salz und Schnittlauch und ab in die Pfanne damit. Oder die Eierpampe einfach in den Rührteig geben und einen Marmorkuchen backen, während die Kinder mit Malen und Klecksen beschäftigt sind.

Statt eines offiziellen Sechspunkteplans zum politisch korrekten Ausblasen von Eiern hätte es genügt, als erstes die schmuddeligen Kinderhändchen zu waschen, bevor sie an Lebensmitteln herumfummeln – unter uns, dieser Tipp, der fehlt prompt in den amtlichen Eier-Ausblas-Papieren. Vor dem Ausblasen sollte man die Eier abwaschen, gern auch mit Spülmittel. Und wer auf Nummer Sicher gehen möchte, kann in diesem Falle auf Bio- bzw. Freilandeier verzichten, einfach deshalb, weil sie naturgemäß häufiger mit Keimen belastet sind. Damit wäre alles Nötige gesagt und getan.

Das Ausblasen und Bemalen von Ostereiern ist eine hübsche Tradition zu Ehren des genialen Lebensmittels Ei: Seine inneren Werte nähren und sättigen, die zerbrechliche Hülle übt die Feinmotorik verspielter Kinderhände und nach dem geglückten Bemalen erfreuen uns die Eier als Kunstwerk. Frohe Ostern!

Literatur:

BfR: Ostereier: Auspusten und bemalen – aber richtig! Pressemeldung 14/2012 vom 30.März 2012

BfR: Ausgewählte Fragen und Antworten zu Ostereiern. Aktualisierte FAQ des BfR vom 30. März 2012