Begleitmusik der Wende

Von Tarik Ahmia |
Wie klang der Soundtrack der Revolution? Lieder also, die den friedlichen Umsturz in der DDR und in Osteuropa begleitet haben und noch heute damit verbunden werden? Eine Antwort auf diese Frage versucht der Sampler "Sound of Revolution", den die "Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur" und die EU-Kommission herausgebracht haben, mit 20 Liedern aus den Jahren 1989 und '90 über Bürgermut, Selbstbehauptung und Widerstand.
Auf dieser neuen - übrigens kostenlosen CD - sind 20 Lieder aus elf verschiedenen Ländern versammelt, zum Beispiel aus der DDR, Bulgarien, Ungarn, Rumänien oder Polen. Das Cover der CD verspricht Songs, die "den Eisernen Vorhang zum Einsturz gebracht haben".

Musikalisch reicht das Spektrum von akustischen Gitarrenballaden über kraftvolle Männerchöre bis zum Stadionrock - also eine sehr unterschiedliche Mischung, die aber von der gemeinsamen Idee getragen ist, ein Statement gegen Unterdrückung und für Freiheit und Gerechtigkeit zu machen.

Hinter dem Projekt steht übrigens kein Plattenlabel - die haben alle abgewunken -, sondern zwei Organisationen, die man mit der Musikszene eigentlich nicht verbindet:

Zum einen die "Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur" - so der offizielle Titel -. Die beschäftigt sich normalerweise im Auftrag des Bundes mit der Geschichte der SED-Herrschaft. Zum anderen die Europäische Kommission, die das ganze mit 150.000 Euro finanziert.

Die CD hat mich positiv überrascht, denn sie enthält keine platten antikommunistischen Protestsongs, sondern Dokumente ihrer Zeit, die im besten Fall über ihre Zeit hinaus relevant geblieben sind. Einige davon sind wirklich poetische Lieder, die die friedlichen Revolution widerspiegeln - sozusagen Geschichte zum Mitsingen.

Aus Polen gibt es zwei balladenhafte Moritaten. Aus Lettland kommt ein Lied im Stil von Joan Baez über Heimatliebe. Aus Rumänien stammen zwei Männerchöre, die Freiheitslieder aus dem 19. Jahrhundert schmettern. Litauen ist mit einem Unabhängigkeitslied im Sound des "Eurovision Song Contest" vertreten. Und aus den drei baltischen Ländern spielt dann noch eine baltische All-Star Band einen richtigen Stadionrock-Song.

Viele der Liedtexte sind zeitlos und ich finde, sie haben nichts von ihrer Bedeutung verloren, etwa wenn es um universelle Menschlichkeit geht, oder darum, von Heuchelei und Täuschung wegzukommen.

Sie verwenden dafür eine oft poetischen und kraftvolle Sprache, das kann ich hier aber schlecht nacherzählen, das liest man besser selber im Booklet nach, das alle Texte im Original und mit englischer Übersetzung enthält. Außerdem gibt es zu jedem Lied eine kurze Erklärung, welche Rolle es damals gespielt hat.

Ein Lied, das auch heute noch beeindruckt, stammt von der tschechischen Sängerin Marta Kubischová. Bei ihrem Lied "Ein Gebet für Marta" habe ich schon fast eine Gänsehaut bekommen. Vor allem, als ich mir vorgestellt habe, wie es wohl war, als sie es 89 auf dem Balkon vom Wenzelsplatz sang - und was für eine besondere Situation gewesen sein muss.

"Ein Gebet für Marta" war in der CSSR 20 Jahre lang verboten, weil es als ein Symbol des Prager Frühlings von 1968 galt. Im Text geht es um eine Art universelle menschliche Hoffnung auf das Ende von Bosheit, Neid und Furcht - und - so heißt es darin - diese Hoffnung wird alle Härten überstehen wie die Blumen den Frost des Winters.

Als Marta Kubischová 1989 das Lied vor Tausenden von Demonstranten sang, muss das fast schon eine spirituelle Erfahrung gewesen sein.

Service:
Die CD mit Liedern aus der Wendezeit gibt es kostenlos bei der Europäischen Kommission. Interessierte senden einfach eine E-Mail mit CD-Wunsch und Kontaktdaten an die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland oder postalisch an:
Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland
Unter den Linden 78
10117 Berlin