Begegnungen mit Elisabeth Leonskaja (2/3): Von Moskau nach Wien

Die Karriere geht weiter: "Nahtlos mit Reibungen"

86:44 Minuten
Eine Dame mit großem, edlen Schal mit Blumen lächelt in die Kamera.
Pianistin Elisabeth Leonskaja ist von der Liebe zur Kunst und zur Musik in ihrer Wahlheimat Wien begeistert. © Elisabeth Leonskaja / Marco Borggreve
Gast: Elisabeth Leonskaja, Moderation: Cornelia de Reese · 18.11.2020
Als für Elisabeth Leonskaja in Moskau eine Auslandssperre festgesetzt wird, entscheidet sich die erfolgreiche Pianistin 1978 für die Auswanderung Richtung Wien. Alte und neue Freunde wie Swjatoslaw Richter und das Alban Berg Quartett begleiten diesen Schritt.
Elisabeth Leonskaja ist eine der geachtetsten Pianisten der heutigen Zeit. Als junge Frau gewann sie für die Sowjetunion zahlreiche Wettbewerbe, Auslandsreisen schlossen sich an, bis ein Auftrittsverbot im Ausland gegen sie ausgesprochen wurde. Warum, das erfuhr die Pianistin bis heute nicht. Diese Willkür ließ den Plan in ihr reifen, auszuwandern.

Das Tor zur Welt

Die jüdischen Wurzeln ihrer Mutter ermöglichten es, eine offizielle Ausreisegenehmigung nach Israel zu erwirken. Nach langem Warten entschieden sich die offiziellen Stellen ganz plötzlich. Sie erhielt die Papiere und innerhalb von neun Tagen musste sie das Land verlassen. Mit einem kargen Schriftstück verließ sie das Land, ihr Weg führte sie aber in die Musikmetropole Wien.
Mit Konzertkleidung und edlen Schuhen verließ sie den Flieger, um gleich zur Probe ins Konzerthaus zu eilen. Erst nach einigen Konzerten in der Stadt und in Graz nahm sie sich der Formalitäten einer Umsiedlung an, die auch in die Namensgebung eingriff. Aus Elisaveta wurde Elisabeth Leonskaja.
Ein grünliches Ausweispapier mit kyrillischen Buchstaben und einem bestempelten Foto der jungen Pianistin mit schulterlangem Haar.
Mit diesem unscheinbaren Visum-Papier ließ man Elisabeth Leonskaja 1978 ausreisen.© Elisabeth Leonskaja / EAS Musikmanagement GmbH / privat
Diese Schritte wurden von Freunden begleitet, ihr zur Seite stand der Pianistenkollege Swjatoslaw Richter, der sich rührend um sie sorgte. Elisabeth Leonskaja meisterte diesen Umbruch: "Nahtlos, mit Reibungen.", wie sie es selbst leise lachend formuliert. Richter konnte sie sogar noch einmal nach der Auswanderung treffen: sie besuchte einfach eines seiner Konzerte mit einem österreichischen Touristenvisum. Für einige Jahre war das noch möglich.

Neuanfang in Wien

Auf großes Interesse oder Neugier anderer Pianistenkollegen stieß Elisabeth Leonskaja in Wien nicht. Dennoch war eine Wohnung schnell gefunden, der Leiter des Konzerthauses Wien unterstützte sie tatkräftig. Er konnte die Pianistin zügig ins Musikgeschehen einbinden. So machte er sie zum Beispiel mit dem Alban Berg Quartett bekannt. Daraus entwickelte sich eine großartige, langjährige Freundschaft.
Vier Streicher haben sich im Licht einer gelben Stehlampe mit ihren Notenständern zu einer Pianistin am Flügel gesellt.
Eine der ersten Aufnahmen, die Elisabeth Leonskaja in Wien unternahem: Schuberts Forellenquintett mit Mitgliedern des Alban Berg Quartetts und Gerg Hörtnagel am Kontrabass.© Elisabeth Leonskaja / EAS Musikmanagement GmbH / privat
Aber auch ein schnelles Wiedersehen mit dem Dirigenten Kurt Masur oder mit dem Cellisten Boris Pergamentschikov ließen eine musikalische Stringenz zu.
Ein Dirigent und eine Frau in rotem Kleid umarmen sich glücklich lachend auf einem Konzertpodium.
Kurt Masur kannte Elisabeth Leonskaja schon als junge russische Musikerin. Auch nach ihrem Wechsel nach Wien spielten sie gemeinsam, hier im Jahr 2003.© Elisabeth Leonskaja / EAS Musikmanagement GmbH / privat
Sie gewann neue Partner, neue 'ständige' Kollegen, wie den Cellisten Heinrich Schiff, mit dem sie ab sofort konzertierte. Ebenso kamen Einladungen, Brigitte Fassbaender oder Matthias Goerne zu begleiten.
Undatiertes Foto der Pianistin und der Sängerin in einem großen roten Gewand, die gemeinsam ihre Hände kurz vor einer Verbeugung in die Luft heben.
Elisabeth Leonskaja (links) und Brigitte Faessbaender (rechts) im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses.© Elisabeth Leonskaja / EAS Musikmanagement GmbH / privat
Allerdings gibt sie bei dem Interview in ihrer Wiener Wohnung zu: "Ich bin keine Liedbegleiterin. Ich bewundere alle, die diese Kunst beherrschen, die Kunst, im Schatten zu führen." Das wolle sie nicht mehr.

Das Ohr der Freunde fragen

Musikalisch vertraut sie sich Freunden an, denen sie ihre Programme vorstellt und -spielt. Aber nicht nur die Gespräche mit ihnen helfen ihr, manchmal sind es die spontanen Reaktionen vom Publikum, denen sie nachhängt.
Teil 3 wird am 25.11.2020 ab 20.03 Uhr ausgestrahlt.
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