Begegnung mit dem Nebenbuhler
"Die italienische Begeisterung" erzählt die Geschichte zweier Männer, zweier Flüchtender: Sie gehen Verbindungen mit Frauen ein und scheitern in diesen Beziehungen. Gerd-Peter Eigner lässt in seinem Roman den gehörnten Ehemann auf seinen Nebenbuhler treffen. Einfühlsam beschreibt er die Kluft und knüpft zugleich ein Band zwischen den vermeintlichen Kontrahenten.
"Eine Woche vor ihrem Tod sagte mir die Frau, mit der ich ein Vierteljahrhundert gelebt und drei Kinder großgezogen hatte, daß sie immer nur ihn geliebt habe."
Mit diesem niederschmetternden Satz beginnt der Roman von Gert-Peter Eigner. Seinem Protagonisten Rolf Boddensiek lässt diese Offenbarung keine Ruhe. Der Andere, den seine Frau mehr als ihn liebte, ist sein ehemaliger Banknachbar Theo Bronken, den sie in der Schule "Ti ätsch" nannten.
Bronken, der anders war, der aneckte und provozierte, hatte eine "Überpräsenz". Dieser Unangepasste springt als Nichtschwimmer im Alter von zehn Jahren zur höchsten Verwunderung seiner Mitschüler vom Zehn-Meter-Turm. Später verlieren sich die beiden aus den Augen und treffen sich unerwartet wieder. Bronken ist zu diesem Zeitpunkt Anästhesist, und Boddensiek arbeitet als Lotse.
Dieses erste Wiedersehen liegt acht Jahre zurück, als sich Boddensiek aufmacht, seinen vermeintlichen Nebenbuhler in Italien aufzusuchen. Er will in Erfahrung bringen, was seine Frau an diesem Mann geliebt hat. Die Begegnung wird zu einer Reise in die Finsternis, weshalb Boddensiek sich an Joseph Conrads Roman "Das Herz der Finsternis" erinnert fühlt. Sein Besuch bei Bronken ist ein Wagnis, denn es besteht die Gefahr, dass in Frage gestellt wird, was und wie er gelebt hat.
Eigner erzählt die Geschichte zweier Männer, die er als Flüchtende vorstellt. Sie gehen Verbindungen mit Frauen ein und scheitern in diesen Beziehungen. Boddensiek heiratet Aischa, die Frau, mit der Bronken während der Schulzeit ein Verhältnis hatte. Sie wollen scheinbar wenig vom Leben, aber der Versuch, es in Würde zu leben, erweist sich als Herausforderung auf höchstem Niveau.
Bronken, der nicht festhalten kann, was er zum Leben braucht, erhebt das Loslassen zum Programm:
"Immer wieder mal alles hinter sich lassen und gepäcklos ankommen",
lautet sein Wahlspruch. Deshalb hat er sich in Italien niedergelassen, wo er seinen Boden bearbeitet, damit Oliven und Wein wachsen. Beide nehmen die Wiederbegegnung zum Anlass, Lebensbilanz zu ziehen. Indem sie sich in ihre Geschichten vertiefen, graben sie den Boden um, der die Basis für ihr Leben bildete. Was sie dabei herausfinden, ist ernüchternd.
Eigner findet für seinen sehr einfühlsam erzählten Roman eine Sprache, die genau jene Kluft beschreibt, die Bronken und Boddensiek voneinander trennt. Zugleich gelingt es ihm aber, erzählend ein Band zwischen den vermeintlichen Kontrahenten zu knüpfen. Sie kommen sich näher, und indem Boddensiek Bronken kennenlernt, begreift er ihn, Aischa und auch sich.
Manchmal ist die Perspektive, aus der Eigner zwei in die Jahre gekommene Männer beschreibt, zu sehr auf das Thema konzentriert, dem alte Männer verfallen, wenn sie nicht mehr praktizieren, worüber sie reden. Unschuldig am Misslungenen in ihrem Leben sind sie nicht, denn sie standen sich auch gehörig selber im Weg, bei den Bindungsversuchen, die sie probierten.
Ein kluger, ein sprachlich gelungener Roman eines Autors, den man lange in der Literaturszene vermisst hat. Sehr eindrucksvoll meldet er sich mit "Die italienische Begeisterung" wieder zurück.
Rezensiert von Michael Opitz
Gerd-Peter Eigner: Die italienische Begeisterung
Roman, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008,
413 Seiten, 19,95 Euro
Mit diesem niederschmetternden Satz beginnt der Roman von Gert-Peter Eigner. Seinem Protagonisten Rolf Boddensiek lässt diese Offenbarung keine Ruhe. Der Andere, den seine Frau mehr als ihn liebte, ist sein ehemaliger Banknachbar Theo Bronken, den sie in der Schule "Ti ätsch" nannten.
Bronken, der anders war, der aneckte und provozierte, hatte eine "Überpräsenz". Dieser Unangepasste springt als Nichtschwimmer im Alter von zehn Jahren zur höchsten Verwunderung seiner Mitschüler vom Zehn-Meter-Turm. Später verlieren sich die beiden aus den Augen und treffen sich unerwartet wieder. Bronken ist zu diesem Zeitpunkt Anästhesist, und Boddensiek arbeitet als Lotse.
Dieses erste Wiedersehen liegt acht Jahre zurück, als sich Boddensiek aufmacht, seinen vermeintlichen Nebenbuhler in Italien aufzusuchen. Er will in Erfahrung bringen, was seine Frau an diesem Mann geliebt hat. Die Begegnung wird zu einer Reise in die Finsternis, weshalb Boddensiek sich an Joseph Conrads Roman "Das Herz der Finsternis" erinnert fühlt. Sein Besuch bei Bronken ist ein Wagnis, denn es besteht die Gefahr, dass in Frage gestellt wird, was und wie er gelebt hat.
Eigner erzählt die Geschichte zweier Männer, die er als Flüchtende vorstellt. Sie gehen Verbindungen mit Frauen ein und scheitern in diesen Beziehungen. Boddensiek heiratet Aischa, die Frau, mit der Bronken während der Schulzeit ein Verhältnis hatte. Sie wollen scheinbar wenig vom Leben, aber der Versuch, es in Würde zu leben, erweist sich als Herausforderung auf höchstem Niveau.
Bronken, der nicht festhalten kann, was er zum Leben braucht, erhebt das Loslassen zum Programm:
"Immer wieder mal alles hinter sich lassen und gepäcklos ankommen",
lautet sein Wahlspruch. Deshalb hat er sich in Italien niedergelassen, wo er seinen Boden bearbeitet, damit Oliven und Wein wachsen. Beide nehmen die Wiederbegegnung zum Anlass, Lebensbilanz zu ziehen. Indem sie sich in ihre Geschichten vertiefen, graben sie den Boden um, der die Basis für ihr Leben bildete. Was sie dabei herausfinden, ist ernüchternd.
Eigner findet für seinen sehr einfühlsam erzählten Roman eine Sprache, die genau jene Kluft beschreibt, die Bronken und Boddensiek voneinander trennt. Zugleich gelingt es ihm aber, erzählend ein Band zwischen den vermeintlichen Kontrahenten zu knüpfen. Sie kommen sich näher, und indem Boddensiek Bronken kennenlernt, begreift er ihn, Aischa und auch sich.
Manchmal ist die Perspektive, aus der Eigner zwei in die Jahre gekommene Männer beschreibt, zu sehr auf das Thema konzentriert, dem alte Männer verfallen, wenn sie nicht mehr praktizieren, worüber sie reden. Unschuldig am Misslungenen in ihrem Leben sind sie nicht, denn sie standen sich auch gehörig selber im Weg, bei den Bindungsversuchen, die sie probierten.
Ein kluger, ein sprachlich gelungener Roman eines Autors, den man lange in der Literaturszene vermisst hat. Sehr eindrucksvoll meldet er sich mit "Die italienische Begeisterung" wieder zurück.
Rezensiert von Michael Opitz
Gerd-Peter Eigner: Die italienische Begeisterung
Roman, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008,
413 Seiten, 19,95 Euro